„Australia“ (Kinostart: 25. Dezember 2008)

„Kino – dafür werden Filme gemacht!“ lautet der Leitspruch einer aktuellen Werbekampagne, die momentan vor jeder Vorstellung in den hiesigen Lichtspielhäusern zu sehen ist. Geht es den Auftraggebern dieses feschen Slogans wohl vornehmlich um einen Appell an das Gewissen jedes potentiellen Raubkopierers, so kann diese „Warnung“ auch anders aufgefasst werden.
Beispiel „Australia“: Da wird der Zuschauer in 166 Minuten mit schönsten Weitwinkel- und Panoramabildern des Kontinents „Down Under“ geblendet und gefügig gemacht, wie es jeder noch so gigantischer Heimkinoanlage niemals gelingen würde. Hier ist schon nach fünf Minuten klar: Sowas wirkt nur im Kino! Auch ist die Hemmschwelle, bei Nichtgefallen den Saal zu verlassen, ungleich höher als vor dem heimischen TV. Und in 166 Minuten kann dieser Gedanke schneller kommen als gedacht…

Um diese Gefahr zu umgehen, hat Autor und Regisseur Baz Luhrmann, übrigens selbst gebürtiger Australier, sein erstes Werk nach sieben Jahren in drei große Kapitel unterteilt. Während die ersten 30 Minuten in bester Screwball-Komödien-Manier unterhalten, präsentiert der Film in der darauffolgenden Stunde sämtliche Versatzstücke eines großen Melodrams, bevor am Ende der Schrecken des Zweiten Weltkriegs auch die Protagonisten einholt und allen Beteiligten noch einmal auf hochdramatische Weise alles abverlangt – sowohl körperlich als auch seelisch.
Nun klingen diese Zeilen womöglich ironisch-spöttisch, doch weit gefehlt: Wer sich wieder einmal einem richtigen Schmachtfetzen hingeben will, in der die Männer noch kantig, die Frauen verzickt aber zum Verlieben schön und die Ausstattung üppig ist, der ist hier genau richtig!

Die Engländerin Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) macht sich, vollgepackt mit Vorurteilen über das außereheliche Verhalten ihres Mannes, auf nach Australien, um zusammen mit ihrem Gatten über die weitere Handhabung ihres Besitzes, einer Farm inmitten des Outbacks, zu beraten. Ihr Reiseführer für den Trip vom Bahnhof zum Anwesen ist der raubeinige Drover (= Viehtreiber, Hugh Jackman), mit dem sie ob ihrer unterschiedlichen Lebensauffassungen prompt aneinandergerät.
Als sie schließlich das Anwesen erreichen, muss Lady Sarah entsetzt feststellen, dass ihr Mann verstorben ist und zu allem Unglück derweil ein reicher Viehbaron alles daran setzt, diese Farm und das Land worauf sie steht für sich zu gewinnen. Nur der Verkauf ihrer Rinderherde kann die Engländerin vor dem drohenden Bankrott retten. Dazu müssen die Viecher jedoch einmal quer über den Kontinent getrieben werden. Und wer könnte da besser helfen als ihre neue Bekanntschaft?

Regisseur Luhrmann weiß nur zu gut, dass mit Humor jedes Publikum zu knacken ist (siehe „Moulin Rouge!“, 2001). So nutzt er Episode eins zur genüsslichen Balgerei seiner beiden Protagonisten, die sich mit sichtlichem Spaß nur allzu gern den zwar vorhersehbaren, aber ebenso deutlich überspitzten Szenen hingeben. Luhrmann gibt den Zuschauern somit genau das zu Erwartende, weiß es aber konsequent auch zu überzeichnen. Dies zeigt sich unter anderem in den sarkastischen Kommentaren des Drovers, wenn die Lady mal wieder theatralische Gesten und Sätze von sich gibt, oder in der überaus entzückenden, überlangen und einfach zu gut ausgeleuchteten „Duschszene“ im Freien des über alle Maßen muskulösen Hugh Jackman („Sexiest man alive“? Na klar!).
Diese seichte, aber witzige Einführung ist es dann auch, die über den Tränenreichen Mittelteil des Films hinweghilft, in dem selbst harte Kerle wie Drover gern mal Schluchzen. Hier und da ein paar abenteuerliche Gefahren eingebaut (eine durchdrehende Viehherde, Feuerwände, Dürre), dazu etwas Mystik in Form eines Aborigines, gefühlvolle Musikuntermalung und immer wieder die Schönheit des weiten Landes.

Das Ende der Reise ist gleichzeitig der Beginn eines neuen Kapitels im Leben des nun vereinten Paares, denn nicht nur der Alltag im Zusammenleben, sondern auch die Gefahr einer Invasion durch die Japaner bestimmen nun das Geschehen. Natürlich geschieht dies inszenatorisch alles im Rahmen des Ertragbaren, unterlässt Luhrmann glücklicherweise eine explizierte Darstellung des Kriegsgeschehens. Stattdessen weist er auf eine Thematik hin, die in den Stunden zuvor schon anklang und nun noch einmal aufgegriffen wird: Bis in die 1970er Jahre war es üblich, Mischlingskinder (Nachfahren von Weißen + Aborigines) von ihren Eltern zu trennen und in kirchliche Obhut zu geben, wo ihnen das „Wilde“ auserzogen werden sollte. Ein dunkles Kapitel der jüngeren australischen Geschichte, das Luhrmann am Ende – in Form eines jener Heime – als erstes von den Japanern wegbomben lässt. Feinfühligkeit ist etwas anderes…
Humor wie zu Beginn findet man in diesem letzten Teil des Films keinen mehr, hier regiert schließlich nur noch das Drama. Passend garniert mit Tränen, orchestralen Klängen, Tränen, großen (Film-)Gesten, Tränen, platten Dialogen und Tränen.

Wie oben bereits erwähnt, ist „Australia“ tatsächlich (nur) etwas für die große Leinwand. Denn auf heimischem Fernseher, womöglich noch auf Vollbild zurechtgeschnitten, könnte dieser Film schnell das Rennen gegen jeden hauseigenen Schmachtfetzen der öffentlich-rechtlichen Sender verlieren. Luhrmann ist das integrieren der Mischlingsthematik hoch anzurechnen, doch auch die Schauwerte und natürlich die wunderbaren Hauptdarsteller können nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Romeo & Juliet“ sowie „Moulin Rouge!“ eine Qualität besitzen, die er als Filmemacher wohl nie wieder erreichen wird.

Es war einmal nach einer wahren Begebenheit …

Passend zur Jahreszeit an dieser Stelle heute ein kleiner Exkurs zu Märchenfilmen. Gewollte und unbeabsichtigte. Dazu wählen wir zwei aktuelle Leinwandwerke, zum einen die Romanverfilmung von Cornelia Funkes „Tintenherz“, zum anderen „Geliebte Clara“ von Helma Sanders-Brahms.
Eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Wahl, die bei genauerer Betrachtung jedoch durchaus Berechtigung besitzt. Denn was der Kinogänger in beiden Fällen erlebt, ist die cineastische Umsetzung einer Phantasiewelt, die sich hier und da realen Ereignissen und Figuren bedient, es mit der Wahrheit jedoch nicht immer so genau nimmt.
Dies ist an sich noch kein Grund zur Kritik, doch wenn es insbesondere im Fall von „Geliebte Clara“ im Austausch für eine wirklich spannende und mitreißende Lebensgeschichte geschieht, ist dies schlicht ärgerlich.

Doch der Reihe nach: „Tintenherz“ von Iain Softley nimmt uns in wunderbare Bilder geschmückt mit auf eine Reise, in der es Menschen möglich ist, Figuren und Wesen aus Büchern während des Vorlesens real werden zu lassen. Ihrer vertrauten (Roman)Umgebung beraubt, begeben sie sich zusammen mit einem Mädchen auf die Suche nach einem Exemplar jenes Buches, das all dies wieder rückgängig machen und die Pläne eines nun lebendigen Bösewichts aus der Märchenwelt vereiteln kann.
Obwohl es sich bei „Tintenherz“ um eine Phantasiegeschichte handelt, bei der selbst die „realen“ Personen samt ihrer Eigenheiten nur dem Geiste der Autorin entsprungen sind, ist es schön zu sehen, mit welcher Sorgfalt jeder einzelne Charakter durch die Szenerie geführt wird. Sie reagieren, entscheiden und handeln glaubhaft und natürlich, eben auch weil sich der Zuschauer ihrer Motivation stets bewusst ist.

Bei einer Künstlerin wie Clara Schumann fällt dies indes nicht so leicht. Zwar war sie ein „echter“ Mensch, der gelebt, gefühlt, geliebt, getrauert hat. Warum sie jedoch jenes in einem bestimmten Augenblick wie entschied, kann man nur vermuten oder anhand vorhandener Quellen versuchen zu ergründen. Helma Sanders-Brahms, selbst eine Nachfahrin von Johannes Brahms, hat sich in „Geliebte Clara“ dieser Aufgabe nicht gestellt und stattdessen ein zwar leidenschaftliches aber historisch sehr zweifelhaftes Drama geschaffen, in der eine Frau zwischen zwei Männern versucht, ihren Weg zu gehen. Sicherlich verdeutlicht der Film das Talent Clara Schumanns und ihren Kampf um Anerkennung in einer von Männern dominierten (Musik)Welt, die Schwärmerei des jungen Brahms für die begnadete Klaviermeisterin und das langsame, schmerzhafte Sterben ihrer Liebe Robert. Doch eine Begründung für all das sucht man vergebens.
Kein Wort über den Ehrgeiz des Vaters, der sie schon mit neun Jahren im Leipziger Gewandhaus auftreten ließ und mit zwölf auf Europatournee schickte. Keine Szene, welche die frühe Bindung an Robert Schumann thematisiert, der bereits mit der 13jährigen Clara in engem Briefkontakt stand und sich bald darauf von seiner Verlobten trennte, um bei ihr zu sein. Ihr Zerwürfnis mit dem Vater und der Tod ihres Erstgeborenen wird ebenso ausgeblendet wie des Ehemanns stilles Leiden aufgrund ihres Erfolges.
Clara Schumann führte ein ungewöhnliches, bemerkenswertes und von vielen Kämpfen geprägtes Leben, das „Geliebte Clara“ kaum zu fassen weiß. Warum nicht eine dieser überlangen Konzertszenen weniger zugunsten eines kurzen Abriss´ in ihre Kindheit, die ihre bedingungslose Ergebenheit zur Musik und Robert Schuhmann begründet? Wieso kein Mut, im Anschluss an das Besäufnis des Gatten im Hauseigenen Weinkeller auch die schwierigen Jahre der Ehe zu thematisieren?
Sanders-Brahms hat sich in „Geliebte Clara“ eine Wunschfigur geschaffen, die zwar von Respekt und Bewunderung für die Schumann zeugt, aber es nicht wagt, ihr Handeln zu hinterfragen. Dabei war sie doch ein echter Mensch!

Für den kleinen Hunger zwischendurch…

Mit „Ein Geheimnis“ (Regie: Claude Miller) und „O´Horten“ (Regie: Bent Hamer) starten am 18. Dezember 2008 zwei Filme, die es beide wert sind, gesehen zu werden. Ersterer ergreifend, dramatisch, spannend, der andere nordisch kühl, humorvoll und auf seine stille Art melancholisch.
Doch warum dieser ungewöhnliche Einstieg statt einer gewohnten separaten Filmbesprechung? Obwohl es keineswegs beabsichtigt ist, den Werken Durchschnittlichkeit im negativen Sinne zu unterstellen, so fehlt beiden doch das „gewisse Etwas“, das oft vermisste i- Tüpfelchen, das „aus der Masse Herausstechen“. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Sowohl „Ein Geheimnis“ als auch „O´Horten“ sind wunderbare Filmkunst, allerdings ohne langanhaltenden Erinnerungswert.

„Ein Geheimnis“ ist angesiedelt im Frankreich der 1950er Jahre und entblößt vor den staunenden, schockierten Augen eines sieben Jahre alten Jungen (und somit des Zuschauers) die dunkle Vergangenheit einer Familie, deren Glück auf einem Ereignis beruht, welches sich zur Zeit der deutschen Besatzung zugetragen hat. An dieser Stelle mehr zu verraten, käme einem Sakrileg gleich, weshalb ich dazu keine weiteren Worte verlieren möchte. Schauspielerisch vor allem dank Hauptdarstellerin Cécile de France (vielen sicherlich bekannt aus „L´auberge espagnole“, Horrorfans indessen aus dem Über-Schocker „High Tension“) auf höchstem Niveau, ist es trotz aller Qualität „nur“ wieder ein Film über Geschehnisse, Entscheidungen und Opfer, die aufgrund außergewöhnlicher Umstände während des II. Weltkriegs stattgefunden haben resp. erduldet werden mussten. Natürlich ist es legitim und auch wichtig, diese schlimme Zeit niemals zu vergessen, doch hat man – zumindest bei durchschnittlich häufigem Filmgenuss – viele dieser Geschichten einfach schon zu oft gehört und gesehen.

Bei „O´Horten“, Bent Hamers zweitem Film nach seinem internationalen Durchbruch, dem warmherzigen „Kitchen Stories“, ist es indessen das herausragende Œuvre des Regisseurs selbst, das ihm meine grenzenlose Begeisterung verwehrt. Denn wer nach „Kitchen Stories“ nach Amerika geht, um dort mit meinen Helden Matt Dillon und Marisa Tomei einen Film wie „Factotum“ zu drehen, kann danach eigentlich nur scheitern.
Odd Horten (Bård Owe) ist ein Zugführer in Norwegen, der seine letzte Arbeitswoche vor dem Ruhestand antritt. Ein ruhiger, gewissenhaft arbeitender Zeitgenosse, der von seinen Kollegen respektiert und den wenigen Freunden, die er hat, geschätzt wird. Durch eine Verkettung zufälliger Umstände passiert ihm jedoch ausgerechnet am letzten Tag ein Missgeschick: Er kommt das erste Mal nach fast vierzig Jahren zu spät auf Arbeit! Doch damit nicht genug. Plötzlich scheint sich nicht nur sein Berufsleben, sondern ebenso sein einsames Dasein im Ganzen zu ändern. Horten entdeckt sich und das Leben neu…

Ganz auf seinen Hauptcharakter konzentriert, folgt die Kamera stets und ausschließlich dem alten Mann auf seiner Odyssee. Geschmückt mit atemlos schönen Bildern der winterlichen Landschaft verströmt der Film eine Ruhe und Nachdenklichkeit, die es mühelos ermöglicht, sich mit Horten und seinen Eigenarten anzufreunden.
Doch wie bereits weiter oben erwähnt, hat Bent Hamer seine Qualitäten als Filmemacher mit Hang zu seltsamen Charakteren bereits mehr als herausragend bewiesen. „O´Horten“ wirkt wie eine „Stagnation auf hohem Niveau“. Dies sei dem Regisseur auch vergönnt, zumal er damit Fans genau das gibt, was sie von einem Bent-Hamer-Film erwarten. Insofern kein Grund zu Kritik, nur ein kleiner Anflug von Enttäuschung. Aber wirklich nur ein ganz ganz kleiner!

