„1 Mord für 2“ (Kinostart: 20.12.2007)

Der Ire Kenneth Branagh ist bekennender Shakespeare-Fan. Bereits sechs Werke des englischen Dichters adaptierte er selbst für die Kinoleinwand, an vielen weiteren Verfilmungen (z.B. „Othello“) beteiligte er sich zudem als Darsteller. Allen gemein ist die Nähe zum gedruckten Original, was im Falle von „Hamlet“ in einer Spielfilmlaufzeit von knapp vier Stunden kulminierte.
Vier ist auch die Zahl die sein neues Werk „1 Mord für 2“ begleitet: Branagh selbst als Regisseur, Literaturnobelpreisträger Harold Pinter als Drehbuchautor, sowie Michael Caine und Jude Law als Akteure vor der Kamera – mehr Zutaten brauchte es nicht für dieses großartige Stück Zelluloid.
Der Millionär Wyke (Caine) lädt den erfolglosen Schauspieler Tindle (Law) in seine spärlich möblierte Designervilla zum Gespräch ein. Grund für das Zusammentreffen ist Wykes Gattin, die neuerdings mit Tindle anbändelt und deshalb nun die Scheidung fordert. Amüsiert über die in seinen Augen lächerliche Beziehung des mittellosen Jungen zu seiner luxusliebenden Ex, willigt er unter der Bedingung ein, dass Tindle etwas aus seinem Safe stehle, um die Versicherungssumme kassieren zu können. Dass Wyke mit dieser Aktion jedoch ganz anderes im Sinn hat, ahnt der scheinbar naive Junge nicht. Oder doch? Denn auch er hat noch einige Überraschungen im Gepäck.
„1 Mord für 2“ ist vielmehr verfilmtes Theater als Kino. Sparsame Requisiten, scharfzüngige Dialoge und präzises Schauspiel stehen im Vordergrund und bieten intelligente, wendungsreiche Unterhaltung auf höchstem Niveau.
Caine und Law spielen sich dabei die Seele aus dem Leib und sind trotz generationsbedingter, unterschiedlicher Schauspielkunst in jeder einzelnen Szene ebenbürtige Kontrahenten. Fabelhaft!

P.S.: Übrigens war es kein geringerer als Michael Caine selbst, der 1972 im Original „Sleuth“ („Mord mit kleinen Fehlern“) die Rolle des Tindle spielte. Und für Jude Law ist es nach „Alfie“ (2004) das zweite Remake, in der er eine Rolle von Michael Caine übernimmt.

„Für den unbekannten Hund“ " (Kinostart: 06.12.2007)

Können Filme das Denken innerhalb einer Gesellschaft beeinflussen? Sicherlich, zumindest wenn die Fähigkeit zum Denken überhaupt vorhanden ist.
Etliche Skinheads, die 2000 den Film „Oi!Warning“ im Kino sahen, schlugen lieber zu als zu diskutieren oder umzudenken. Opfer: die Brüder und Filmemacher Dominik und Benjamin Reding (38). Glücklicherweise hielt dies beide nicht davon ab, ihren künstlerischen Weg konsequent weiter zu gehen. „Für den unbekannten Hund“ heißt ihr neues Werk, das ebenso kontrovers daherkommt und sich der zunehmenden Gewalt unter Jugendlichen widmet.
Bastian (Lukas Steltner) tötet grundlos und ohne Reue zu empfinden einen Stadtstreicher. Zwar bleibt die Tat ungesühnt, ein Zeuge jedoch zwingt ihn zur Flucht. So landet er bei einer Gruppe von Handwerksgesellen, die, nur mit Rucksack und etwas Werkzeug bewaffnet, quer durchs Land ziehen. Als er erfährt, daß ausgerechnet Festus (Sascha „Ferris MC“ Reimann), sein Weggefährte, bester Freund des Getöteten war, beginnt Bastian über sein bisheriges Leben nachzudenken und in Frage zu stellen.
Ungewöhnlich wie das Thema ist auch die Umsetzung: Im Schrittempo wandern die Gesellen durch surreale Landschaften und eine tiefgründige, symbolisch garnierte Geschichte, die faszinierende Einblicke in ein fast vergessenes Ritual unter Gesellen liefert und von Schuld, Wiedergutmachung, Verantwortung und Vergebung in nahezu epischer Breite erzählt. Ferris MC zeigt beindruckende Leinwandpräsenz, der Film selbst eine Seite von Deutschland und seinen Bewohnern, die es so im Kino noch nicht zu sehen gab und wieder für Diskussionen sorgen wird. Diesmal hoffentlich mit Wörtern statt Fäusten.

„An ihrer Seite“ (Kinostart: 06.12.2007)

Überschriften und Titel dienen im Idealfall dazu, dem Leser/Hörer/Betrachter einen ersten Eindruck von einem Kunstwerk zu geben, einen einfachen Sinn vorzugeben und Interpretationsrichtungen aufzuzeigen, die der Kunstschaffende bei der Modellierung vor Augen hatte. Wenn also ein Film im Original den Titel „Away from her“ trägt, ist es wenig hilfreich, ihn in der Übersetzung „An ihrer Seite“ zu nennen, widerspricht es doch gänzlich der ursprünglichen Aussage.

Soweit zur (leider oftmals) unsinnigen Titelgebung deutscher Verleiher. Doch dafür kann ja die Regisseurin nix, die einen ansonsten fabelhaften Film vorgelegt hat. Dies beeindruckt umso mehr, da Debütantin Sarah Polley (eigentlich Schauspielerin: „Mein Leben ohne mich“, „Das süße Jenseits“) gerade mal 28 Jahre alt ist und sich zudem ein Thema gewählt hat, das nicht nur schwierig, sondern ebenso für ihre Generation ungewöhnlich ist. Wo andere Jungtalente sich mit dem Auf und Ab der Liebe beschäftigen (was zweifellos seine Berechtigung hat!), widmet sich die Kanadierin der Alzheimer-Krankheit.

Fiona (Julie Christie) und Grant (Gordon Pinsent) sind seit 50 Jahren verheiratet und immer noch unzertrennlich. Sie haben ein Haus, genießen jeden Moment miteinander und sind schlicht glücklich. Doch Fiona verliert zunehmend die Orientierung, vergißt immer häufiger wo welcher Gegenstand aufbewahrt wird und findet selbst bei einem Spaziergang nur schwer den Weg zurück nach Hause. In der Hoffnung, auch diese Hürde gemeinsam zu überstehen, entscheidet sich Fiona für eine zunächst zeitlich begrenzte Einweisung in ein Pflegeheim, wo sie rund um die Uhr betreut und behandelt werden kann. Zögerlich stimmt dem auch ihr Mann zu und besucht sie fortan täglich - jedoch erst, nachdem 30 Tage vergangen sind. Denn eine alte Hausregel der Station schreibt eine Eingewöhnungsphase für Neuankömmlinge vor, in der Besuch von Angehörigen untersagt ist.

Nach einem quälend langen Monat macht sich Grant schließlich auf den Weg und muß feststellen, daß er von seiner großen Liebe schlicht vergessen wurde. Schlimmer noch: Ein anderer Patient weicht nicht mehr (Achtung: Titelanspielung!) von ihrer Seite und degradiert Grant zu einem „Besucher“.

Wie schmerzhaft es sein muß, die Liebe seines Lebens nach einer halben Ewigkeit zu verlieren, macht Sarah Polley dank ihres herzergreifenden, sehr zärtlich verfaßten Drehbuchs (basierend auf einer Kurzgeschichte von Alice Munro) deutlich. Dabei kann sie sich 100%ig auf ihre Darsteller verlassen, die zum Großteil noch aus dem „alten Hollywood“ stammen: Julie Christie, Gordon Pinsent und Olympia Dukakis sind schon seit den 60ern auf der Leinwand aktiv, entstammen somit einer ganz anderen Ära des Filmemachens, scheinen jedoch wie für diese Rollen geschaffen. Ganz großes Lob also an Miss Polley, diese „Urgesteine“ so bravourös zu führen und in Szene zu setzen!

Apropos Szenerie: Die schneebedeckte Winterlandschaft ist ein sehr passendes Synonym für erkaltende Liebe, unter deren weißer Pracht ein neuer Frühling für alle Beteiligten neue Erkenntnisse und Erlebnisse bereithält. „Away from her“ ist ruhig inszeniert und fokussiert glücklicherweise nicht die Tränendrüsen seiner Zuschauer an. Vielmehr ist es ein mit Liebe und Sorgfalt geschaffenes Drama voller Menschlichkeit, Wärme und bewegender Momente. Ansehen!

„Hunting Party“ (Kinostart: 29.11.2007)

„Nur die unglaublichsten Teile dieser Geschichte sind wahr,“ warnt Richard Shepards („Mord und Margaritas“, 2005) Film gleich zu Beginn. Und was in den sich anschließenden 100 Minuten gezeigt und erzählt wird, könnte sich wahrlich kein Drehbuchautor ohne reale Ereignisse aus dem Arm schütteln. Wenig erbaulich, daß dies alles erst vor wenigen Jahren in Europa passiert sein soll. Wenig erbaulich ebenso, daß es wahrscheinlich immer noch so läuft.

Simon Hunt (Richard Gere, immerhin schon 58 Jahre alt und in beindruckender körperlicher Verfassung) ist Kriegsberichterstatter und zusammen mit seinem Kollegen und Freund Duck (mal wieder fabelhaft: Terrence Howard, „Hustle & Flow“, „L.A.Crash“) überall dort, wo eine spannende Story und ergreifende, blutige, erschreckende Bilder zu finden sind. Eines Tages jedoch sehen sie zuviel vom Grauen und die gemeinsame Arbeit endet abrupt. Während Duck weiter die Karriereleiter erklimmt, fristet Hunt sein Dasein als Reporter für alle möglichen kleinen Kabelsender, jobbt für einen Hungerlohn und hat sich in Bosnien mehr schlecht als recht niedergelassen.

Zufällig laufen sich beide ebenda fünf Jahre später wieder über den Weg. Etwas naiv und gutherzig in der Absicht, seinem alten Kumpel auszuhelfen, macht sich Duck zusammen mit Hunt und seinem Assi Benjamin (Jesse Eisenberg) abermals auf die Spur einer womöglich neuen großen Reportage: der Entlarvung eines Kriegsverbrechers namens „der Fuchs“, der sich hier unter den Augen der UN eingenistet hat und ein sorgenfreies, von Schmuggel finanziertes Leben führt. Fünf Millionen Dollar Belohnung sind auf ihn ausgesetzt, Geld welches Hunt gut gebrauchen könnte.

Es sind die Zufälle des Alltags, hier und da eine Information und schon sind die drei mittendrin in einem aberwitzigen Abenteuer, in dem sie dem „Fuchs“ tatsächlich immer näher kommen, erschreckende Mechanismen der UN-Arbeit entdecken und auch noch ohne ihr Zutun überall wo sie auftauchen als CIA-Killer auf geheimer Mission „erwartet“ werden.

Eine Komödie über einen Kriegsverbrecher? Mitnichten! „Hunting Party“ ist ein ernsthafter, anklagender, erschütternder Film über einen Krieg, der Mitte der 90er mitten in Europa tobte und bis heute seine Spuren an Land, Menschen und Politik hinterlassen hat. Trotzdem erwischt sich der Zuschauer beim Betrachten dieser ganzen Leinwandabsurdität immer wieder beim Schmunzeln, Lachen und Kopfschütteln – eben wegen dieses Irrsinns, der fast nicht zu begreifen ist. Wofür steht die UN? Was sind ihre Aufgaben und wie führt sie diese aus? Was wird für die Opfer von Kriegsverbrechen getan und wie verfolgt die internationale Gemeinschaft die Täter?