„The Women“ (Kinostart: 11. Dezember 2008)

Ein Spielfilm ganz ohne männliche Darsteller? Eine solch cineastische Unverfrorenheit kann nicht unkommentiert bleiben.

Diane English heißt die Dame, die als Autorin und Regisseurin dieses Wagnis mit „The Women – Von großen und kleinen Affären“ eingegangen ist. Basierend auf einer Komödie aus dem Jahr 1939, versucht sie die Geschichte um vier befreundete Damen mit den Darstellerinnen Meg Ryan, Annette Bening, Debra Messing, sowie Jada Pinkett Smith in das New York von heute zu transportieren. Untreue Ehemänner, Schwangerschaften, Shoppen, Lifting, Nagelpflege – dies sind nur einige der vielen Themen, mit denen sich die Freundinnen täglich beschäftigen.

Das mag für Zuschauerinnen aus der sogenannten amerikanischen „Upper-Class“ interessant und spannend sein, für ein Publikum mit dem Bedürfnis nach leichter, amüsanter und halbwegs intelligenter Unterhaltung ist „The Women“ jedoch definitiv der falsche Film. War „Sex and the City“ sogar noch für die männliche Begleitung im Kino erträglich und auch vollkommen in Ordnung, so muss sich Regisseurin English die Frage gefallen lassen, wofür sie die angeblichen 15 Jahren Vorbereitung eigentlich genutzt hat? Es fehlt an Humor, Spritzigkeit, Tempo, einer Geschichte, einem Sinn. Stattdessen gibt es zähe Dialoge in uninteressanten Szenen, deren Verlogenheit kaum zu fassen ist, beispielsweise wenn eine - offensichtlich geliftete - 50jährige Annette Bening mehr weibliches Selbstvertrauen auch im Alter fordert und gleichzeitig nur 20jährige Mager-Models für das Cover ihrer Zeitschrift akzeptiert.

Da „The Women“ weder als Komödie noch Satire funktioniert, kann es nur einen Grund für dessen Existenz geben: zu zeigen, wie weltfremd und dumm die amerikanische Upper-Class scheinbar ist.

„Death Race“ (Kinostart: 27. November 2008)

Paul W.S. Anderson hat keinen guten Stand bei mir: Im Alleingang versemmelte er als Autor und Regisseur das vielversprechende „Alien vs. Predator“ (2004) und hat auch sonst bisher noch keinen wirklich empfehlenswerten Film zustande gebracht. Seine Filmographie kann lediglich Gurken wie „Resident Evil“, „Event Horizon“ oder „Soldier“ vorweisen, allesamt dem Action-SciFi-Genre zuzuordnen, allesamt wenig erbaulich in ihrer Qualität.
Und nun das! Ein Remake zu „Death Race“ (auch „Frankensteins Todesrennen“ oder „Herrscher der Straße“), ein B-Movie der 1970er mit damals David Carradine und Sylvester Stallone in den Hauptrollen – ob das gutgeht?

Nun ja, der erhoffte/befürchtete Super-Gau bleibt aus. Dies setzt aber voraus, dass der Besucher beim Betreten des Kinos sein Hirn auf Durchzug stellt, Frauen als schniekes Beiwerk akzeptiert und (Nicht-Schauspieler) Jason Statham gern dabei zusieht, wie er seine „Transporter“- und „Crank“-Rolle zu x-ten Mal abspult und anderen bösen Jungs auf die Kauleiste gibt.

Zum „Inhalt“: Auf einem riesigen Inselgefängnis in der nahen Zukunft können sich die Inhaftierten durch Teilnahme (und Gewinn) eines Autorennens ihre Freiheit erspielen. Dieses wird weltweit übertragen, ist mit etlichen fiesen Fallen bestückt und wird wenig sportlich von der Oberbitch (ich entschuldige mich für diese Wortwahl, doch sie passt einfach zu perfekt) manipuliert.

Aufgemotzte Karren, hübsche Schnecken, coole Kerle und Charakterdarstellerin Joan Allen (!!!) als Chefin des Rennspektakels (ja, die Oberbitch) bilden das Fleisch im äußerst dünnen Drehbuchgerippe von Regisseur Anderson. Und ja: Es macht Spaß, diesen Blödsinn anzusehen, Klischees zu zählen und sich unangestrengt berieseln zu lassen! Der Härtegrad ist angemessen, die Action – wie sonst bei Anderson üblich – glücklicherweise nicht ausschließlich am Computer entstanden und das Tempo durchgehend hoch. Absolutes Schmankerl jedoch ist Joan Allen („Nixon“, „Der Eissturm“, „Das Bourne Ultimatum“), die ihre Rolle sichtlich genießt und im Verlauf des Films ein Fass nach dem anderen aufmacht – herrlich!

Den Vergleich zum Original, ein typisches Roger-Corman-Machwerk, welches seinen Trashcharakter nie versteckt und auch noch ein naives politisches Statement obendrauf packt, muss Anderson nicht scheuen. „Besser“ oder „schlechter“ sind jedoch Attribute, die in Zusammenhang mit „Death Race“, egal ob alt oder neu, nicht fallen sollten. Sagen wir es daher so: Spaß muss sein, Anspruch nicht immer und „Death Race“ liegt irgendwo (nahe ersterem) dazwischen.

„New York für Anfänger“ (Kinostart: 27. November 2008)

Argh! Manchmal treiben mich die - Achtung: Ironie! - kreativen Köpfe hiesiger Filmverleihfirmen in den Wahnsinn. Aus amüsanten und gleichzeitig neugierig machenden Titeln wie „How to lose friends & alienate people“ wird ein schlichtes „New York für Anfänger“, und der zugehörige Trailer reduziert 110 Minuten wunderbare Unterhaltung auf ein „Tölpel ohne Manieren macht sich zum Obst“-Vehikel.

Bitte, liebe Leser, lasst euch davon nicht abhalten, „New York für Anfänger“ im Kino zu besuchen. Es ist natürlich nicht die Neuerfindung des Genres, der Verlauf der Geschichte sicherlich ebenso früh erkennbar, doch zusammen mit einer ganzen Reihe sympathischer Gaststars (Jeff Bridges, Gillian Anderson) und einigen bösen Spitzen gegen die Klatschpresse und übertriebenem Hollywood-Hype ein kurzweiliges und witziges Vergnügen.

Basierend auf den Memoiren eines britischen Schriftstellers, zeigt der Film den „Karrieresprung“ eines kleinen Wurschtblattautors aus London Richtung New York. Sidney (Simon Pegg, „Shaun of the Dead“) scheitert in seiner Heimat zwar mit seinem eigenen Celebrity-Magazin, doch als Clayton Harding (Bridges), seines Zeichens Chefredakteur des angesehenen „Sharps Magazine“, ihm eine befristete Stelle in Amerika anbietet, gibt es für den rothaarigen kleinen Witzbold kein Halten mehr. In der Redaktion angekommen, muss er sich jedoch erst einmal an Karrieregeile Kollegen, eingebildete Starlets und konservatives Zeitungmachen gewöhnen, was ihn immer wieder in absurde Situationen führt.

Es sind wie so oft die kleinen Dinge, die „New York für Anfänger“ zu mehr als nur einer halbgaren Außenseiterkomödie machen. Wie oben schon erwähnt, lässt Regisseur Robert Weide in seinem ersten Kinowerk kaum eine Gelegenheit aus, um sarkastisch und offen über die Glitzerwelt und der sich darin Suhlenden herzuziehen. Besonders Gillian Anderson („Akte X“) als Schauspielagentin beweist einmal mehr ihre Darstellerqualitäten, wenn es darum geht, ihr Küken (Megan Fox, „Transformers“) möglichst oft und sexy den Medien zu präsentieren. Doch statt sie auf ein dummes Starlet zu reduzieren, darf auch sie ihren Unmut über das ständige Posen und Schubladendenken in Hollywood kundtun, während Jeff Bridges mit langer Mähne und seltsam doppeldeutigem Blick an seine wohl berühmteste Rolle als „Dude“ in „The Big Lebowski“ erinnert. Kein Wunder also, dass Sidney seine Vermieterin osteuropäischen Ursprungs fälschlicherweise ständig mit Lebowski anspricht, während er einen White Russian schlürft.

Zwar begibt sich der Film hier und da leider auch auf ein derbes Niveau, doch ändert dies nichts an dem Spaß, den man bei der gemeinsamen Odyssee mit Flummi Simon Pegg erlebt. Und tatsächlich: Wer sich einen Notizblock mit ins Kino nimmt, findet auch ein paar Anregungen zum how to lose friends and alienate people.

„Novemberkind“ (Kinostart: 20. November 2008)

Um es gleich vorweg zu nehmen: „Novemberkind“ zählt für den Autor dieser Zeilen zu einem der Filmhöhepunkte 2008, womöglich gar zum gelungensten deutschen Werk des Jahres. Kaum zu glauben, dass es sich hierbei um ein Erstlingswerk, resp. eine Abschlussarbeit des Filmstudenten Christian Schwochow (Jahrgang 1978) handelt, der zudem als Co-Autor am Drehbuch mitgearbeitet hat. Als helfende (Schreib-)Hand agierte dessen Mutter, Heide Schwochow.

„Novemberkind“ widmet sich der jungen Inga (Anna Maria Mühe), die in einem kleinen Ort in Mecklenburg lebt und als Bibliothekarin der örtlichen Bücherei ihren ruhigen, geregelten Alltag verbringt. Aufgewachsen ist Inga bei ihren Großeltern, nachdem ihre Mutter beim Baden in der Ostsee vor vielen Jahren ertrunken – zumindest glaubt sie das. Denn wie sich durch den nur scheinbar zufälligen Besuch des Konstanzer Literaturprofessors Robert (Ulrich Mathes) herausstellt, ist Inga der wahre Umstand ihres Waisendaseins bislang verschwiegen worden. Geschockt, wütend und trotzdem neugierig begibt sie sich schließlich auf ihrem alten Motorrad zusammen mit Robert auf die Suche nach ihren Eltern quer durch Deutschland.

„Novemberkind“ punktet inhaltlich durch ein spannendes und gut durchdachtes Drehbuch, das trotz der vielen Themen, die angeschnitten werden – ostdeutscher Alltag in der Provinz, Flucht aus der DDR, familiäre Geheimnisse, egoistisches Handeln von Eltern, Großeltern und dem Professor – niemals seine beiden Hauptfiguren aus den Augen verliert und mit sehr viel mehr charakterlicher und emotionaler Tiefe ausstattet, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Zu sehen, wie nicht nur die beiden Hauptdarsteller diese starken Charaktere mit Leben füllen, ist ganz große Schauspielkunst. Dem stehen die zahlreichen bekannten Nebenakteure in nichts nach: Hermann Beyer & Christine Schorn als Großeltern und Thorsten Merten, Steffi Kühnert und Jevgenij Sitochin (alle drei bekannte Dresen-Gesichter) als Stationen auf der Reise von Inga und Robert.
Hinzu kommt eine unglaublich versiert-wirkende, tadellose optische Umsetzung, die in Abschlussfilmen ihresgleichen sucht.

Es ist schön zu sehen, wie ernsthaft, professionell und anspruchsvoll sich junge Filmemacher mit schwierigen Themen auseinandersetzen. Ich hoffe daher sehr, dass „Novemberkind“ sein Publikum findet und bin schon jetzt sehr gespannt, wie Christian Schwochows Karriere sich entwickeln wird. Der Start ist schon mal formidabel!

Ein Thema, zwei Filme: „Let´s Make Money“ (Kinostart: 30. Oktober 2008) & „It´s A Free World“ (Kinostart: 27. November 2008)

Die Kunst imitiert das Leben. Oder war es doch andersrum? Gleich, welcher Umstand schlussendlich tatsächlich zutrifft, erstaunlich ist es schon, mit welcher zeitlichen Treffsicherheit es Filmemachern immer wieder gelingt, aktuelle weltpolitische, kulturelle und gesellschaftliche Themen zeitnah auf die Leinwand zu bringen – nicht nur dank des cleveren Zeitmanagements der Verleihfirmen, denn immerhin benötigt eine durchschnittliche Produktion etwa ein Jahr bis zur Fertigstellung.
Beispiel: Finanz- und Wirtschaftskrise. Während der Unmut über nimmersatte Unternehmer, gedankenlose Investitionen und überhöhte Managementgehälter die Stammtischgespräche bestimmen, hält das Kino gleich mehrere Filme zum Thema bereit, nutzt es für spannende Thriller (ab Februar in Tom Tykwers „The International“), für Dokumentationen oder aufwühlende Sozialdramen.

Der dokumentarischen Aufarbeitung etwa widmet sich Erwin Wagenhofer in „Let´s Make Money“. Anhand von Gesprächen mit Unternehmern, Wirtschaftsberatern, Journalisten, sowie der hierzu passenden Bebilderung mit gewissenlosem Ressourcenumgang, schuftenden, unterbezahlten Arbeitern, leerstehenden Immobilien und anderen zahlreichen Absurditäten, versucht er den Ursprung der aktuellen Krise zu ergründen und gleichzeitig einen Einblick in die weltweite Finanzpolitik zu geben, die mit dem Geld des kleinen Arbeitnehmers handelt, Geschäfte macht und im schlimmsten Fall verjubelt.
Das alles mag auf den ersten Blick interessant klingen und einem ehrbaren Anspruch dienlich sein – denn wer weiß schon, was in den oberen Etagen der gläsernen Prachtbauten großer Banken geschieht? Doch reicht es bei weitem nicht, in 110 Minuten Interviews unkommentiert aneinanderzureihen, hier und da Episoden über in den Sand gesetzte Investitionen einzufügen (siehe Spanien) und sich auf profane Aussagen eines Porträtierten zu verlassen, der ein „Aufbegehren der Bevölkerung“ fordert und ansonsten keinerlei Lösungsansätze bietet. Denn dass die beim Zuschauer damit angestachelte Wut und Aggression noch lange nicht zum langanhaltenden Protest und gewünschten politischen Umdenken führt, haben nicht nur die „Hartz-IV“-Demonstrationen gezeigt. Zumal die erste Stunde von „Let´s Make Money“ außer Altbekanntem keinerlei neue Information enthält. Oder, um es provozierender auszudrücken: Jede „Frontal21“-Sendung im ZDF ist spannender, aufwühlender und inhaltlich ergiebiger als dieser Dokumentarfilm. Kopfschütteln ja, Diskussion mit verschiedenen (!) Standpunkten nach Filmende jedoch ausgeschlossen.