„Hunting Party“ stellt all diese Fragen ohne sie auszusprechen. Die simple Schilderung von Tatsachen, basierend auf einem Artikel („What I did on my summer vacation“; Kopie hiervon bei mir erhältlich!) von Scott Anderson, der eben dieses Szenario erlebt hat, zeigt überdeutlich, welcher tiefe Graben zwischen Worten und Taten liegt.

Ebenso wie Andrew Niccols´ „Lord of War“ (2005) erreicht dieser Film allein durch seine nüchterne Abbildung des Ist-Zustands eine komische Ebene, die (zumindest bei mir) mehr als ein ernstes Drama Spuren hinterlassen und zum Nachdenken angeregt hat. Vielleicht ist dies auch der beste (und einzige?) Weg, diesem Thema zu begegnen und Zuschauer zu locken: ungezwungen, fast leichtfüßig und doch in seiner Gesamtheit traurig, schockierend, bewegend. Und vor allem: sehenswert!

„Gone Baby Gone“ (Kinostart: 29.11.2007)

Nach dem Drehbuch-Oscar für „Good Will Hunting“ (1997) und viel Schelte für seine schauspielerischen Fähigkeiten, schenkt Ben Affleck dem späten Kinojahr eine nachdenkliche Leinwandperle, in der er (glücklicherweise?) nur als Autor und Regisseur in Erscheinung tritt. Etwas Egoismus bleibt aber trotzdem: Sein Bruder Casey Affleck („Die Ermordung des Jesse James…“) bekam die Hauptrolle und sucht in „Gone Baby Gone“ als junger Privatdetektiv nach einem verschwundenen vierjährigen Mädchen aus seinem Viertel.
Im Laufe seiner Recherchen muß er jedoch feststellen, daß nicht nur die völlig überforderte, drogensüchtige Mutter des Mädchens einige Geheimnisse zu verbergen hat, sondern der Fall ebenso erschreckende Wahrheiten über das Rechtsverständnis seiner Mitmenschen enthüllt.
„Gone Baby Gone“ ist eine präzise, fantastisch eingefangene Milieustudie, dessen Auflösung vor allem eines fordert: Nachdenken über eigene Handlungsweisen.

„Hotel Very Welcome“ / „Nichts als Gespenster“ (Kinostart: 29.11.2007)

Vornweg: Der Grund für diese sicherlich etwas ungewöhnliche „Doppelrezension“ ist nicht der Starttermin! Vielmehr handelt es sich bei „Hotel Very Welcome“ und „Nichts als Gespenster“ um zwei deutsche Filme (zumindest stammen die Filmemacher von hier), die beide Episodengeschichten rund um den Planeten erzählen, sogenannte Twenty- und Thirtysomethings als Protagonisten wählen und sie mal mehr mal weniger gelungen in Situationen voller Lebens- und Liebeschaos taumeln lassen.

Wobei ich persönlich „Nichts als Gespenster“ nicht nur wegen seiner mir sehr sympathischen Darsteller (u.a. Stipe Erceg, August Diehl, Jessica Schwarz, Karina Plachetka, Maria Simon, Wotan Wilke Möhring) und seiner professionelleren Umsetzung den Vorzug geben muß. Meist im Zweierpack stehen hier die großen und kleinen Gefühle im Vordergrund, Ungesagtes erhellt dank großartiger Akteure die Leinwand, Musik untermalt passend aber niemals aufdringlich Szenen voller (landschaftlicher) Schönheit, Einsamkeit und Glück. Egal, welchem Fleck Erde und Charakter sich Regisseur Martin Gypkens gerade zuwendet, nichts wirkt störend, langweilig oder zu viel. Immerhin 119 Minuten füllt „Nichts als Gespenster“ aus, in diesen zwei Stunden keinen einzigen Moment zu langweilen, ist eine bravouröse Leistung. Die „Anfängerfehler“ seines Erstlings „Wir“ (ebenfalls ein Episodenstreifen) sind vergessen, Gypkens ist schlicht großartiges, kitschloses Gefühlskino gelungen.

Etwas anders verhält es sich da beim Langfilmdebüt seiner Kollegin Sonja Heiss. Basierend auf eigenen Erfahrungen als Rucksacktourist, konzentriert sie sich zwar ebenso auf mehrere Gesichter und Geschichten (fünf um genau zu sein), allerdings ausschließlich in Asien und dies zum Teil schlicht zu belanglos. Zwei Briten auf der Suche nach Mädels, eine am Telefon verzweifelnde Mittdreißigerin, sowie eine meditierende junge Frau und ein von Drogen völlig benebelter Ire.
Ein Großteil der Szenen entstand (laut Presseheft) spontan und ohne große Vorbereitung. Das sieht man „Hotel Very Welcome“ auch an. Doch das ist nicht das größte Problem: Es sind die uninteressanten Entwicklungen innerhalb der fünf Storys, die mir so sauer aufschlagen. Es passiert schlicht zu wenig, um zu fesseln geschweige denn zu unterhalten. Dazu noch der quasi-dokumentarische Stil und Hauptdarsteller, mit denen ich einfach nicht warm werde. Vielleicht würde ich anders urteilen, hätte ich selbst schon einmal so einen Rucksacktrip Richtung Asien unternommen, mit wenig Geld, fehlender Sprachkenntnis und viel Zeit für´s Nichtstun. Als Großstadtkind läßt mich dieses Filmchen allerdings kalt.