Anders im Sozialdrama „It´s a free world“ von Ken Loach: Auch hier geht es um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und – viel mehr als bei Wagenhofer – um deren Opfer.
Protagonistin Angie (Kierston Wareing) ist in einer Personalvermittlung tätig, verliert trotz hervorragender Leistungen jedoch ihren Job. Zusammen mit ihrer ebenfalls arbeitsuchenden Mitbewohnerin baut sie mit den wenigen Rücklagen, die sie besitzen, ihre eigene Jobagentur auf. Überstunden, launige Arbeiter ohne Sprachkenntnisse und Bürokratie bestimmen fortan ihren Alltag. Als sie durch Missmanagement ihrer Geschäftspartner (!) ihre Arbeiter nicht ausbezahlen kann, steht sie plötzlich vor dem finanziellen Ruin.
Loach zielt nicht auf das Mitleid seiner Zuschauer ab, sondern verdeutlicht in Gestalt von Angie den schier aussichtslosen Kampf motivierter, fleißiger und trotz Rückschlägen immer weiter kämpfender Menschen, die für ihr Engagement weder Anerkennung noch Hilfe vom Staat bekommen und ohne Eigenverschulden die wirtschaftlichen Fehler anderer ausbaden müssen.
Dank Umsetzung, Verlauf und Hauptdarstellerin ist „It´s a free world“ bei weitem der aufwühlendere, nachvollziehbarere und bessere Film zur aktuellen Krise und deren (erfolgreichen?) Lösung. Diskussion nach Filmende eingeschlossen.

„Der Mann, der niemals lebte“ (Kinostart: 20. November 2008)

Eigentlich sollte diese Rezension mit einem in Worte gefassten Kniefall vor Ridley Scott beginnen. Schon seit Ende der 1970er beschenkt der britische Regisseur das Kino Jahr für Jahr mit außergewöhnlichen Filmen, angefangen bei „Alien“, über „Blade Runner“, „Thelma & Louise“, „Gladiator“ bis hin zu „American Gangster“. Doch lässt die Meldung über sein nächstes Projekt Schlimmes erahnen: „Monopoly“. Ridley Scott verfilmt ein Brettspiel!

Von solcherlei Unfug ist „Der Mann, der niemals lebte“ glücklicherweise weit entfernt, auch wenn der Hauptdarsteller ebenso wie eine machtlose Spielfigur umhergetrieben wird. CIA-Mann Ferris (ein fabelhaft aufspielender Leonardo DiCaprio) erledigt im Nahen Osten jene „dreckigen Jobs“ für seine Regierung, die weder rechtsstaatlich noch moralisch legitimiert sind. Angeleitet wird er dabei von seinem Kollegen Hoffman (Russell Crowe), der vom sicheren Washington aus jede Bewegung und jede Aktion Ferris´ über moderne Spionagetechnik verfolgen kann. So weist er Folterungen vom heimischen Garten aus an, oder klärt seinen Agenten während des Familieneinkaufs über die Notwendigkeit gezielter amerikanischer Eingriffe auf. Ferris indessen bewegt sich auf dünnem Eis: Wem kann er trauen? Wer kennt seine Identität? Als Hoffman ohne Absprache eine separate Aktion startet, steht Ferris plötzlich im Kreuzfeuer - und kämpft ums nackte Überleben.

Politisches Kino aus Hollywood leistet sich selten eine solche Konsequenz, Dichte und offene Kritik an den Methoden der eigenen Regierung wie in „Der Mann, der niemals lebte“. Handwerklich gehört Regisseur Scott seit jeher zu den Meistern seines Fachs, zusammen mit dem spannenden Drehbuch, verfasst von „Departed“-Autor William Monahan, gelingt ihm ein unbequemer und fesselnder Politkrimi im Stil von „Syriana“.

Neu auf DVD: „Caramel“ von Nadine Labaki


Dass neben traditionellen Produktionsstätten wie Amerika und Indien auch anderswo talentierte Filmemacher ihrer Profession nachgehen, ist hinlänglich bekannt. Doch kleinere Werbebudgets, längere Vertriebswege und nicht zuletzt das Überangebot an gutem Material verhindern - trotz beispielsweise hunderter Programmkinos und Festivals in Deutschland - oftmals das Erreichen grenzüberschreitender Aufmerksamkeit. Umso erfreulicher, wenn es einigen Perlen dann doch gelingt und diese nach ihrem Ausflug auf die Leinwand auch noch eine angemessene DVD-Veröffentlichung erfahren. „Caramel“ zählt zweifellos dazu.

Die Libanesin Nadine Labaki, 34 Jahre jung und in ihrer Heimat bereits als Musikclipregisseurin bekannt, gibt mit dieser warmherzigen, sinnlichen und zum Teil frechen Romantikkomödie ihren Einstand als Darstellerin und Filmemacherin.

Zum Inhalt:
Auch abseits von Operationen ist der Weg zur vollkommenen Schönheit oftmals schmerzlich. Besonders dann, wenn frau sich in den Schönheitssalon von Layale (Nadine Labaki) begibt, deren Spezialität die Entfernung von Beinbehaarung ist – mit süßem Karamell als Hilfsmittel. Doch nicht nur während der Behandlung wird geschrien, ist der Laden inmitten von Beirut doch stets mit laut plappernden, lästernden und über die Liebe philosophierenden Frauen gefüllt. Während Layale auf ein Happy End mit einem verheirateten Mann hofft, bangt ihre demnächst heiratende Kollegin Nisrine (Yasmine Al Masri) um ihr Ansehen, da sie bereits vorehelichen Sex hatte. Freundin Rima (Joanna Moukarzel) indessen verliebt sich in eine Kundin, während Rose (Siham Haddad) zwischen Schneiderarbeit und Pflege ihrer kranken Schwester gar nicht bemerkt, dass sie einen heimlichen Verehrer hat.

Nicht nur in seinem Heimatland Libanon, sondern auch bei den Filmfestspielen in Cannes 2007, erhielt das Regiedebüt von Darstellerin Labaki viel Lob und wurde sogar für den Oscar als „Bester fremdsprachiger Film“ vorgeschlagen. Ein beachtenswerter Erfolg, wenn man bedenkt, wie spitzbübisch die Autoren auf gesellschaftliche Beschränkungen im Libanon hinweisen und damit viel Mut beweisen.
Optisch ist diese Perle nicht nur ob der wunderschönen Darstellerinnen ein Genuss: Den ganzen Film durchschimmert ein leicht brauner, karamellfarbener Braunton, sommerliche Schauplätze vermitteln Wärme und Lebensfreude, arabische Musik untermalt die Szenerie mit den passenden Klängen.
Doch Handlungsort hin oder her, am Ende steht die Einsicht, dass auch im Libanon Liebende leiden, Amor ungenau zielt und Haarentfernungen schmerzhaft sind. Ein tröstender Gedanke!

Zur gelungene DVD sei noch angemerkt: Auf ihr sind sowohl die synchronisierte deutsche, als auch die originale, arabische Sprachfassung (mit optionalen Untertiteln) vorhanden, ein Interview mit Labaki, in dem sie über die Figuren des Films spricht, ein 12minütiges „Making of“, welches hauptsächlich aus Behind-the-scenes-Material besteht, sowie ein kurzes Feature über die Reise von „Caramel“ rund um den Globus zu verschiedenen Festivals. Trailer zum Film und weiteren Titeln aus dem Katalog von Alamode Film, dem deutschen Verleih, runden die Extras (etwa 30 Minuten) ab.

„Caramel“ erschienen bei Alamode Film/Al!ve AG. FSK ohne Altersbeschränkung.

„Die Stadt der Blinden“ (Kinostart: 23. Oktober 2008)

Ist das Verhalten eines Menschen vorhersehbar? Im Alltag, unter äußerer Beeinflussung, in Extremsituationen? Schon viele Philosophen, Autoren und Filmemacher haben sich dieser Frage gewidmet und immer wieder versucht, die Spezies Mensch zu deuten, zu verstehen, zu erklären. Untrennbar damit verbunden ist auch die Frage nach moralischen Grenzen, die man gewillt ist zu überschreiten, um das eigene Überleben zu sichern. Die Antwort auf „Was wäre wenn…?“ bietet dabei so viele Interpretationsmöglichkeiten wie erschreckende Wahrheiten, die je nach Glaubhaftigkeit immer wieder Stoff für spannende und nachdenkliche Geschichten liefern.
Der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago nahm sich 1995 dieser Thematik in seinem Roman „Die Stadt der Blinden“ an.

Ausgehend von der Dystopie, dass rund um den Globus Menschen ohne Vorwarnung erblinden, beschreibt „Die Stadt der Blinden“ zum einen das panische Verhalten der „gesunden“, sehenden Gesellschaft, die alle Betroffenen zunächst Hals über Kopf isoliert und anschließend ihrem Schicksal überlässt. Zum anderen skizziert der Roman den nun ausbrechenden Macht- und Existenzkampf der Erkrankten innerhalb ihrer kleinen, begrenzten Welt, frei von Regeln, Gesetzen und Moral. Einzig der Stärkere hat das Sagen – zumindest solange die Unterdrückten nicht den Aufstand wagen. Doch wie wehrt man sich gegen Ungerechtigkeit in einer wertefreien, gewaltsamen und auf Hierarchie beruhenden Welt?

Dies sind nur einige der Fragen, die Saramago in „Die Stadt der Blinden“ stellt und Fernando Meirelles in seiner filmischen Adaption ebenso aufgreift. Wie von seinen beiden abendfüllenden Meisterwerken „City of God“ und „Der ewige Gärtner“ bereits gewöhnt, weiß der brasilianische Regisseur mit der Kamera, mit Stimmungen und vor allem mit seinen Darstellern umzugehen und präsentiert ein optisch über jeden Zweifel erhabenes Werk. Julianne Moore, Mark Ruffalo, Gael García Bernal und noch viele andere spielen fabelhaft auf, die einzelnen Charaktere spiegeln zwar, wie von anderen Filmen mit ähnlicher Thematik bekannt (beispielsweise „Cube“), typische Eckpfeiler der Gesellschaft wider, doch werden diese dank der literarischen Vorlage sehr viel tiefgründiger und nachvollziehbarer präsentiert, als es viele Drehbücher schon aufgrund ihres begrenzten Umfangs und ihrer erzwungenen Oberflächlichkeit sein können.

„Die Stadt der Blinden“ ist nachdenklicher Stoff, filmisch hervorragend umgesetzt und dem Roman durchaus ebenbürtig.

And the winner is…

Etwas überrascht und doch erfreut ob der Tatsache, aus über 160 Filmvorstellungen zufällig den Gewinner auch selbst gesehen zu haben, möchte ich aus der Pressemitteilung zitieren:

„Die drei Preisträger des Internationalen Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerbs des 4. Zurich Film Festival stehen fest. […] Als Bester Spielfilm wurde die schweizerische Koproduktion TULPAN von Sergey Dvortsevoy ausgezeichnet, das Flüchtlingsdrama FOR A MOMENT, FREEDOM von Arash T. Riahi erhielt das Goldene Auge für den Besten Debütspielfilm und BLIND LOVES des slowakischen Regisseurs Juraj Lehotský gewann in der Kategorie Bester Dokumentarfilm. Das Publikum wählte THE WORLD IS BIG AND SALVATION LURKS AROUND THE CORNER von Stephan Komanderev zu seinem Lieblingsfilm und das Filmmagazin Variety vergab den Variety-Award an MOSCOW, BELGIUM des belgischen Regisseurs Christophe van Rompaey. […] Das Festival kann in seinem vierten Jahr ein beachtliches Wachstum vorweisen und zog mit 36`000 Besuchern ein Drittel mehr als im Vorjahr an. […]

Unter dem Vorsitz von Peter Fonda als Spielfilm-Jurypräsident wurde im Internationalen Wettbewerb der mit viel Sinn für feinen Humor erzählte Film über kleinere und grössere kasachische Lebenskrisen, TULPAN von Sergey Dvortsevoy (Deutschland/Schweiz/Kasachstan/ Russland/Polen) als ‚Bester Spielfilm‘ ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Auswahl wie folgt: „Wir haben einen einzigartig menschlichen und herzerwärmenden Film über die universelle Suche nach dem Glück als Gewinner gewählt, der in einer spektakulär kahlen und einsamen Umgebung spielt.“ […]“

Einen offiziellen deutschen Starttermin gibt es noch nicht, in Belgien und Frankreich wird der Film jedoch Anfang März 2009 im Kino zu sehen sein. Ein zeitnaher Deutschlandtermin ist daher wahrscheinlich.

4. Zurich Film Festival (25.9.-5.10.2008)


Ungläubiges Kopfschütteln und das hässliche Wort „Lügner“ sind die gängigen Reaktionen, wenn ich in geselliger Runde vom wohl prägendsten Kinobesuch meiner Kindheit berichte: Gerade mal sechs oder sieben Jahre hatte ich verlebt, als ich in Ungarn zu einem Arnold-Schwarzenegger-Film mitgeschleift wurde. „Phantom-Commando“ hieß der Streifen, der in seiner ungekürzten Form in Deutschland noch heute nur von Personen „ab 18“ geschaut werden darf und ein Musterbeispiel für jene sinnentleerten, aber dennoch wunderbar unterhaltenden Actionstreifen darstellt, die in den 1980er Jahren mit Arnie, Stallone & Co. in den Hauptrollen produziert wurden.
Prägend insofern, da ich seit dieser Zeit ein Fan von Sylvester Stallone bin, den ich nun beim Zurich Film Festival zum ersten Mal „live“ sehen durfte. Zugegeben, es gibt tatsächlich sinnvollere Möglichkeiten, Zeit und Fahrgeld zu verprassen. Doch wenn es mir zudem ermöglicht, zwei sehr liebe Freunde in der Schweiz zu besuchen (an dieser Stelle noch einmal ein herzliches und großes Dankeschön an „Arnika“), ist der Aufwand in jedem Falle gerechtfertigt.

In etwas mehr als einer Woche zeigen die Macher (darunter Schauspieler Antoine Monet, Jr.) mehr als 70 Schweizer-, Europa-, internationale oder Weltpremieren, begrüßen Prominenz aus dem In- und Ausland und ehr(t)en Sylvester Stallone mit dem „Golden Icon Award“ für sein Lebenswerk. Als Jurypräsident für die Wettbewerbsfilme fungiert Peter Fonda, Regisseure wie Andreas Dresen oder Bent Hamer stellen sich in sogenannten „Master Class“-Seminaren den Fragen des Nachwuchses oder präsentieren mit anderen Kollegen wie Kathryn Bigelow, Fernando Meirelles, Joel & Ethan Coen und D.J. Caruso ihre neuesten Werke. Für ein so junges Festival ein Menge Berühmtheiten, für Filmliebhaber gleichzeitig ein sehr abwechslungsreiches und spannendes Programm.

Stallone selbst traf bereits am zweiten Wettbewerbstag ein, um seinen Preis persönlich in Empfang zu nehmen. Eines der beiden Festivalkinos, das „corso“ – übrigens ein sehr eigenwilliges, wunderbar gestaltetes Lichtspielhaus -, widmete seinem Stargast dazu eine kleine Retrospektive, für jüngere Fans die perfekte Gelegenheit, Klassiker wie „Rocky“ oder „First Blood“, Teil eins der Ramboserie, auf großer Leinwand zu bewundern.

Das Benehmen der Journalisten am Roten Teppich gestaltete sich überraschend friedfertig, auch wenn einzelne Personen mit Presseausweis dann doch die Beherrschung verloren und einigen Kollegen der schreibenden Zunft (mich eingeschlossen) somit die Chance auf ein zuvor zugesichertes Interview nahmen. Bei der anschließenden Begrüßung des Hollywood-Heroen im Saal gehörte Stallone dann ganz dem Publikum, Presse war nur zu Beginn für wenige Minuten zugelassen. Und auch hier zeigte sich wieder ein Phänomen, das gleichzeitig beängstigend als auch anerkennend wirkte: Wo immer Sylvester Stallone auftritt, hört man das Publikum entweder „Rocky“ oder „Rambo“ aus vollster Kehle schreien. Kaum ein anderer Schauspieler wird so mit seinen Rollen identifiziert wie Stallone, kaum ein anderer hat andererseits so erfolgreich alles getan, um eben jene Rollen für immer im zeitgeschichtlichen Filmgedächtnis zu platzieren. So sind es dann auch vor allem die Charaktere „Rocky Balboa“ und „John Rambo“, die der Laudator in seiner leider etwas schlampig recherchierten Rede immer wieder nennt.

Nach fünf Minuten ist alles vorbei, Stallone bedankt sich artig, gibt ein paar Anekdoten preis und verschwindet noch vor dem Hauptfilm, „Rocky Balboa“, aus dem Saal. Etwa 30 Prozent des Publikums tun es ihm gleich, was angesichts der Qualität des Filmes etwas traurig stimmt. Immerhin ist der eine Stunde später startende „First Blood“ sehr gut gefüllt, für einen 27 Jahre alten Streifen ein beachtenswerter Erfolg.

Am folgenden Tag gönne ich mir noch zwei weitere Filme: „Tulpan“ (Regie: Sergey Dvortsevoy), eine internationale Koproduktion um einen kasachischen Schafhirt, der von seiner Angebeteten verschmäht wird, da er „abstehende Ohren“ habe, sowie die deutsche Komödie „Hardcover“ (Regie: Christian Zübert), die beweist, dass die Macher von „Lammbock“ (2001) ihr Handwerk immer noch verstehen und wissen, wie man Komik und Tragik kongenial in einem unterhaltsamen 90Minüter packt. Ganz großes Kino!

Nach Oliver Stone im vergangenen und Sylvester Stallone in diesem, bin ich sehr gespannt, wen das Zurich Film Festival im kommenden Jahr als Stargast präsentieren will. Unabhängig davon darf den Organisatoren aber schon jetzt viel Potential und Können attestiert werden. Ihnen ist inhaltlich tatsächlich ein Filmfest gelungen, das sehr viele Genres abdeckt und sowohl Programmkino-, als auch Blockbusterfans begeistern kann.

www.zurichfilmfestival.org

„Wall•E“ (Kinostart: 25. September 2008)

Ein Artikel aus dem „Meißner Tageblatt“:

Erschreckend, wie viel Müll sich innerhalb einer Woche vor unseren Haustüren ansammelt. Glücklicherweise wird dieser regelmäßig abgeholt, doch was wäre, wenn ihn 700 Jahre lang niemand abholt?
Dies ist die Welt von „Wall•E“, einem kleinen Roboter, dessen Aufgabe es ist, eben jene Müllberge zu beseitigen. Bis auf eine Schabe, die ihm zur Seite steht, ist Wall•E der Einzige auf dem Planeten Erde – Menschen und Tiere sind lang verschwunden und haben sich in den Weiten des Universums ein neues Zuhause geschaffen.
Eines Tages jedoch landet Eve, eine weiße Schönheit, in seiner einsamen Welt: Es ist Liebe auf den ersten Blick. Als sie bald darauf wieder abgeholt wird, versteckt sich der kleine Roboter als blinder Passagier an Bord ihres Raumschiffs und folgt ihr unbemerkt.

Es ist nun schon der neunte abendfüllende Spielfilm, den das Animationsstudio Pixar („Findet Nemo“, „Ratatouille“) mit „Wall•E“ präsentiert. Wie gewöhnlich sind die Figuren dabei liebevoll gestaltet und mit wunderbar menschlichen Eigenschaften zum Leben erweckt worden. Anders als bei den Vorgängerfilmen schwingt bei aller Leichtigkeit und Situationskomik diesmal jedoch auch ein ernster Unterton in der Geschichte mit, geht es doch um die Verschmutzung des Planeten und später auch um die Trägheit der Menschen in einer technisierten Umgebung.
Neben dieser ohne erhobenen Zeigefinger vermittelten Botschaft, punktet „Wall•E“ ebenso damit, dass während der ersten Stunde kaum ein Wort gesprochen und die Geschichte des liebenswerten Roboters fast ausschließlich über dessen herzerwärmende Mimik transportiert wird. Ein wie immer frecher und überaus witziger Vorfilm („Presto“) rundet den perfekten Kinobesuch schließlich ab.

„Tropic Thunder“ (Kinostart: 18. September 2008)

Da sich die „kreativen“ Köpfe hinter den vermeintlichen Satirefilmen „Scary/Epic/Date/Superhero Movie“ etc. damit begnügen, Originalszenen lediglich nachspielen zu lassen und mit den immer gleichen Fäkal- und Sexwitzen zu versehen, sind gute Persiflagen auf berühmte Filme schon lang aus den hiesigen Lichtspielhäusern verschwunden. Dies ist umso tragischer, da selbst einige Urväter dieser Filmgattung (David Zucker, Leslie Nielsen) inzwischen zum „Scary“-Team gestoßen sind und sich mit dritten Fortsetzungen eben jener Machwerke die Rente aufbessern.
Deshalb ist es sehr erfreulich, dass „Tropic Thunder“, eine Parodie auf Vietnamkriegsfilme, die besonders in den 1980er Jahren das amerikanische Kino dominierten, nicht aus dieser Autorenecke stammt. Ben Stiller, selbst vor allem auf komische Rollen festgelegt („Meine Frau, ihr Vater und ich“, „Verrückt nach Mary“), legt damit bereits seinen fünften Film als Regisseur vor („Reality Bites“, „Zoolander“) und übernahm gleichzeitig eine der drei Hauptrollen.

Zm Inhalt: Megastar Speedman (Stiller) ist vor allem für seine knalligen Actionfilme bekannt. Ein schauspielerischer Ausbruchsversuch als zurückgebliebener „Simple Jack“ endete jedoch katastrophal, sodass er nun eine neue Taktik fährt um endlich auch künstlerisch anerkannt zu werden: Zusammen mit dem fünffachen (!) Oscarpreisträger Lazarus (Robert Downey, Jr.) und Starkomiker Portnoy (Jack Black) will er einen patriotischen (Anti-?)Kriegsfilm drehen. Als Experten heuert Regisseur Cockburn (Steve Coogan) einen Veteranen (Nick Nolte) an, der die drei Diven auf seine ganz spezielle Art drillt. Kurz darauf finden sich die Schauspieler inmitten des Dschungels wieder und glauben, mit gut versteckten Kameras gefilmt zu werden, nicht ahnend, dass eine Drogenbande sie für echte Soldaten hält, die ihr Versteck stürmen wollen.

„Tropic Thunder“ beginnt ganz unkonventionell mit drei Filmtrailern – allesamt natürlich unecht und inhaltlich völlig daneben. Aber auf ihre Weise witzig und ein guter Vorgeschmack auf die kommenden zwei Kinostunden. Denn Stiller und seine beiden Co-Autoren (darunter Schauspieler Justin Theroux, bekannt aus „Mulholland Drive“) übertreiben es in wirklich jeder Szene so sehr, dass es kein Halten mehr gibt. Allein die Motivation des Charakterdarstellers Lazarus, der sich in bester „Method-Acting“-Manier einer Hautpigmentierung unterzieht, um seine Rolle als Schwarzer glaubhafter spielen zu können, ist eine schlicht geniale Verballhornung übertriebenen Schauspielerwahnsinns.

Nun gibt es leider jedoch auch Menschen, die Humor dieses Kalibers nicht vertragen. Abgesehen von der Frage, warum sie sich dann überhaupt „Tropic Thunder“ antun, ist deren Reaktion auf den Film in meinen Augen völlig übertrieben und an den Haaren herbeigezogener Schwachsinn. Es ist im Speziellen die „Simple-Jack“-Episode, in der Stiller alias Speedman alias Simple Jack einen geistig Behinderten Bauernjungen spielt und sich anschließend bei seinem Kollegen Lazarus ausheult, da er dafür keinen Oscar bekommen hat. Lazarus erklärt ihm daraufhin die Mechanismen in Hollywood was solcherlei Rollen betrifft und kommt zu dem Schluss, dass lediglich leicht beschränkte Filmfiguren - siehe „Forrest Gump“ - Chancen auf eine Auszeichnung hätten. Wer jedoch einen „vollständig“ behinderten Menschen spiele - siehe „I am Sam“-, ginge stets leer aus.
Als „Witz auf Kosten Behinderter“ wurde Stiller diese Szene schon nach den ersten Vorführungen um die Ohren gehauen. „Interessenverbände“ kritisierten den Begriff „Zurückgebliebener“, der im Film mehrmals verwendet wurde und unpassend sei.

Wer sich als Zuschauer von Diskussionen dieser Art nicht den Spaß verderben lässt, erlebt mit „Tropic Thunder“ nicht nur eine Satire auf die Gesetze von Hollywood sondern ebenso einige herrlich überzogene Cameoauftritte großer Stars. Deren Namen zu verraten, würde allerdings das Staunen verderben, weshalb sie an dieser Stelle ungenannt bleiben sollen. Nicht weniger trefflich gestaltet Stiller die meist stillen und nur durch einen Kameraschwenk oder der Beleuchtung zu entdeckenden Zitate von Klassikern wie „Apocalypse Now“ oder „Platoon“. Dies ist wahre Parodie und gleichzeitig Huldigung an zeitlose Meisterwerke, die Stiller eben auch optisch als Inspirationsquelle nutzte.

Einzig das Overacting des Herrn Jack Black stört das Gesamtbild etwas, grimassiert und brüllt er sich doch in gewohnter Manier durch die Szenerie. Black ist schon seit vielen Jahren für seine Klamaukfilme bekannt, ihn nun als Komiker mit Drogenproblemen zu besetzen, ist schlicht verschenkt. Hätte er den Actionstar oder Charaktermimen gegeben, wäre „Tropic Thunder“ vielleicht noch einen Tick besser geworden. Ein Spaß ist es trotzdem.

„Babylon A.D.“ (Kinostart: 11. September 2008)

Das wird die Produzenten gar nicht freuen: Schon vor dem offiziellen Kinostart seines neuen Films äußerte sich Regisseur („Hass“; „Die purpurnen Flüsse“) und Gelegenheitsschauspieler („Die fabelhafte Welt der Amélie“; „München“) Mathieu Kassovitz ziemlich deutlich zur Qualität seines Streifens: „Babylon A.D.“ sei dumm und brutal, die Schnittfassung entspräche überhaupt nicht seinen Vorstellungen und er bedauere sehr, sich mit dem Studio 20th Century Fox eingelassen zu haben.
Fakt ist, dass Fox den Film tatsächlich zu Gunsten einer niedrigeren Altersfreigabe um einige Minuten gekürzt hat und diese Version auch in allen Ländern veröffentlicht werden wird, in denen das amerikanische Studio die Rechte des Films verwaltet. In Deutschland ist dies (glücklicherweise?) nicht der Fall, weshalb es in den hiesigen Kinos etwa zehn Minuten länger kracht als beispielsweise in England oder den USA.

Bezüglich der inhaltlichen Qualität möchte ich Kassovitz nach Sichtung des neuen Vin-Diesel-Bilderreigens zustimmen. Dumm, brutal und in mäßigen Computereffekten ertränkt, präsentiert sich „Babylon A.D.“ als eine lächerliche Kopie des über alle Zweifel erhabenen „Children of Men“, mit dem uns Alfonso Cuarón vor fast zwei Jahren eine sehr viel glaubhaftere Zukunftsvision entwarf. Auch er porträtierte einen Mann, der ein junges Mädchen durch eine sich im Zerfall befindliche Welt geleiten muss, um die Spezies Mensch vor dem Aussterben zu bewahren.
Neben der realistischeren Umsetzung und dem anspruchsvolleren Drehbuch, war es vor allem die herausragende Darstellerriege (Clive Owen, Julianne Moore, Michael Caine), die „Children of Men“ weit über den Durchschnitt hob. Wenn nun Vin Diesel als Hauptdarsteller fungiert, dürfte jedem klar sein, dass sich dann statt Gesichts- vornehmlich Armmuskeln zeigen. Schlimmer noch: Gestandene Charaktermimen wie Charlotte Rampling („Swimming Pool“) und Gérard Depardieu („Paris, je t´aime“) gleichen sich diesem Niveau an, Michelle Yeoh („Tiger & Dragon“) hingegen darf wieder nicht schauspielern und kämpft sich gewohnt souverän durch das Szenario.