„Mr. Brooks – Der Mörder in dir“ (Kinostart: 29.11.2007)

Autogenes Training soll helfen, eigene Unsicherheiten zu überwinden. Kevin Costner nutzt es als Rechtfertigung zum Mord.
Es ist nicht das erste Mal, daß Oscarpreisträger und „Der mit dem Wolf tanzt“-Star Costner dem Zuschauer als Mörder gegenübertritt. Anders als beispielsweise in „Perfect World“ (1993) jedoch taugt er als Identifikationsfigur in „Mr. Brooks“ überhaupt nicht. Zwar gibt er tagsüber den tüchtigen Geschäftsmann, treusorgenden Familienvater und Göttergatten für seine Frau (Marg Helgenberger), nachts allerdings zieht er mordend und äußerst brutal durch die Stadt.
Wie es sich für einen „erfolgreichen“ Serienkiller gehört, leidet auch Brooks an einer Persönlichkeitsstörung: Marshall (William Hurt) heißt diese, ist imaginär, für Brooks jedoch allgegenwärtig. Ebenso wie die reale Ermittlerin Atwood (Demi Moore), die ihm dicht auf den Fersen ist.
Die Idee ist nicht neu, deren Umsetzung schon: Statt die „dunkle Seite“ eines Menschen nur durch dessen Handeln und Monologe zu erklären, wählt Bruce A. Evans für seinen durchaus spannenden Psychothriller eine (nur für Brooks und den Zuschauer) sichtbare Variante: ein alter Ego. Interessant hierbei vor allem die Kameraarbeit, bleibt das Hirngespinst doch für alle anderen Darsteller verborgen, weshalb jede Szene, jeder Perspektivwechsel einmal mit und einmal ohne Darsteller Hurt gefilmt werden mußte. Einzig die kaugummikauende Demi Moore stört mit überflüssigem Subplot um einen Ex-Knacki und ihrer aufgesetzten Coolness den ansonsten sehenswerten, äußerst perfiden Psychotrip in die Seele eines Ungeheuers. Beklemmend.

„Machtlos“ (Kinostart: 22.11.2007)

Wer noch nicht weiß, weshalb die Amerikanerin Meryl Streep („Kramer vs. Kramer“, „The Hours“) zu den besten Filmschauspielerinnen dieser Zeit zählt, kann sich dessen momentan gleich zweimal im Kino versichern. Während sie in Robert Redfords Politdrama „Von Löwen und Lämmern“ als Journalistin einem kriegslüsternen US-Senator mutig die Stirn bietet, präsentiert sie sich in Gavin Hoods Polit-Thriller „Machtlos“ als eine skrupellose CIA-Agentin, die mit zweifelhaften Methoden Terrorverdächtige entführen, foltern und töten läßt - also als genaues Gegenteil.

Das US-Debüt des Oscarpreisträgers von 2006 (Bester fremdsprachiger Film: „Tsotsi“) erzählt eine fiktive (?) Geschichte um einen Ingenieur (Omar Metwally) ägyptischer Abstammung, der bei seiner Rückkehr in seine Heimat, den Vereinigten Staaten von Amerika, scheinbar grundlos verhaftet und in die Mühlen der so genannten „extraordinary rendition“-Politik, zu deutsch „außerordentliche Auslieferung“, d.h. Überstellung in die Rechtlosigkeit, seines Landes gerät. Während er in einer geheimen Haftanstalt eines Dritten-Welt-Landes vom örtlichen Polizeichef (Igal Naor) und dessen amerikanischen Assistenten und CIA-Analytiker (Jake Gyllenhaal, „Zodiac“) brutal verhört wird, versucht seine ahnungslose Frau (Reese Witherspoon, „Walk The Line“) mit einem alten Schulfreund (Peter Sarsgaard, „Flightplan“) den Aufenthaltsort ihres Gatten zu erfahren.

Es ist bemerkenswert, wie wenig sich Hollywood im Jahre 2007 scheinbar um „political correctness“ schert: Die Anzahl regierungskritischer Filme nimmt stetig zu und dürfte vor allem im Ausland viel Zustimmung finden. Auch wenn das Engagement der vielen Künstler lobenswert ist, manchmal wird einfach kein passender Schuh draus – „Machtlos“ ist so ein Fall.

Zu überambitioniert und mit (zu) vielen kleinen Nebenhandlungen versehen, stochert das Drehbuch unentschlossen in einem Brei aus Kritik, Anklage, Fanatismus, Verschwörungstheorien und Familiendrama herum, ohne wirklich konkret einen Täter, eine Ursache, eine Lösung zu liefern oder zumindest eine überzeugende politische Position einzunehmen. Ich erwarte keine Allwissenheit des Drehbuchautors oder eine jener berüchtigten „Das-ist-der-richtige-Weg“-Ansprache der Protagonisten, allerdings etwas mehr Mut zu einer klaren Aussage, wenn man schon solch ein brisantes Thema zum Kernstück eines (scheinbar) anspruchsvollen Filmes macht. „Machtlos“ reiht jedoch lediglich Klischees und bereits bekannte Thesen über Täter und Opfer aneinander, stellt einer braven Durchschnittsfamilie einen undurchsichtigen Machtapparat mit unbegrenzten Mitteln und ohne Moral gegenüber und hofft, durch einen Zeitsprung am Ende dem ganzen einen intelligenten Rahmen zu geben.

Die Schauspieler (wie gesagt: Meryl Streep) mühen sich redlich, doch weder sie noch die überraschungsarme Inszenierung können es wirklich rausreißen. Mag sein, daß „Machtlos“ noch vor ein paar Jahren für Aufsehen und Diskussion gesorgt hätte. Heute, nach inhaltlich und formal großartigen Beiträgen wie „Syriana“ oder zuletzt „Operation Kingdom“, ist dieses Werk schlicht enttäuschend und banal.

„Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage“ (Kinostart: 22.11.2007)

Einen Film das Prädikat „erschütternd“ zu attestieren, spricht nicht immer für dessen Qualität. Allerdings meint es hier tatsächlich nur den Inhalt.
Die beiden Studentinnen Otilia (Anamaria Marinca) und Gabita (Laura Vasiliu) leben unter fast schon ärmlichen Verhältnissen in einem Wohnheim in einer kleinen rumänischen Stadt. Ceausescus kommunistisches Regime ist überholt, und doch ist das Leben noch bestimmt von Restriktionen, alltäglichen bürokratischen Hürden und einer Gesetzgebung, die Abtreibungen untersagt. Gabita ist schwanger und entschließt sich trotz der juristischen und gesundheitlichen Gefahren, den Fötus entfernen zu lassen. Mr. Bebe (Vlad Ivanov) hat dies schon bei einigen ihrer Freundinnen gemacht und trifft sich nun mit beiden in einem Hotelzimmer.
Mag der Starttermin für dieses sehr bedrückende Drama ob der schwierigen und wenig besinnlichen Thematik auch etwas ungeschickt gewählt sein, so ragt „Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage“ nicht nur deswegen aus dem aktuellen Kinoprogramm heraus. Der diesjährige Cannes-Gewinner von Christian Mungiu ist zugleich Bestandsaufnahme, Anklage und längst überfälliger Beitrag zu einer Zeit, die bis heute ihre Spuren hinterlassen hat. Dies zeigt auch die Umsetzung: Lange verweilt die Kamera regungslos auf den Protagonisten, fängt damit deren innere Hilflosigkeit ebenso ein wie das trostlose Leben auf den Straßen. Selten ist die Unmenschlichkeit einer Diktatur so drastisch an einem alltäglichen (?) Beispiel zweier jungen Menschen bebildert worden. Erschütternd gewiß, filmisch einzigartig.

„Meine schöne Bescherung“ (Kinostart: 22.11.2007)

Liebe ist… Sex im Schrank. Und Kinder! Ein gemeinsames Weihnachtsfest? Vielleicht sogar Zeit für Aussprachen?
Sara (Martina Gedeck) will alles. Jetzt und sofort. Jan (Heino Ferch), Ehemann Nummer vier und am Weihnachtsmorgen mit ihr beim Spielen im hölzernen Möbelstück, hat eigentlich nichts dagegen, findet vier Kinder allerdings ausreichend, selbst wenn nicht alle von ihm sind. Doch Familie ist Familie und für das kurze Glück im Schrank läßt sich Jan ein „Ich will auch noch ein Baby!“ entlocken.
Womit er perfekt in die Reihe seiner drei Vorgänger passen würde, die nach Sex am gleichen Ort, Geburt eines Kindes und schließlich Trennung von Sara nun zum großen Weihnachtsessen vorbeischauen – im Gepäck die eigene Brut und neue Partnerinnen. Nach erstem Schock arrangiert sich Jan mit der Situation, muß allerdings im Laufe des Abends feststellen, daß Sara noch einige weitere Überraschungen parat hat: Eine Schwangerschaft zum Beispiel. Seltsam für Jan, hat er sich doch neulich erst sterilisieren lassen.
„Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt“, besagt ein bekanntes Sprichwort. Kommt beides zusammen, heißt das „Meine schöne Bescherung“, macht Spaß und ist ein wohltuend fieser Gegenentwurf zu den „Heile-Welt-Filmen“, die gewöhnlich diese Jahreszeit begleiten. Es ist ein Spiel mit Klischees, Albernheiten und alltäglichem Beziehungskram, die Vanessa Jopp („Komm näher“) in spitze Dialoge und Situationskomik packt, mit einem Dutzend gut aufgelegter Akteure zum Leben erweckt und mal eben zeigt, daß es - Hallo Bully! - auch lustige deutsche Komödien gibt.

"King of California" (Kinostart: 15.11.2007)

Seinen ersten Oscar gewann Michael Douglas als Produzent für den Streifen „Einer flog über das Kuckucksnest“ (1975), ein Film über einen Mann in einer Irrenanstalt. Nun macht er es seinem damaligen Hauptdarsteller Jack Nicholson gleich und liefert in „King of California“ als wunderlicher Schatzsucher mit Vollbart und Namen Charlie eine Glanzvorstellung ab.

Überzeugt von der Existenz eines verborgenen Schatzes aus dem 17. Jahrhundert, macht sich der frisch aus ärztlicher Behandlung entlassene, spleenige Charlie auf, eben jenen Schatz zu heben. Seine 17jährige Tochter Miranda (hinreißend: Evan Rachel Wood, „Dreizehn“, „The Missing“) soll ihm dabei behilflich sein, denn neben vielen Hürden auf dem Weg zum Reichtum muß vor allem ein Problem überwunden werden: Die Golddublonen liegen unter einem riesigen Supermarkt!

Schmunzelnd verfolgt man Douglas´ herrliches Auftreten inmitten einer ganz auf ihn zugeschnittenen Geschichte, die ruhig und gelassen, ganz so wie Charlie, dem Lauf der Dinge folgt. Dies ist größtenteils unspektakulär und - leider auch - mit zunehmender Laufzeit ermüdend. Es reicht eben nicht aus, einen Knallkopf 90 Minuten zu filmen und sich an seinen „seltsamen“ Handlungen zu erfreuen. Etwas mehr Inhalt hätte es schon sein dürfen, gerade dann, wenn man (in diesem Fall Mike Cahill: Drehbuch & Regie) diese Tragikomödie mit Andeutungen über zerrüttete Familienbanden, verantwortungslose Mütter und realitätsferne Väter spickt.

„King of California“ ist weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein. Ein grandioser Michael Douglas und eine charmante Inszenierung können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß Mike Cahills Erstling schlicht an Stoffarmut leidet und ohne seinen Hauptdarsteller vermutlich keinen Kinogänger locken würde.

„Free Rainer - Dein Fernseher lügt“ (Kinostart: 15.11.2007)

Stell dir vor, es ist Revolution und keiner geht hin! So empfand es jedenfalls der 19jährige Hans Weingartner, der aus Frust über mangelnde Beteiligung schließlich Filmemacher wurde.
Konsequent führt er 18 Jahre später seinen künstlerischen Feldzug, den er mit „Das weiße Rauschen“ (2001) und vor allem mit „Die fetten Jahre sind vorbei“ (2003) begann, gegen das System fort.
Rainer (Moritz Bleibtreu) ist erfolgreicher Fernsehproduzent und ein koksendes Arschloch vor dem Herrn. Er ist ein Macher des „Unterschichtenfernsehens“, fabriziert Nonsens wie „Hol´ Dir das Superbaby“ und zeigt allen und jedem, daß er ein Alphamännchen ist. Für Pegah (Elsa Sophie Gambard) jedoch ist er am Tod ihres Großvaters schuld, den eine Falschmeldung im TV zum Selbstmord trieb. Einen Autounfall später entdeckt Rainer plötzlich sein Gewissen und macht sich auf, die Fernsehwelt vom Schund zu befreien. Doch dazu müßten zunächst die Sehgewohnheiten einer ganzen Nation verändert werden - warum also nicht die Quoten manipulieren?
War es im Vorgängerfilm noch die blanke Wut gegen den Zustand der Gesellschaft, die Weingartner und Co-Autorin Katharina Held antrieb, so packen sie das Übel nun bei der Wurzel: das dominierende Medium Fernsehen. Der Blödsinn des TV-Alltags wird dabei zwar dramaturgisch gerafft, verfehlt seine Wirkung jedoch nicht. Es ist nichts weiter als Abfall, Dünnschiss, unterste Schublade. Doch zu stören scheint das niemanden. Glücklicherweise kommt „Free Rainer“ nicht mit Zeigefinger, sondern einer dicken Packung Humor, Selbstironie (Stichwort: Philipp) und einem Derwisch als Hauptdarsteller. Was Moritz Bleibtreu allein in der Anfangssequenz liefert, ist phänomenal! Seine Kollegen stehen dem dank zahlreicher doppeldeutiger Szenen in nichts nach. Da huscht auch schon mal eine (natürlich nicht echte) Angela Merkel durchs Bild und wird mit nur einer Geste so treffsicher charakterisiert, daß man vor Lachen kaum zum Luftholen kommt. Auch gängige Klischees über arbeitsuchende Mitmenschen werden thematisiert, ebenso liefert der Film den wohl grandiosesten Abgang eines Topmanagers nach dessen Kündigung.
Weingartner hat sich mit „Free Rainer“ inhaltlich vom noch etwas diffusen Revoluzzertum des Vorgängers wegbewegt und mit Ironie sowie präziseren Beobachtungen ersetzt. Mehr noch als „Die fetten Jahre“ hat dieser ambitionierte Film Potential zum Aufrütteln. Für ein Stück Zelluloid eine beachtliche Leistung.

„American Gangster“ (Kinostart: 15.11.2007)

Masse UND Klasse: (Fast) Alles, was Ridley Scott seit den 70ern fabriziert, ist heute Filmgeschichte. „American Gangster“ führt diese Reihe fort.
Es ist ein Œuvre zum Niederknien: „Alien“, „Blade Runner“, „Black Rain“, „Thelma & Louise“, „Gladiator“. Die Liste ließe sich mühelos um einige weitere Klassiker ergänzen, doch des Engländers neustes Werk ist schlicht zu genial, um nicht etwas ausführlicher kommentiert zu werden.
Obwohl schon seit mehreren Jahren in Vorbereitung und von etlichen Regisseuren (Antoine Fuqua, Brian De Palma) in Angriff genommen, empfiehlt sich Scotts Epos´ trotz langer Wartezeit als gleichberechtigte Ergänzung zu Genreperlen wie „Scarface“, „Goodfellas“ und „Casino“. Hart, atmosphärisch, glaubhaft und mitreißend schildert „American Gangster“ die (wahre) Karriere des ersten schwarzen Drogenkönigs der USA, Frank Lucas (Denzel Washington). Im Alleingang und ohne Unterstützung „üblicher“ Geschäftspartner (Mafia, korrupte Beamte) gelang es ihm, ein Imperium aufzubauen das seinesgleichen sucht. Ihm dicht auf den Fersen kämpfte Saubermann Richie Roberts (Russell Crowe) bei der Polizei gegen bestechliche Kollegen und die schier unendliche Menge an illegalen Substanzen, die New York Anfang der 70er überschwemmte.
„American Gangster“ ist ein Gesamtkunstwerk, das weder bei der Charakterzeichnung, noch dem Soundtrack, der Optik oder Ausstattung patzt. Schon gar nicht bei der Besetzung, die - abgesehen von den wie immer atemberaubend aufspielenden Protagonisten - etliche verschollene Gesichter aufbietet (Cuba Gooding, Jr., Armand Assante).
Mit einem Wort: Meisterhaft!