So stapfen die Protagonisten von Ort zu Ort, von Explosion zu Explosion und von einem Problem ins nächste. Gähn! Richtig ärgerlich wird es jedoch erst, wenn sich Brummbär Diesel auch noch in seinen Schützling verguckt und kurz vorm Finale die Lippen spitzt. [Achtung: Spoiler Anfang!] Was wiederum Frau Nummer zwei (Yeoh) überflüssig macht und folglich schlimme Folgen haben wird. Unverzeihlich jedoch, wenn eben jener Tod einer Hauptfigur im Schnitt- und Effektestakkato völlig verlorengeht und man nur erahnen kann, was soeben auf der Leinwand geschieht. [Spoiler Ende].

Nein, „Babylon A.D.“ hat keinen Spaß gemacht. Vin Diesel taugt in meinen Augen noch immer nicht als legitimer Nachfolger der 80er-Action-Ikonen Willis, Stallone & Schwarzenegger, der ernste Unterton des Themas wird völlig verschenkt und die mal wieder viel zu übertriebenen Spezialeffekte gehören verdammt noch mal in den Spielesektor verbannt!

„The Dark Knight“ (Kinostart: 21. August 2008)

Über kaum einen anderen Hollywoodblockbuster ist dieses Jahr schon so ausführlich berichtet worden wie „The Dark Knight“, Christopher Nolans zweitem Kapitel über den Menschen hinter der Batman-Maske. Essentiell Neues wird diese Rezension daher nicht mehr enthüllen können. Oder um es in einem Satz zusammenzufassen: Alles Positive, was im Vorfeld über diesen Film zu hören war, stimmt. Deshalb möchte ich die Chance nutzen, einmal mehr dem Regisseur ein paar Worte zu widmen.

Der gebürtige Londoner Christopher Nolan, Jahrgang 1970, hat es mit nur sechs Filmen (inklusive „The Dark Knight“) bis an die Spitze Hollywoods geschafft. Glaubt man den Einspielergebnissen vom 11. August, so ist dieses Werk nach „Titanic“ (1998) und „Star Wars“ (1977) der dritterfolgreichste Film in der Geschichte der Filmfabrik. Natürlich ist dies noch kein Qualitätssiegel, als Fan des Regisseurs freut es mich jedoch ungemein.
Denn Tatsache ist, dass sich Nolan auf seinem Weg vom britischen Independentfilmer zum amerikanischen Blockbusterkoch seinen Stil und seinen Anspruch stets bewahrt hat. Angefangen vom - mit Freunden an Wochenenden gedrehten – s/w-Juwel „Following“ (1998, einer meiner persönlichen all-time-favourites), über das rückwärts erzählte „Memento“ (2000, für das er sich während der Aufführungen von „Following“ beim Festivalpublikum das Geld zusammenschnorrte), das sehenswerte Thriller-Remake „Insomnia“ (2002) und nun schließlich die beiden Batman-Filme („Batman Begins“, 2005 & „The Dark Knight“, 2008). Im Jahr 2006 schob er noch fix „The Prestige“ dazwischen, eine schlicht atemberaubend erzählte Geschichte über zwei konkurrierende Magier, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit allerlei Tricks und Ehrgeiz um die Gunst des Publikums zaubern. Optisch, inhaltlich und darstellerisch einer der besten Filme, die ich je sehen durfte.

Nolan hat das Talent (und spätestens nach „The Dark Knight“ wohl auch die unbegrenzten Mittel), großes Blockbusterkino mit Anspruch zu kreieren. Verpackt in einen auf den ersten Blick lauten, knalligen und oberflächlichen Unterhaltungsfilm, präsentiert er Geschichten über gebrochene Charaktere, die weder reine Phantasiegestalten noch einfältige Loser sind. Im Verlauf der Handlung(en) treffen sie auf Situationen, die nachvollziehbar, real und glaubwürdig erscheinen und werden in einen Konflikt verwickelt, der oftmals ihre ganze Existenz bedroht. Nolan nutzt dabei die vorhandenen filmischen und tricktechnischen Mittel Hollywoods, allerdings stets nur in begrenztem Maße, sodass das Menschliche, das Echte, der innere Kampf seiner Figuren stets im Vordergrund bleiben. Dies gelingt ihm immer dann am besten, wenn er ein eigenes Drehbuch, verfasst mit der Hilfe seines Bruders Jonathan Nolan, verfilmt. Letzterer zeichnet übrigens auch für das Skript von „Terminator Salvation“ verantwortlich, einem neuen „Terminator“-Prequel das gerade verfilmt wird und - sieh an sieh an - Christian Bale in der Hauptrolle mitbringt.

Doch zurück zu Regisseur Nolan: All die oben genannten Qualitäten fügt er nun in „The Dark Knight“ bis zum Perfektionismus zusammen. Die wenigen Defizite des Vorgängers „Batman Begins“, nämlich die etwas holprige Inszenierung der Action-Sequenzen, sind nun ebenfalls getilgt und Nolan beweist sein eindrucksvolles Können 152 Minuten lang. Keine Minute zu viel, keine Sekunde zu wenig. „The Dark Knight“ gibt von der ersten Szene an Vollgas und fesselt alle Sinne. Ich gehe nicht soweit und nenne dieses Meisterwerk einen „perfekten Film“ (denn den hat Nolan meiner Meinung nach ja schon mit „The Prestige“ abgeliefert), doch gemessen an dem, was Hollywood üblicherweise als „Sommerblockbuster“ verkauft, ist dies ein Fest. Auf intellektueller, visueller und gespielter Ebene.

„Der Sohn von Rambow“ (Kinostart: 21. August 2008)

Wer mir gleich zu Beginn dieser Rezension einen Schreibfehler bei „Rambo(w)“ unterjubeln will, dem sei verraten, dass ich mich selbst zu einem Fan jener Stallone-Ballerfilme zähle, die trotz des noch jungen vierten Teils aus dem Jahr 2008 wohl zu einem DER Markenzeichen der 1980er zählen. Sylvester Stallone als unkaputtbare Killermaschine, die im ersten Teil („First Blood“, 1982) einen Kampf gegen innere Dämonen und überhebliche Polizisten austrägt, im zweiten Teil von 1985 (Drehbuch: Sly & James Cameron!) den Vietnamkrieg nachträglich gewinnt und drei Jahre später Afghanistan gemeinsam mit einheimischen Kameraden (!) von den Russen befreit. „John Rambo“ (2008) zeigte den stummen Kämpfer dann auf einer Rettungsmission in Birma, brutaler und schneller denn je (der Film war - ohne Abspann - gerade mal 76 Minuten lang).

Abgesehen vom ersten Kapitel der Saga, dem sich auch „Der Sohn von Rambow“ widmet, sind die Episoden zwei bis vier sicherlich in erster Linie „Gewaltpornos“, in denen, unter dem Deckmantel einer wirklich großartigen Umsetzung als Actionfilme, zu Unterhaltungszwecken getötet, gefoltert und fragwürdig moralisiert wird. Im Rahmen ihrer Entstehungszeit mag das vor allem bei den ersten beiden Fortsetzungen politisch noch halbwegs legitim gewesen sein, heute bleibt davon nicht mehr als ein lächerlicher Beitrag zum Kalten Krieg zwischen Amerika und der Sowjetunion.
Mit der Verlegung des vierten Teils nach Birma jedoch gelang Autor und Regisseur Stallone ein einmaliger Coup, da es kurz vor der Filmpremiere tatsächlich zu einem Aufbegehren der burmesischen Bevölkerung gegen ihre Despoten kam. Plötzlich hatte die „Rambo“-Serie wieder einen aktuellen weltpolitischen Hintergrund, auch wenn der Film dies inhaltlich natürlich in keinster Weise angemessen thematisieren konnte. Doch auch hier gilt: Als sinnentleerter Actionfilm ist „John Rambo“ eine Wucht.
Sei´s drum, der erste „Rambo“ gilt immer noch als der beste, eine ausgewogene Mischung aus anspruchsvollem Drama und fetziger Action, ergänzt mit durchweg tollen Darstellerleistungen und einem immer noch markerschütterndem Soundtrack des inzwischen verstorbenen Jerry Goldsmith („Chinatown“, „Alien“).

Ähnlich begeistert von Ted Kotcheffs Klassiker ist Lee (Will Poulter), ein Querkopf allererster Güte. Er rebelliert, flucht und hasst es, sich an Vorschriften halten zu müssen, weshalb er ständig aus dem Klassenzimmer fliegt. Die freie Zeit nutzt er, um im Kino „Rambo“ abzufilmen (ja, dies gab es schon in den 80er Jahren, da allerdings noch mit einem sehr unhandlichen, sehr großen Camcorder) und seinem großen Bruder in Sachen Coolness nachzueifern. Der elfjährige Will (Bill Milner) hingegen wächst streng gläubig erzogen in einer Welt auf, in der Filme und Musik verboten sind. Nach einigen Fiesheiten des älteren Lee zu Beginn, werden aus den beiden ungleichen Jungs bald Freunde, die sich, inspiriert durch „Rambo“, daran machen, ihren eigenen Film zu drehen: „Der Sohn von Rambow“, die verfilmte Mission von der Befreiung ihres Helden und fiktiven Papas Rambo.

Glücklicherweise ist es nicht zwingend notwendig, das Original zu kennen um hierbei seinen Spaß zu haben. Wer es dennoch tut, wird sich über einige kleine Zitate freuen, die Garth Jennings (Buch & Regie) hier und da eingeflochten hat. Vornehmlich jedoch ist „Der Sohn von Rambow“ eine herzerwärmende, amüsante Geschichte übers Erwachsenwerden zweier Außenseiter. Indem sie in ihre Traumwelt flüchten, entkommen sie dem oftmals harten und ungerecht wirkenden Alltag ihrer Umgebung und finden in der Freundschaft zueinander neuen Halt.
Ganz großes Lob sei dabei den beiden Helden Will Poulter und Bill Milner ausgesprochen, die beide derart „erwachsen“ und reif spielen, als hätten sie bei Al Pacino und Robert De Niro persönlich Unterricht genossen. Wow!

Fazit: „Der Sohn von Rambow“ ist eine wunderbare britische Komödie mit etlichen verrückten Ideen, sympathischen Charakteren und gleichzeitig eine angemessene Huldigung an einen großartigen Stallone-Film. Supi!

P.S.: Stallone selbst unterstützte das Team bei der Entstehung, konnte aber leider auch nicht verhindern, dass aus dem urheberrechtlich geschützten „Rambo“ nun „Rambow“ wurde.

„Elegy“ (Kinostart: 14. August 2008)

Mir wird oft vorgeworfen, ich hätte Vorurteile. Nun, ob Wahrheit oder nicht, dies kann auch positive Früchte tragen. Beispielsweise bei der Bewertung des Films „Elegy“, der gleich mehrere gute Vorzeichen in petto hat: Regisseurin Isabel Coixet (deren Œuvre solch wunderbare Werke enthält wie „Mein Leben ohne mich“ oder „Das geheime Leben der Worte“), Sir Ben Kingsley in der Hauptrolle, sowie Dennis Hopper als dessen bester Freund.

Fast bin ich versucht zu schreiben, nichts könne bei einer solchen Besetzung schiefgehen. Doch auch ein Ben Kingsley scheint nicht vor Fehltritten gefeit zu sein, wie das demnächst anlaufende Mike-Myers-Vehikel „Der Love Guru“ beweist: Da läuft Kingsley als indischer (!) Guru mit übertriebenem Schielblick und Zottelspitzbart über die Leinwand und pullert vor den Augen eines Dorfes in einen Bottich, dessen Inhalt dann über Mike Myers alias Guru Pitka entleert wird. Warum er sich auf solch ein Niveau begibt, wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.
Nicht anders verhält es sich mit Dennis Hopper. Ikone der ´68er Bewegung (Regisseur und Darsteller von/in „Easy Rider“), Absturz in die Drogenhölle, danach kleine Nebenrollen u.a. in den Klassikern „Apocalypse Now“ und „Blue Velvet“, neuer Höhenflug als Bösewicht in „Speed“. Seither sowohl in wunderbaren Filmen („EdTV“), als auch in absolutem Zelluloid-Müll („Ticker“) stets als Nebenfigur aktiv und nun in „Elegy“ schlicht großartig.

Soviel zur (realen) Vorgeschichte. Im Film selbst dürfen sich David (Kingsley) und George (Hopper) damit brüsten, nie eine Affäre ausgelassen zu haben. Zwar sind beide inzwischen nicht mehr die Jüngsten, Chancen bieten sich dem Professor auf der einen und dem Dichter auf der anderen Seite jedoch immer noch zuhauf. Beide genießen dieses Leben, ihr fast schon pubertärer Austausch in Form von „Männergesprächen“ zeigt dies auf sehr humorvolle Weise.
Als die Studentin Consuela (Penélope Cruz) in seiner Vorlesung erscheint, hat David schließlich eine neues „Opfer“ gefunden. Er zieht fortan alle Register seiner Verführungskünste, lässt den wohlhabenden, witzigen, gebildeten, charmanten David raushängen und hat natürlich auch Erfolg. Doch Consuela ist anders: Zum ersten Mal, so scheint es, ist da eine Studentin, die ihm intellektuell gewachsen ist. Sie gibt sich temperamentvoll, emotional und als eine Frau mit klaren Zielen.
David weiß sofort, dass ihm dieses Mädchen nicht so schnell aus dem Kopf entschwinden wird. Ist sie nicht da, wird er unruhig, verfolgt sie bei ihren Unternehmungen und beäugt jeden Mann, der ihr zu nahe kommt, kritisch. Eifersucht kommt auf, die Bereitschaft, sich Consuela gegenüber zu öffnen, verweigert er hingegen weiterhin. Sie verlässt den alten Mann schließlich, für den sie inzwischen die Liebe seines Lebens geworden ist.

Schenkt man den vielen Rezensionen Glauben, so ist die Romanvorlage zu diesem Film, „Das sterbende Tier“ von Philip Roth, eine Altmännerfantasie, vulgär und wenig zurückhaltend in seiner Schilderung des David´schen Sexuallebens. Dass sich nun ausgerechnet eine Autorenfilmerin dieses Stoffes annimmt, verwundert daher schon ein wenig. Die Spanierin Isabel Coixet macht glücklicherweise keinen - man entschuldige mir diesen Ausdruck -„Frauenfilm“ daraus, der gefühlsduselig, romantisch und mit viel Zucker obendrauf eine Liebesgeschichte erzählt. Nein, es bleibt tatsächlich während der gesamten Laufzeit eine ernste Auseinandersetzung mit den Themen Liebe, Verlangen und Eifersucht, kongenial bebildert und berauschend, fesselnd und absolut glaubhaft dargestellt von Kingsley und Cruz. Es zündelt und knistert, es macht Appetit und erschrickt. Coixet und ihr Drehbuchautor Nicholas Meyer (verfasste ebenfalls das Skript zur gelungenen Roth-Verfilmung „Der menschliche Makel“) reduzieren die Geschichte auf das Essenzielle und ermöglichen es ihren Schauspielern, wirklich jede Facette ihres Verlangens, ihrer Gefühle und ihrer Wut an die Oberfläche zu tragen. Ein Fest für die Augen und für die Sinne.