„Vitus“ (ab 09.11.2007 auf DVD)

Gleich zwei DVDs widmet der SchwarzWeiss Filmverleih dem Werk „Vitus“ von Fredi M. Murer, einer kleinen schweizerischen Filmperle des vergangenen Jahres, die sich fast unbemerkt in den hiesigen Programmkinos eine Fangemeinde erspielt hat.
Der Film erzählt die Geschichte des Jungen Vitus, dessen Eltern schon früh seine künstlerische Begabung entdecken und zu fördern beginnen. Doch nicht nur das Klavierspielen scheint ihm in die Wiege gelegt, auch in der Schule verblüfft der dickköpfige Außenseiter Lehrer und Mitschüler mit seinem Wissen. Freunde macht er sich damit keine, weshalb sein gutmütiger Großvater (Bruno Ganz) zu seiner wichtigsten Bezugsperson wird, behandelt er ihn doch als einziger wie ein „normales“ Kind.
In der zweiten Hälfte wandelt sich der Film plötzlich vom warmherzigen Drama in ein hintergründiges Märchen, in dem der clevere Vitus nicht nur seine Eltern, sondern gleich die ganze Erwachsenenwelt hinters Licht führt und sein Leben in die eigene Hand nimmt.
Fabrizio Borsani (6 Jahre) und Teo Gheorghiu (12) spielen dieses liebenswerte Wunderkind und tragen trotz prominenter Partner den Film über die gesamte Spielzeit fast von allein. Verblüffend, wie treffsicher sie trotz fehlender Erfahrung vor der Kamera ihre schlitzohrige und gleichzeitig von der Umwelt ständig instruierte Figur wiedergeben und die ganze Tragik des Außenseiterdaseins verkörpern.
Neben einer deutsch synchronisierten Fassung bietet die DVD auch die ursprüngliche - sehr zu empfehlende - Schweizerdeutsche Sprachversion (mit Untertiteln) und auf dem zweiten Silberling ein 50minütiges Making Of, sowie entfallene Szenen, Interviews und ein beeindruckendes Castingvideo des 12jährigen Hauptdarstellers.
Fazit: Mit dieser gelungenen DVD wird sich die Fangemeinde von „Vitus“ weiter vergrößern.

„The 11th Hour“ (Kinostart: 15.11.2007)

„Die Welt geht vor die Hunde, Mal“, philosophierte einst Woody Harrelson alias Mickey Knox in „Natural Born Killers“. Privat und auf die Natur bezogen sieht das der Schauspieler genauso und ist deshalb schon lang als Umweltaktivist unterwegs. Auch Leonardo DiCaprio nutzt nun seinen Bekanntheitsgrad, um auf den desolaten Zustand unseres Planeten hinzuweisen, dessen Lebensuhr inzwischen fünf vor Zwölf, in Englisch „The 11th Hour“ anzeigt.

Ähnlich dem filmischen Konzept von Al Gores „Eine unbequeme Wahrheit“, wird der Zuschauer in dieser Dokumentation von Nadia Conners und Leila Conners Petersen mit Fakten und Bildern konfrontiert, die eines ganz deutlich machen: Wenn nicht sofort etwas geschieht, stirbt der Planet Erde in den kommenden Jahren sukzessive aus. Ein Umdenken ist notwendig, damit auch künftige Generationen genug Rohstoffe und vor allem genug Natur haben, um hier zu leben.

Produzent DiCaprio ließ es sich nicht nehmen, selbst als Moderator vor die Kamera zu treten und einzelne Aspekte hervorzuheben. Dies hat „The 11th Hour“ auch bitter nötig, wenn mehr als ein Dutzend Wissenschaftler ihre Ansichten und Lösungsvorschläge in 90 Minuten kundtun. In großen Teilen sehr informativ und interessant, erweist sich jedoch der visuelle Unterbau der Thesen mit zunehmender Laufzeit als großer Schwachpunkt: Hektische und in (leider moderner) Musikclipästhetik zusammengesetzte Filmschnipsel flimmern nicht selten ohne wirklichen Bezug zu dem Gesagten über die Leinwand und erschweren die Konzentration auf die hörbaren Aussagen der Interviewten.

Was bleibt, ist ein informativer, jedoch inhaltlich viel zu überladener Dokumentarfilm, der optisch keinen Ruhepol findet und trotz seiner wichtigen Thematik und seines Ansinnens – zumindest bei mir – nur wenig hinterlassen hat. Andererseits ist es vielleicht gerade jene Bildsprache, die auch jüngere Kinogänger (und DiCaprio-Fans?) in diesen Film locken wird. Und damit wäre schon viel erreicht.

Bis zum Ellenbogen (Kinostart: 01.11.2007)

Schwarzgeld stinkt nicht. Sven schon. An dieser Stelle eine Entschuldigung an alle, die diesen Namen in ihrem Ausweis stehen haben.
Soll jedoch nicht beleidigend sein, sondern lediglich für demnächst deutschlandweit zu sehende Plakate sensibilisieren, die Justus von Dohnányis schwarze Komödie „Bis zum Ellenbogen“ ankündigen und genau diese Aussage propagieren.
Sven (Dohnányi) ist nämlich tot. Willi (Stefan Kurt), ein arbeitsloser Lebenskünstler im Schweizer Alpenurlaub, und Achim (Jan Josef Liefers), ein mit Riesenego ausgestatteter Jungunternehmer, sind sich dessen bewußt, allerdings auch gierig auf Svens Bankschlüssel, der den Zugang zum Schwarzgeld seines Chefs freigibt.
Sven hat die beiden nach einem Unfall vor seiner Ferienhütte aufgegabelt und ihnen Unterschlupf gewährt, es wurde zusammen gekocht, gelacht und die Bierreserven aufgebraucht. Für den Gastgeber war es das letzte gemeinsame Lagerfeuer, Willi und Achim jedoch entdecken an diesem Abend ihre kriminelle Energie. Um an den Safeschlüssel zu kommen, müssen sie ihren toten Freund irgendwie nach Sylt bringen - im Fußballsommer 2006 ein echtes Abenteuer!
Realisiert mit einem Minibudget, fast ohne Förderung und einem kleinen Filmteam, legt Schauspieler/Autor/Regisseur Dohnányi („Napola“) mit seinem Regieerstling eine flotte, respektlose und fabelhaft gespielte Komödie vor, die nicht nur ein paar interessante Ideen zum Leichentransport liefert, sondern gleichzeitig zeigt, wie mit wenigen Mitteln, einem pointiertem Skript und Talent - das, was „Weißt was geil wär“ fehlt - tolles Kino entsteht.

Weißt was geil wär...?! (Kinostart: 01.11.2007)

Wenn dieser Film ein originelles Drehbuch hätt!