Nach all der Lobhudelei muss aber auch noch etwas kritisiert werden: Nicht am Film selber, nicht an der Umsetzung und schon gar nicht an den Darstellern. Nein, diesmal trifft es das Synchronstudio, das den sehr verführerischen Akzent von Frau Cruz aus der Originalfassung schlicht ignoriert hat und somit den Charakter einer wichtigen Eigenschaft beraubt. Denn ob gewollt oder nicht, Cruz´ Aussprache birgt eine Erotik in sich, die ihrer Figur besondere Würze gibt.
Aufreger Nummer zwei ist der ärgerlich konzipierte Trailer zum Film, der „Elegy“ als eine Liebeskomödie anpreist und den latent traurigen Unterton des Films verschweigt.
Ergo: Wenn möglich, auch hier die Originalversion der deutschen Fassung vorziehen und darauf gefasst sein, mit „Elegy“ (übersetzt: „Klagelied“) keinen amüsanten, sondern einen melancholischen, zutiefst emotionalen Film zu sehen, der die Macher und Darsteller auf dem Höhepunkt ihres Könnens zeigt.

„Nanny Diaries“ (Kinostart: 14. August 2008)

Erinnere ich mich richtig an meine Vokabeltests im Englischunterricht, so heißt „Nanny Diaries“ übersetzt in etwa so viel wie „Die Tagebücher eines Kindermädchens“. „Na Hauptsache die Dialoge sind nicht englisch, ob der Titel nun deutsch ist oder net, ist doch egal!“, entfleucht es dem einen oder anderen Leser nun vielleicht. Wobei dem lieben Kinobesucher somit wahrscheinlich einer der süßesten Filmdialoge aller Zeiten verloren geht, die jemals auf Zelluloid gebannt wurden. Glücklicherweise ist jedoch eben jene kurze Szene auch im (englischen) Trailer vorhanden:

Nanny zu ihrem Schützling während einer Party: „Why don´t you shake your booty?“ Antwort des Kleinen, der sich in den Schritt greift: „Because I have to make a duty!“

Okay, wer dies nun überhaupt nicht amüsant findet, darf gleich zur nächsten Rezension übergehen. Allen anderen sei diese auf den ersten Blick brave Komödie um eine College-Absolventin (Scarlett Johansson), die aus Geldnot einen Job als Kindermädchen in einer versnobten Familie annimmt, in höchsten Tönen empfohlen. Das Kind (zunächst) ein Giftzwerg, die Mutter (Laura Linney) mit dem Füllen ihres Kleiderschranks beschäftigt und der Papa (Paul Giamatti) bei „Überstunden“ im Büro mit seiner Kollegin gefangen – die Voraussetzungen für einige typische Katastrophen aus dem Lehrbuch für angehende Drehbuchautoren sind also gegeben.

Zur Freude des Betrachters der ganzen Chose aber ist dies alles schmissig, mit Verve und Unbeschwertheit bebildert, dass es ein einziges Schmunzeln ist. Dazu noch eine Handvoll böse Bemerkungen gegen jene Möchtegern-Eltern der Upper East Side in New York, die glauben, dank ausreichender finanzieller Mittel schon genügend für die Erziehung ihrer Sprösslinge getan zu haben. Herrlich!
Natürlich fehlt die Moralkeule am Ende nicht, gibt es einen sehr süßen Nachbarn zum Verlieben und entpuppt sich die am Anfang nervende Teppichratte als liebenswerter Bub. Jedoch ist Laura Linney als Mutter so dermaßen garstig, Scarlett wie immer eine Bank, Soul-Star Alicia Keys als beste Freundin allerschönstes Eye-Candy und die Anspielungen auf das wohl berühmteste Kindermädchen - Mary Poppins - so charmant, dass „Nanny Diaries“ im Rahmen einer Komödie schlicht alles richtig macht. Fabulous!

„Dr. Alemán“ (Kinostart: 14. August 2008)

„Dr. Alemán“ ist eine Abenteuergeschichte, die von der Gier nach Leben und Erfahrung berichtet, von der Lust alles auszuprobieren und weit weg von der persönlichen Sozialisierung jedes Risiko einzugehen. […] Es ist die Geschichte eines globalen und sehr aktuellen Themas: Das zwanghafte Überstülpen der eigenen Regeln auf fremde Gesellschaften.“ (Tom Schreiber, Regisseur)

Es kommt schon mal vor, dass der Anspruch, den Filmemacher mit ihrem Werk verbinden, überhaupt nicht vorhanden ist. Tom Schreiber jedoch möchte ich attestieren, genau das, was er in seinem Vorwort am Anfang dieser Rezension behauptet, auch umgesetzt zu haben.

August Diehl nimmt uns als Medizinstudent Marc mit auf seine Reise nach Kolumbien, wo er sein praktisches Jahr absolvieren will. Es ist heiß, es ist schwül, es ist hektisch als er aus dem Flugzeug in Cali steigt (zweitgrößte Stadt Kolumbiens, besitzt mit Siloé eines der gefährlichsten Slums der Welt) und im Krankenhaus sofort ins „kalte Wasser“ geschmissen wird: Schusswunden, Blut, Operationen. Eine Unterkunft findet er bei einer Gastfamilie, die ihn schon früh vor dem gefährlichen Alltag warnt, der ihn hier erwarten könnte sobald er eine falsche Abzweigung auf dem Weg zum Arbeitsplatz nimmt.
Eher ungewollt geschieht es dann auch, dass Marc an einem Kiosk beim Kaffeekauf von ein paar Jugendlichen angepöbelt wird. Dank der etwas unscheinbar wirkenden Verkäuferin Wanda (Marleyda Soto, eine kolumbianische Theaterschauspielerin) lassen sie jedoch von ihm ab. Fortan treibt es den jungen Romantiker immer häufiger zu seiner hübschen Retterin, während seine Leistungen als Arzt nicht nur von seinen Kollegen, sondern ebenso von Bandenchef El Juez (Victor Villegas, ein Laiendarsteller aus Cali) wohlwollend registriert werden. Das soll nicht ohne Folgen bleiben.

Es ist stets ein schmaler Grad, auf dem westliche Filmemacher wandeln, wenn sie sich im Porträt einer fremden, weniger geordneten Welt ausprobieren. Man neigt dazu, Leid und Chaos hervorzuheben und die dort lebenden Menschen als Opfer einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft darzustellen. Sicherlich nutzt auch „Dr. Alemán“ das Unvorhersehbare für sein Drehbuch, was man einem Film über ein deutsches Dorf nie abnehmen würde. Doch behält Schreiber stets seinen Protagonisten im Auge und konzentriert sich auf dessen Charakterentwicklung inmitten dieses extremen Umfelds. Durch dieses strenge Festhalten an seiner Hauptfigur gelingt es ihm, den Zuschauer diese fremde Welt ebenso wie Marc erst entdecken zu lassen. Man ist beteiligt an seinen Entscheidungen, kann selbst abwägen, weiß ebensowenig wie er, was als nächstes geschehen wird. Von der Nachvollziehbarkeit seiner Handlungen ganz zu schweigen, was gerade am Ende essentiell für das Verständnis des Filmes/des Protagonisten sein soll.

„Dr. Alemán“ ist glücklicherweise kein belehrender, kein „Oh Gott, wie schrecklich ist es dort!“- Film. Vielmehr ist Schreiber in der Tat eine Abenteuergeschichte gelungen, die spannend, glaubhaft und filmisch einwandfrei umgesetzt wurde. Fabuloso!

„Factory Girl“ & „Zurück im Sommer“ (Kinostart: 6./7. August 2008)

Nicht nur aus Zeitgründen an dieser Stelle mal wieder eine „Doppel-Rezension“ zweier Filme, die zwar inhaltlich nichts miteinander zu tun haben, aus meinem persönlichen Möchtegern-Cineastenblick jedoch beide an den selben Hürden scheitern: einem schwachen Drehbuch und zu guten Schauspielern.

Deshalb gleich zu Beginn etwas name dropping: Sienna Miller, Guy Pearce, Hayden Christensen (in „Factory Girl“), Julia Roberts, Willem Dafoe, Ryan Reynolds, Emily Watson, Carrie-Anne Moss (in „Zurück im Sommer“). Liest sich tatsächlich sehr beeindruckend. Viele Egos, viel Können – da braucht es zwei ebenso selbstsichere Regisseure.

Talent haben sie auf jeden Fall, George Hickenlooper (u.a. Regisseur der Dokumentation „Hearts of Darkness“, die den unglaublichen Entstehungsprozess von Coppolas „Apocalypse Now“ schildert) und Dennis Lee (produzierte einige Episoden der Serie „Desperate Housewives“). Beide sind bemüht, stilistisch nicht auf der Stelle zu treten und fangen die Atmosphären, in denen ihre Geschichten geschehen, auch sehr passend ein. Mit etwas Geduld und einem Faible für das Optische hat man somit als Zuschauer durchaus seine Freude, für 90 Minuten genügt dies aber nicht.

„Factory Girl“ porträtiert mit Edie Sedgwick (gespielt von Sienna Miller) das 60er-Jahre-Exemplar von Paris Hilton. Ein Mädchen, das aus einem wohlhabenden Elternhaus stammt, hübsch anzusehen ist (okay, hier möchte ich festhalten, dass ich der Hilton diese Eigenschaft abspreche) und über ein gewisses Talent der Selbstinszenierung verfügt. Als Künstler-Ikone Andy Warhol (ein unglaublich guter Guy Pearce) auf sie aufmerksam wird, beginnt ihr Aufstieg zum Superstar. Sie ist Muse, Freundin und Model für den exzentrischen Warhol, dessen Interesse an Sedgwick bald schon nachlässt. Selbst die Romanze mit einem „Rockstar“ (Hayden Christensen im Bob-Dylan-Look) kann sie schlussendlich nicht davor bewahren, im Teufelskreis von Drogen, Einsamkeit und verblassendem Ruhm unterzugehen.

„Zurück im Sommer“ nimmt sich statt dessen gleich einer ganzen Familie an, die sich zunächst nur zu einem lauschigen Gartenfest zusammenfinden will, aufgrund eines Autounfalls direkt vor dem Haus (uhhh, etwas sehr konstruiert) dann aber zur Beerdigung der Mutter (Julia Roberts) schreitet. Prompt brechen alte Familienkonflikte wieder auf, werden beim Sohnemann (Ryan Reynolds) Erinnerungen an die Demütigungen des Vaters (Willem Dafoe) und lange Abende mit seiner Tante (Emily Watson) wach.

Wie weiter oben bereits erwähnt, versäumen es beide Filmemacher, ihre Figuren durch ein halbwegs unterhaltsames, spannendes Szenario zu führen. So drehen sich die fabelhaft agierenden Schauspieler buchstäblich im Kreis ihrer eigenen Probleme, bleiben Konflikte ungelöst und Motivationen im Dunkeln. Oder wie es die Rocker der Smashing Pumpkins einst in einem Song treffend formulierten: „The end is the beginning is the end“.

„Die Girls von St. Trinian“ (Kinostart: 7. August 2008)

Ein Film über ein Mädchen-Internat? Nun ja, es gibt zweifellos interessantere Themen, die man als Filmemacher beackern kann. Zumal mir sofort deutsche Komödienversuche mit ähnlichem Inhalt ins Gedächtnis kommen, deren Existenz ich lieber ungeschehen machen wöllte.

Aber genug der Vorurteile! Immerhin spielen mit Rupert Everett („Die Hochzeit meines besten Freundes“) und Colin Firth („Mamma Mia!“) gleich zwei gestandene Herren des britischen Kinos mit, was auf ein halbwegs brauchbares inhaltliches Konzept hoffen lässt.

St. Trinian ist wahrlich kein braver Ort: Ordnung gibt es hier keine, Benehmen ebensowenig und von einem straffen Lehrplan haben die verrückten und mitunter sehr durchgeknallten Mädels scheinbar noch nie etwas gehört. Dies mag auch an der schrulligen Direktorin Camilla (Rupert Everett mit wunderbarem Überbiss und Schminke) liegen, die zwar nach Außen stets Contenance wahrt, sich ansonsten aber herzlich wenig um Bürokratie kümmert. Dies hat zur Folge, dass die Schule Besuch von Camillas Ex-Flamme Geoffrey (Firth) bekommt, der als neuer Bürgermeister das verschuldete Internat schließen will.
Das lassen sich die Mädchen natürlich nicht gefallen und starten eine Guerilla-Aktion zum Retten ihrer Schule. Dabei spielt das weltberühmte Gemälde von Vermeer „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ eine nicht unwichtige Rolle…

Moment mal! Vermeer? Perlenohrring? Da war doch was?! Scarlett Johansson spielte eben jenes Mädchen in der fiktiven Verfilmung von Peter Webber im Jahre 2003 – an der Seite von Colin Firth als Vermeer! Ein wunderbarer Seitenhieb, der „Die Girls von St. Trinian“ (warum eigentlich nicht „Die Mädchen von St. Trinian“?) problemlos zu einer Top-Komödie hätte machen können. Doch stimmen – außer in besagter Szene – Packung und Inhalt selten überein. Statt böser Mädchen mit bissigen Kommentaren zum braven Alltag, den sie mit allen Mitteln in ihrer Festung bekämpfen, gibt es lediglich viel Fassade ( = Schminke) und harmlose Witzchen, zugeschnitten auf ein Publikum kleiner als 14. Zwar liefert Everett als Direktorin und deren Bruder Carnaby eine superbe Doppel-Show ab, bleibt dabei aber alleiniger (humoristischer) Höhepunkt. Schlimmer noch: Die Drehbuchautoren freuten sich anscheinend so sehr über ihre gelungene „Perlenohrring“-Parodie, dass sie diesen Witz gleich mehrmals im Film platzieren, bis es wirklich jeder kapiert hat.

Ein wenig enttäuscht und doch amüsiert über einige gute Gags (und dem/der herrlichen Rupert Everett) stelle ich fest: Für einen Filmnachmittag in Begleitung junger Familienmitglieder lohnt „Die Girls von St. Trinian“ allemal, etwas mehr Mut und Bosheit hätten es aber durchaus sein dürfen.

„Küss mich bitte!“ (Kinostart: 7. August 2008)

Nach längerer Abstinenz möchte ich meinen Blog endlich mit Neuem füllen. Den Anfang macht die Romanze „Küss mich bitte!“, was im französischen Original ungleich verführerischer klingt: „Un baiser, s´il vous plâit“.

Regie führte Emmanuel Mouret, der gleichzeitig die Rolle des Nicolas übernahm und eben jenen Bittsteller spielt, der seine beste Freundin Julie (Virginie Ledoyen, „The Beach“) um diesen Gefallen anfleht. Hach, wie aufregend muss das Casting für diese Rolle gewesen sein!

Nicolas und Julie sind jedoch nur ein Paar, dem sich der leichtfüßig inszenierte Film widmet. Denn eigentlich geht es vielmehr um Emilie (Julie Gayet) und Gabriel (Michaël Cohen), beide glücklich in ihren Beziehungen, die sich zufällig begegnen und sofort zueinander hingezogen fühlen. Sie flirten, besuchen eine Bar und landen schließlich im Emilies Hotelzimmer – zum Reden. Emilie erzählt Gabriel eine Geschichte über zwei gute Freunde (Nicolas & Julie) und wie nur ein Kuss beider Leben vollständig verändert hat. Eine Geschichte, die Emilie vor einer weiteren Annäherung an ihre neue Bekanntschaft zögern lässt und Gabriel warnen soll.

Um nicht zu viel zu verraten, soll diese kurze Inhaltsangabe an dieser Stelle reichen. Doch eines sei noch erwähnt: „Küss mich bitte!“ ist vielleicht nicht das kreativste französische Kinoprodukt 2008, romantisch, amüsant und unterhaltsam ist der Film jedoch allemal. Daran haben sowohl die durchweg sympathischen Figuren, als auch der immer wieder durchschimmernde - manchmal naive, manchmal ernste - Umgang mit der Bedeutung des Wortes „Liebe“ einen gewichtigen Anteil. Fabuleux!

„Mamma Mia!“ (Kinostart: 17. Juli 2008)

Ein Artikel aus dem „Meißner Tageblatt“:

Abgesehen von der „Rocky Horror Picture Show“ gilt es gewöhnlich als Unart, während einer Kinovorstellung zu plappern, zu singen oder gar unvermittelt zu applaudieren. Es sei denn, man sitzt im neuen Film der britischen Regisseurin Phyllida Lloyd, ist ABBA-Fan und in Stimmung für eine zweistündige Riesensause.

Weltweit etwa 30 Millionen Zuschauer konnte das Musical „Mamma Mia!“ seit seiner Erstaufführung im März 1999 begeistern, nun versuchen sich u.a. Meryl Streep, Ex-Bond Pierce Brosnan, Colin Firth und Julie Walters im Tanzen zu, Singen von und Leben nach Songs der wohl bekanntesten schwedischen Popband Abba.
Inmitten einer idyllischen Mittelmeerinsel laufen die Vorbereitungen zur Traumhochzeit von Sophie (Amanda Seyfried), der Tochter von Donna (Streep), die in ihrer Jugend nicht wenige Verehrer hatte. Drei davon könnten möglicherweise der Vater von Sophie sein, die sich nichts sehnlicher wünscht, als von ihrem männlichen Elternteil zum Altar geführt zu werden. Also lädt sie kurzerhand jene drei Kandidaten zur Hochzeit, natürlich ohne ihrer Mutter etwas davon zu verraten. Sowohl Sam (Brosnan) als auch die nicht weniger ansehnlichen Harry (Firth) und Bill (Stellan Skarsgård) ahnen bei ihrer Ankunft noch nichts von ihren (väterlichen) Pflichten, doch das Chaos lässt selbstverständlich nicht lange auf sich warten.

Gespickt mit unzähligen Gesangseinlagen, überzogener Theatralik und einigen schockierenden Kostümen, die nicht an jedem Darsteller wirklich schön aussehen, ist „Mamma Mia!“ ein absoluter Gute-Laune-Film. Herrlich hemmungslos, kindlich und unbeschwert schweben die Darsteller trällernd durch romantisch-kitschige Szenen und fügt sich jeder Abba-Song wunderbar in die Handlung ein.
Fazit: Angucken, Mitsingen, Spaß haben!

„So ist Paris“ (Kinostart: 17. Juli 2008)

Ganz schön gewagt, was das Filmplakat da behauptet: „Ein bisschen Paris steckt in jedem von uns.“ Und damit auch jeder Zuschauer etwas zum Identifizieren hat, präsentiert Cédric Klapisch („L´Auberge Espagnole“, 2002/2005) gleich ein halbes Dutzend Hauptdarsteller, die alle in einer anderen Lebensphase (fest)stecken und versuchen, ihren Alltag zu bestehen.

Klapisch präsentiert somit nichts weiter als eine weitere Fortsetzung seiner „Espagnole“-Reihe, diesmal mit Juliette Binoche als zweitem bekannten Gesicht neben Romain Duris, dem Xavier aus eben jenen WG-Filmen. Mal romantisch, mal traurig lässt er den Zuschauer teilhaben am hippen Leben in der französischen Hauptstadt, behandelt dabei jedoch nicht alle Episoden mit derselben Sorgfalt. So langweilt vor allem die nichtssagende Odyssee eines illegal eingewanderten Kameruners, die weder zu Ende gedacht ist, noch die anderen Geschichten in irgendeiner Weise beeinflusst.

Schlecht ist „So ist Paris“ deshalb nicht, wirklich Neues, etwas typisch Französisches oder gar Außergewöhnliches hat aber auch Klapisch nicht zu berichten. Insofern stimmt es schon: „Ein bisschen Paris steckt in jedem von uns.“ Und Dresden und Berlin und Freital…

„Get Smart“ (Kinostart: 17. Juli 2008)

Haha, wie unlustig! Seit einiger Zeit wird mir Steve Carell als DER neue Comedian Hollywoods verkauft, der hinter seinem braven Aussehen einen Gag nach dem anderen verbirgt. Genau: verbirgt! Nach „Get Smart“, meinem dritten Carell-Film (nach „Evan Almighty“, „Jungfrau (40), männlich, sucht…“), stelle ich fest: Dieser Typ ist so witzig wie ein Darmverschluss.

Laut Pressebeipackzettel zum Film (und womöglich zum Verständnis der „Gags“) war „Get Smart“ in den 1960er Jahren eine sehr erfolgreiche TV-Serie, die das Agenten-Film-Genre verballhornte und mit Mel Brooks einen der bekanntesten Komiker als geistigen Vater vorweisen konnte. Nun also eine Neuauflage, die laut Produzent „in unsere Zeit passt, mit Actionsequenzen, die nicht nur dazu dienen, die Gags zu unterbrechen, sondern sich auch in jedem anderen Thriller sehen lassen könnten.“ Und tatsächlich: Es kracht gewaltig auf der Leinwand. Viel heiße Luft, jedoch ohne Substanz.

Ein kurzer inhaltlicher Abriss: Maxwell Smart (Carell) ist Geheimagent und soll nach einem terroristischen Angriff auf seine Chefetage (in Person: Alan Arkin) das Verbrechersyndikat KAOS (in Person: Terence Stamp) auslöschen. Hilfe bekommt er dabei von Kollege Agent 23 (Dwayne „The Rock“ Jackson) sowie Agentin 99 (Anne Hathaway).

Haha, wie unlustig! Agent 23 läuft gegen eine Tür, zwei Computerfreaks statten seinen Kollegen derweil mit Bond-Goodies aus (ein Taschenmesser mit eingebautem Flammenwerfer) und Agentin 99 verrenkt ihren sexy Körper im Catherine Zeta-Jones-Style („Verlockende Falle“) um durch ein Labyrinth aus Laserstrahlen zu kommen, während Smart ihr auf den Hintern starrt. Gespickt wird das ganze Szenario mit vermeintlich witzigen Kommentaren des Helden, die jedoch so vorhersehbar und öde sind, dass man –wenn überhaupt- nur aus Verlegenheit darüber lächeln kann.

Ich habe nun wirklich nichts gegen Nonsensszenen, wie sie beispielsweise in den „Nackte Kanone“-Filmen (Teil 3 übrigens ebenfalls von Regisseur Peter Segal) zu hauf vorhanden waren. Aber selbst ein Bill Murray, der sich in einem Baumstamm versteckt, kann hier nichts reißen.
Steve Carells Humor ist der des stillen Beobachters, der regungslos seine (gähnend-langweiligen) Kommentare verkündet und dadurch komödiantischen Tiefsinn vorgaukelt, der einfach nicht vorhanden ist. Es ist schon bezeichnend, dass es gerade mal eine Szene geschafft hat, mich wirklich zum Lachen zu bringen. Umso schlimmer, da eben jene Szene genau darauf aufbaut, was ich gewöhnlich an amerikanischen Komödien verabscheue: Fäkalhumor (in diesem Fall eine glücklicherweise weniger eklige Toilettenszene).

Fazit: Wer die „Austin-Powers“-Filme mochte, wird sich in diesem Film wohlfühlen. Alle anderen lade ich demnächst zu einem Triple-Feature der „Nackte Kanone“-Werke ein. Haha, wie lustig!

„Unter Kontrolle“ (Kinostart: 17. Juli 2008)

Mit berühmten und künstlerisch anerkannten Familienmitgliedern ist das so eine Sache. Ist einer aus der Sippe erfolgreich, wird Talent meist gleich auf alle Geschwister und Kindeskinder mit übertragen. Dies kann sich bestätigen (siehe Regisseurin Sofia Coppola, Tony & Ridley Scott), in einigen Fällen jedoch ebenso als Wunschdenken herausstellen (siehe Schauspielerin Sofia Coppola). Jennifer Lynch, Tochter von David Lynch („Blue Velvet“, „Mulholland Drive“), ist nach einem weiteren Film wie „Unter Kontrolle“ wohl der letzteren Kategorie zuzuordnen.

Aber vielleicht ist es auch in ihrem zweiten Film wieder nur ein Ausrutscher, eine unsortierte Ansammlung ausgefallener Ideen, die lediglich in einen passenden Rahmen gepresst werden müssen um nebeneinander zu funktionieren. „Unter Kontrolle“ möchte ein spannender Thriller mit psychologischem Tiefgang und Anspielungen auf „Rashômon“ (Akira Kurosawa, 1950) sein, verwechselt jedoch Inhalt mit Unglaubwürdigkeit, Suspense mit Gewalt und Spannung mit (vermeintlichen) Schockmomenten.

Auf einem Highway mitten im Nirgendwo kommt es zu seltsamen Todesfällen unter den Durchreisenden. Zur Unterstützung bei den Ermittlungen schickt das FBI der örtlichen Polizei zwei Agenten (Julia Ormond, Bill Pullman), die bei der Befragung von vermeintlichen Zeugen helfen sollen. Schlüsselfigur ist dabei das Mädchen Stephanie (Ryan Simpkins), das dem Täter entkommen ist und nun zusammen mit einer weiteren Überlebenden verhört werden soll. Mit anwesend sind dabei auch jene zwei Cops, die zuvor aus purer Langeweile die Reifen vorbeifahrender Autos zerschossen und Stephanies Eltern belästigten haben.

Sehr schnell wird während des Verhörs deutlich, dass alle Beteiligten eine andere Sicht auf die Vergangenheit haben. Welche Version letztendlich die wahre ist, soll der Zuschauer am Ende erfahren – leider in einem solch absurden Schlusstwist verpackt, das es schlichtweg lächerlich und sehr verkrampft wirkt.

Bemüht wirken ebenso die Darsteller, die ihre Rollen allesamt mit kleinen Macken ausstatten, als Sympathieträger aber überhaupt nicht funktionieren. Und genau hier liegt wohl auch das größte Manko von „Unter Kontrolle“: Wenn keiner der Protagonisten glaubhaft agiert, weshalb soll die eine finale Auflösung dann die richtige sein? Ist sie nicht womöglich auch nur ein weiteres Hirngespinst einer Person, Wunschdenken des Täters? Nicht weniger plausibel wäre die Behauptung, den Autoren (Jennifer Lynch & Kent Harper) seien schlicht die Ideen ausgegangen, weshalb die „schockierendste“ am Ende den Vorzug bekam.

Möglicherweise wäre dies auch noch zu ertragen, würde die Umsetzung nicht den letzten Rest „Atmosphäre“ zerstören. Lynch traut dem Publikum und dessen Phantasie nicht und wechselt während des Verhörs ständig zurück an den Ort des Verbrechens, um das soeben Gesagte bildlich zu untermalen. Leider tut sie dies so drastisch und blutig, dass jeder Ansatz von Spannung durch Ekel und Abscheu ersetzt wird.

Keine wirkliche Empfehlung, wer´s jedoch deftig und wenig plausibel mag, kann sich „Unter Kontrolle“ gern antun.

„Happy-Go-Lucky“ (Kinostart: 03. Juli 2008)

Schön, dass es sie in der oft anstrengenden Welt von heute noch gibt: Jene kleinen Inseln des Frohsinns auf zwei Beinen, die sich einfach nicht unterkriegen lassen wollen. Komme was wolle, diese Spezies Mensch ist nahezu immer gut gelaunt, hat pausenlos Spaß am Leben und steckt mit Witz, Charme und Frohsinn einfach jeden an. Auch ich habe so eine Dame – glücklicherweise – in meinem Umfeld, „Happy-Go-Lucky“ könnte somit auch ein Stück Film aus meinem Leben sein.

Eine Vorwarnung auf den ver-rückten Charakter hinter dem breiten Lächeln gibt schon der Name: Statt brav mit dem schönen „Pauline“ durch die Welt zu hüpfen, nennt sich unsere Protagonistin schlicht Poppy (Sally Hawkins). Passend zum Benehmen arbeitet sie in einer Grundschule als Lehrerin, zieht abends mit ihren Freundinnen um die Häuser und scheut sich nirgends, Nonsensgespräche vom Zaun zu brechen. Meist erntet sie dafür nur seltsame Blicke, doch für Enttäuschung ist in Poppys Leben einfach klein Platz, weshalb sie im nächsten Moment schon ein neues „Opfer“ gefunden hat, das sie mit ihrer guten Laune infizieren könnte.