Weißt du, was ich mega fänd? So cool und talentiert zu sein wie Quentin Tarantino, der in seiner Jugend in einer Videothek arbeitete, jeden Tag zig Filme guckte und irgendwann selbst einen großartigen Streifen („Reservoir Dogs“) aus dem Ärmel schüttelte - obwohl er zuvor nie eine Filmschule besucht hat. Bin ich aber leider nicht, die Macher von „Weißt was geil wär…?!“ allerdings ebensowenig.
Auch wenn ich damit oberlehrerhaft und furchtbar erwachsen, ergo „uncool“ klinge, aber es reicht nun mal nicht, zwei typische (?) Faulenzerstudenten (Axel Schreiber, Isaak Dentler) in ihrer versifften WG verkrampft und so offensichtlich auf lustig getrimmt über Nonsens plappern zu lassen, während sich Pizzaschachteln neben dem Sofa auftürmen und die Oma im Rollstuhl schweigend ins Leere glotzt. Das ist erstens nicht neu und zweitens schon besser umgesetzt worden - siehe „Lammbock“.
Zudem gewinnt das Drehbuch keinen Ideenwettbewerb, wenn mal eben eine quirlige Schönheit (Nadja Bobyleva) als neue Mitbewohnerin in die Geschichte geworfen wird, die von einer Schauspielkarriere träumt (ohh!) und natürlich die Hormone ihrer Zimmernachbarn durcheinanderwirbelt. Wie passend, daß die beiden Kerle eine Kamera besitzen, viele Filme kennen und selbst einen machen wollen.
Coolness, Romantik, Wortwitz und eine alltagsnahe Inszenierung in 97 Minuten zu packen, ist ein lobenswerter Ansatz von Regisseur und Autor Mike Marzuk. Zuende gedacht ist jedoch nix davon und somit irren die talentierten Darsteller (immerhin glaubhaft) durch ihr Lebenschaos.

Operation Kingdom (Kinostart: 11.10.2007)

Hut ab, Peter Berg! Mit „Operation: Kingdom“ hat der Regisseur und Schauspieler einen Politthriller aus dem Hut gezaubert, den man Hollywood nicht zugetraut hätte.
Zumal die Zutaten Schlimmes erwarten lassen. In einer amerikanischen Wohnsiedlung in Riad kommt es zu einem verheerenden Bombenanschlag, dem mehr als 100 Menschen zum Opfer fallen. Das Mißtrauen der Amis gegenüber den arabischen Ermittlern ist groß, denn die Täter trugen deren Uniformen und ganz so fix wie die Kollegen von „CSI“ scheinen die örtlichen Fachkräfte auch nicht zu sein. FBI-Agent Ronald Fleury (Jamie Foxx) soll´s richten und macht sich mit seinem Team (darunter Chris Cooper und Jennifer Garner) auf den Weg ins Königreich.
Dort ist man wenig erfreut über die breitbeinige Arroganz der Sonnenbrillenträger, stellt ihnen mit Al-Ghazi (Ashraf Barhoum) jedoch einen kompetenten Assistenten zur Seite, der die zur Aufklärung nötigen Kontakte vermittelt. Die Jagd auf die Täter beginnt, endet allerdings ganz anders, als es sich das FBI erhofft – und der Zuschauer vermutet.
Optisch eindeutig von Produzent Michael Manns („Miami Vice“) mitreißendem Stil beeinflußt, punktet „Operation: Kingdom“ vor allem mit seinem fulminanten, inhaltlich hervorragend angekündigten Showdown und einer Schlußwendung, die zugegebenermaßen mit der Zärtlichkeit eines Vorschlaghammers aufschlägt, dafür aber sehr lange nachwirkt. Peter Berg inszeniert weniger subtil als es beispielsweise Stephen Gaghan in „Syriana“ tat, dem politischen Ansinnen jedoch durchaus angemessen.

Invasion (Kinostart:18.10.2007)

Es liest sich so schön: Nicole Kidman, Neu-Bond Daniel Craig und Jeffrey Wright („Basquiat“) in einem Film von Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“). Klingt wunderbar, sieht aber fürchterlich aus. Und ist gleichzeitig ein fabelhaftes Beispiel für gängige Mechanismen in Hollywood.

Da haben wir also den Neuling (Hirschbiegel), dessen Hitlerkammerspiel für Aufsehen sorgt und ihm die Türen nach Amerika öffnet. Hier warten die Stars, große Budgets und sogar tolle Drehbücher. Zwar kriegt der Deutsche erstmal „nur“ ein älteres zur Neuverfilmung, doch auch der vierte Aufguß von Jack Finneys doppeldeutigen Roman „Die Körperfresser kommen“ (1955) hat in Zeiten eines kriegslüsternen Präsidenten und dessen willenlosen Mitstreitern seine Daseinsberechtigung, schildert er doch die schleichende „Invasion“ feindlicher Sporen, deren Ziel die Eroberung des Planeten Erde ist.

Ja, politische Seitenhiebe sind erwünscht, jedoch in kleinen Dosen. Der Deutsche war dabei wohl etwas übereifrig und erwartungsgemäß gewissenhaft, allerdings nicht im Sinne des Produzenten. Joel Silver heißt dieser, ist ein Alphamännchen und weiß, wie man Kasse macht – so allerdings nicht! Also packt er sein rotes Telefon aus und bittet seine Lieblinge, die Wachowski-Brüder („Matrix“), um neue Drehbuchseiten sowie James McTeigue („V wie Vendetta“) um den Nachdreh eines Drittels.

Das Gute daran: Der Untertitel „Sie werden nichts spüren!“ trifft nun wunderbar zu, denn „Invasion“ ist seelenlose Massenware, die nach einer guten Exposition in inhaltlicher und optischer Belanglosigkeit erstickt.