Als sie sich entschließt den PKW-Führerschein zu machen, landet sie im Wagen des griesgrämigen Fahrlehrers Scott (Eddie Marsan, ein „ewiger“ Nebendarsteller, der u.a. schon „Miami Vice“, „Das geheime Leben der Worte“ & „21 Gramm“ veredelte). Falsche Schuhe, falsche Einstellung, falsches Verhalten – Scott kann den bunten Flummi neben sich von Beginn an nicht leiden und zeigt dies Poppy auch überdeutlich. Stören lässt sie sich davon natürlich nicht, sondern gibt weiter die unbeschwerte Göre, die sie nun mal ist. Wohl auch, weil sich nach langer Zeit beziehungstechnisch ganz überraschend etwas entwickelt…

Der Brite Mike Leigh (Drehbuch, Regie) hat bis heute vornehmlich sozialkritischen Werke („Vera Drake“, „Lügen & Geheimnisse“) geschaffen. Wohl auch deshalb ist „Happy-Go-Lucky“ weit entfernt von jenen platten Sketchfilmchen aus Übersee, die Humor meist ausschließlich als Ansammlung von Fäkalwitzen und „ich-renne-gegen-etwas“-Szenen definieren. Nein, dieser mit dem Silbernen Bären (Berlinale 2008, Beste Darstellerin) ausgezeichnete Streifen entwickelt seinen Humor aus den Charakteren heraus und deren Aufeinandertreffen: Poppy vs. den Rest der Welt in Gestalt eines Fahrlehrers. Hintergründig, nicht immer politisch-korrekt, laut, herzlich. Das ist Poppy, das ist „Happy-Go-Lucky“.

Obwohl er zunächst unsympathisch wirkt, werden sich nicht wenige Zuschauer trotz seines grantigen Auftretens eher mit Scott identifizieren und Poppy zunächst als naiv und realitätsfremd beurteilen. Ein Vorurteil, wie sich im Verlauf der etlichen Fahrstunden zeigen soll, denn eben weil Poppy sich auch jener ganzen Lebenshürden im Alltag bewusst ist, wählt sie für sich den Weg der Fröhlichkeit. Scott lebt am anderen Ende des Spektrums, ob glücklicher oder zufriedener, verrät der Film nicht. Ein Manko? Keineswegs, denn von dieser Art Mensch – grummelig, wütend, engstirnig - gibt es schon zu viele auf dieser Welt, Poppys hingegen sind (noch?) eine Seltenheit.

Wenn es einen Kritikpunkt meinerseits gibt, so ist es lediglich die etwas surreal wirkende Begegnung von Poppy mit einem Stadtstreicher. Sie mag nicht so ganz in das ansonsten flott geschriebene, leichtfüßige Drehbuch passen. Für diesbezügliche Anmerkungen und Interpretationen wäre ich daher sehr dankbar…

„You kill me“ (Kinostart: 12.06.2008)

Einer meiner Beiträge aus dem "Meißner Tageblatt":

Manche Jobs sind wahrlich nur im Suff zu ertragen. Mafia-Killer zum Beispiel. Frank (Ben Kingsley) jedoch kann ohne Fusel gar nicht mehr; weder Schneeschippen noch den Tag überstehen. Leider auch nicht vernünftig arbeiten, was seine Auftraggeber ziemlich sauer macht. Doch schätzen sie ihn und seine Fähigkeiten zu sehr, als ihn gleich „zu feuern“. Stattdessen bekommt Frank eine letzte Chance der gesundheitlichen und dienstlichen Rehabilitation und soll seinem Laster im Kreise der Anonymen Alkoholiker abschwören. Um Rückfälle zu vermeiden, darf er zudem als Leichenkosmetiker tätig werden, ein Job, den ihm sein leicht gestörter Kollege Dave (Bill Pullman, „Independence Day“) vermittelt hat.
Und siehe da: Aus dem griesgrämigen Frank wird schon bald wieder ein Mensch, der sich in die Tochter (Téa Leoni, „Bad Boys“) eines verstorbenen „Kunden“ verliebt. Zusammen mit ihr versucht er sich fortan an einem geregelten Leben, bis seine alten Auftraggeber sich sehr plötzlich und sehr dringend bei ihm melden.

Man sollte schon ein Faible für schwarze Komödien haben, um „You kill me“ genießen zu können. John Dahls („Joyride“) bitterböse Farce ist ein Fest für Zyniker und wird trotz fabelhafter Nebendarsteller vor allem von Ben Kingsley, dem ewigen Gandhi, getragen. Was er auch spielt, die Rolle des indischen Nationalhelden, der gewaltfrei (!) für eine bessere Welt kämpfte, schimmert ab und an immer noch durch, was „You kill me“ unheimlich gut steht.
Zusätzlich bekommen alle Romantiker dank der herrlich absurden Liebesbeziehung ebenso eine mehr als deutliche Botschaft vermittelt: Liebe kann töten, also gebt Obacht, wer euer Herzblatt wird… oder wählt zumindest den gleichen Job!

„Funny Games U.S.“ (Kinostart: 29.05.2008)

Michael Haneke: Regisseur, Drehbuchautor, Cannes-Gewinner. Ganz nebenbei auch einer der wenigen Filmemacher, vor deren Arbeiten ich „Angst“ habe, dank Werken wie „Caché“ (2005) oder eben „Funny Games“, das er ursprünglich 1997 drehte. Zehn Jahre später hat er nun selbst ein sogenanntes „Shot-by-Shot“ -Remake mit amerikanischen Darstellern, Budget und Drehteam geschaffen. Ein identischer Neuaufguss sozusagen, in dem die Szenen eins zu eins vom Original übernommen werden.
Gus van Sant hat das 1998 schon einmal mit „Psycho“ (in Farbe) versucht und sich damit mehr Feinde als Freunde gemacht. Bei Haneke jedoch wird das Bewerten schwieriger – denn „Funny Games“ ist nicht wirklich ein „Film“. Es ist vielmehr eine Erfahrung, die man nie mehr vergessen wird.
Insofern ist das Ergebnis tatsächlich dasselbe wie schon 1997. Mit Ulrich Mühe und Susanne Lothar schauspielerisch ohnehin das Nonplusultra, kann ein Remake im günstigsten Falle „gleich gut“ sein - besser jedoch keinesfalls.

George (Tim Roth, ein ebenbürtiger Ersatz für Mühe) und Ehefrau Ann (Naomi Watts, dito) fahren mit ihrem kleinen Sohn George (Devon Gearhart, demnächst in „Changeling“ an der Seite von John Malkovich zu sehen; Regie: Clint Eastwood) zu ihrem Ferienhaus am See. Während die beiden Jungs das Segelboot zu Wasser lassen, bereitet Ann im Haus das Essen vor. Plötzlich steht Peter (Brady Corbet), offensichtlich Gast der befreundeten Familie von nebenan, in der Tür und bittet um ein paar Eier. Als er sie beim Verlassen des Hauses fallen lässt und kurz darauf auch noch Anns Telefon im Aufwaschwasser versenkt, verweist sie ihn des Hauses. Doch statt zu gehen, kommt nun auch sein Freund Paul (Michael Pitt) hinzu und verstrickt Ann in ein naives Gespräch um Höflichkeit und Anstand. Als der herbeigeeilte George Paul für seine beleidigenden Äußerungen reflexartig ohrfeigt, eskaliert die Situation: Peter bricht ihm mit einem Golfschläger das Knie.

Was nun folgt, ist ein Alptraum - sowohl für die Opfer als auch den Zuschauer. Denn die beiden in unschuldigem Weiß gekleideten fremden Herren schließen eine Wette ab: Entweder schafft es die Familie, sich innerhalb von 12 Stunden zu befreien oder sie ist tot. Der Wettpartner: das Publikum!
Spätestens hier sollte jedem halbwegs aufmerksamen Zuschauer klar sein, dass Haneke nicht unterhalten will - denn „Funny Games“ ist vielmehr sein drastischer Versuch, auf heutige (bedenkliche) Sehgewohnheiten hinzuweisen und insbesondere die Darstellung von Gewalt in Filmen als das zu entlarven, was sie ist: pervers und nicht konsumierbar.

Haneke nutzt dabei übliche, bekannte Thrillerelemente, inszeniert herausragend professionell und spart sich jegliche Andeutung von Humor. Was man hier zu sehen bekommt, ist (wahrscheinlich) ungeschminkte, brutale und bis zum Ende konsequente Realitätsabbildung. Und doch ebenso genau das, was „wir“ täglich als Unterhaltung nutzen. Natürlich zeigt ein „Tatort“ so etwas nie in solch Intensität oder Offenheit, überspitzt ein Tarantino Gewaltszenen á la „Kill Bill“ in aller Deutlichkeit und tötet Michael Myers in der Halloweennacht aus Prinzip nur Dumpfbacken. Doch es ist halt selbstverständlich und für Haneke wohl deshalb auch so bedenklich.

Möglicherweise liegt genau hier auch der Pluspunkt dieser Neuverfilmung: Im Gegensatz zum Original durchleben in „Funny Games U.S.“ eben jene Darsteller diese Tour de Force, die vor allem dem amerikanischen Publikum aus Thrillern und Gangsterkomödien bekannt sein dürften. Gesichter, die mit dem Begriff Hollywood untrennbar verbunden sind und somit Teil einer (Film)Kultur, die Gewaltpornos wie „Hostel“, „Saw“ oder „John Rambo“ fabriziert.

Sind Filme mit mordenden und prügelnden Protagonisten somit allesamt zu verdammen? Ich denke nicht, dass Haneke dies beabsichtigt oder erwartet. Vielmehr geht es ihm wohl darum, Sensibilität zu schärfen und auf bedenkliche Entwicklungen hinzuweisen. Gerade jetzt, wo Horrorfilme wieder einen ungemeinen Popularitätsschub genießen und etliche Sequels nach sich ziehen, die sich gegenseitig in ihrer Brutalität versuchen zu übertrumpfen, scheint Hanekes Werk unbedingt nötig.
Er selbst meint dazu: „Als ich in den 90ern über „Funny Games“ nachzudenken begann, hatte ich hauptsächlich das englischsprachige Gewaltkonsumentenpublikum vor Augen. Ich reagierte auf ein bestimmtes Kino, seine Gewalt, seine Naivität, und seinen Zynismus. Da der Film in einer fremden Sprache war und die Schauspieler den Amerikanern unbekannt waren, hat der damalige Film sein Publikum nicht erreicht. Ich denke, das kann sich nun ändern.“

Natürlich bleibt es jedem Zuschauer am Ende selbst überlassen, was er aus diesem Film mitnimmt. Auch bin ich persönlich nicht so naiv und schwöre nun meiner Leidenschaft für tumbe 80er-Jahre-Actionfilme ab, wo Selbstjustiz und Revanchismus verherrlicht und böse Buben im Akkord niedergemäht wurden. Ohne mich jedoch zu weit aus dem eigenen Fenster zu lehnen, möchte ich Herrn Haneke versichern, dass ich „dank“ seines (doppelten) Werkes tatsächlich über meine Filmvorlieben nachgedacht habe und glaube differenzieren zu können. Aber vielleicht sollte ich dazu mal meine Freunde befragen…

„Beat Street“ (1984) & „Here We Come“ (2007)

Damit hatten die Kulturwächter der DDR wohl nicht gerechnet: Ein Film über amerikanische Ghetto-Kids, die ihrem trostlosen Dasein mit Tanzen, Feiern und Graffiti versuchen zu entfliehen, entpuppte sich innerhalb fünf Jahren Endlosschleife in den hiesigen Kinos zu DEM Kultfilm der 80er - zumindest für ostdeutsche Kiddies. „Beat Street“ hieß das Werk, das nun endlich auch auf dem deutschen DVD-Markt erhältlich ist.

Passend dazu (und meiner Meinung nach unbedingt gleich beim Kauf von „Beat Street“ mit einzupacken) erschien bereits im Dezember des vergangenen Jahres eine Dokumentation mit dem Titel „Here We Come“, die sich einem auf den ersten Blick absonderlichem Thema des DDR-Alltags annimmt: der Break-Dance-Kultur.

Doch der Reihe nach: Als „Beat Street“ Mitte der 80er Jahre erstmals in den Kinos der DDR zu sehen war, konnte wohl noch niemand ahnen, welche Folgen das Gezeigte in dem kleinen sozialistischen Vorzeigestaat haben sollte. Die Verrenkungen der Darsteller in dem von Harry Belafonte produzierten Tanzfilm, die Musik (Rap und Hip-Hop), die Coolness und Selbstsicherheit der Protagonisten und deren gleichzeitiger Kampf mit/gegen Gesellschaft, Eltern und Verantwortung hatte es bis dato noch nicht gegeben. Prompt waren auch auf den ostdeutschen Straßen Kinder und Jugendliche zu finden, die sich tanzend duellierten, englischen Sprechgesang hörten und - wenn auch nur nachgemacht - fesche Kleidung mit Puma- und Adidas-Aufnähern trugen. Am Anfang noch kritisch beäugt, akzeptierte die Partei Ende der 80er Jahre diesen neuen Lebensstil und gab mit der aus Dresden stammenden „Electric Beat Crew“ erstmals einer Hip-Hop-Band einen Plattenvertrag bei der hauseigenen Amiga.

All diese Entwicklungen hat Nico Raschick in seinem sympathischen 90minüter „Here We Come“ anhand von Archivmaterial, Interviews und Originalaufnahmen (auf beiliegender CD), beispielsweise von einem Rap-Contest in Radebeul 1988, zusammengefasst. Dabei wird nicht nur in der Dokumentation selbst, sondern vor allem in einem Extrafeature auf der Bonus-DVD deutlich, welchen Einfluss „Beat Street“ auf all jene Protagonisten hatte, die sich nach gefühlten 20 Kinobesuchen aufmachten, die Jugendkultur der DDR mit ihrem Tanzstil zu bereichern und zu verändern. Ungewollt natürlich, doch von so viel Ehrgeiz, Spaß und Talent begleitet, dass es nicht wundert, wenn die „Täter von damals“ am Ende der Doku mit großen Augen vom einzigen Treffen mit dem original Beat-Street-Cast nach der Wende berichten.

Für mich persönlich ist die DVD-Veröffentlichung von „Beat Street“ einer der Höhepunkte des Jahres 2008. Zwar hab ich es nie geschafft, auch nur annähernd eine Tanzbewegung wie im Film hinzubekommen, doch an unsere Versuche auf dem Schulhof und die vielen Sonntagnachmittage vor dem Fernseher, um die x-te Wiederholung des Filmes zu sehen, erinnere ich mich immer noch gern. Vielleicht geht es ja einigen von euch genauso…