„Death Race“ (Kinostart: 27. November 2008)

Paul W.S. Anderson hat keinen guten Stand bei mir: Im Alleingang versemmelte er als Autor und Regisseur das vielversprechende „Alien vs. Predator“ (2004) und hat auch sonst bisher noch keinen wirklich empfehlenswerten Film zustande gebracht. Seine Filmographie kann lediglich Gurken wie „Resident Evil“, „Event Horizon“ oder „Soldier“ vorweisen, allesamt dem Action-SciFi-Genre zuzuordnen, allesamt wenig erbaulich in ihrer Qualität.
Und nun das! Ein Remake zu „Death Race“ (auch „Frankensteins Todesrennen“ oder „Herrscher der Straße“), ein B-Movie der 1970er mit damals David Carradine und Sylvester Stallone in den Hauptrollen – ob das gutgeht?

Nun ja, der erhoffte/befürchtete Super-Gau bleibt aus. Dies setzt aber voraus, dass der Besucher beim Betreten des Kinos sein Hirn auf Durchzug stellt, Frauen als schniekes Beiwerk akzeptiert und (Nicht-Schauspieler) Jason Statham gern dabei zusieht, wie er seine „Transporter“- und „Crank“-Rolle zu x-ten Mal abspult und anderen bösen Jungs auf die Kauleiste gibt.

Zum „Inhalt“: Auf einem riesigen Inselgefängnis in der nahen Zukunft können sich die Inhaftierten durch Teilnahme (und Gewinn) eines Autorennens ihre Freiheit erspielen. Dieses wird weltweit übertragen, ist mit etlichen fiesen Fallen bestückt und wird wenig sportlich von der Oberbitch (ich entschuldige mich für diese Wortwahl, doch sie passt einfach zu perfekt) manipuliert.

Aufgemotzte Karren, hübsche Schnecken, coole Kerle und Charakterdarstellerin Joan Allen (!!!) als Chefin des Rennspektakels (ja, die Oberbitch) bilden das Fleisch im äußerst dünnen Drehbuchgerippe von Regisseur Anderson. Und ja: Es macht Spaß, diesen Blödsinn anzusehen, Klischees zu zählen und sich unangestrengt berieseln zu lassen! Der Härtegrad ist angemessen, die Action – wie sonst bei Anderson üblich – glücklicherweise nicht ausschließlich am Computer entstanden und das Tempo durchgehend hoch. Absolutes Schmankerl jedoch ist Joan Allen („Nixon“, „Der Eissturm“, „Das Bourne Ultimatum“), die ihre Rolle sichtlich genießt und im Verlauf des Films ein Fass nach dem anderen aufmacht – herrlich!

Den Vergleich zum Original, ein typisches Roger-Corman-Machwerk, welches seinen Trashcharakter nie versteckt und auch noch ein naives politisches Statement obendrauf packt, muss Anderson nicht scheuen. „Besser“ oder „schlechter“ sind jedoch Attribute, die in Zusammenhang mit „Death Race“, egal ob alt oder neu, nicht fallen sollten. Sagen wir es daher so: Spaß muss sein, Anspruch nicht immer und „Death Race“ liegt irgendwo (nahe ersterem) dazwischen.

„New York für Anfänger“ (Kinostart: 27. November 2008)

Argh! Manchmal treiben mich die - Achtung: Ironie! - kreativen Köpfe hiesiger Filmverleihfirmen in den Wahnsinn. Aus amüsanten und gleichzeitig neugierig machenden Titeln wie „How to lose friends & alienate people“ wird ein schlichtes „New York für Anfänger“, und der zugehörige Trailer reduziert 110 Minuten wunderbare Unterhaltung auf ein „Tölpel ohne Manieren macht sich zum Obst“-Vehikel.

Bitte, liebe Leser, lasst euch davon nicht abhalten, „New York für Anfänger“ im Kino zu besuchen. Es ist natürlich nicht die Neuerfindung des Genres, der Verlauf der Geschichte sicherlich ebenso früh erkennbar, doch zusammen mit einer ganzen Reihe sympathischer Gaststars (Jeff Bridges, Gillian Anderson) und einigen bösen Spitzen gegen die Klatschpresse und übertriebenem Hollywood-Hype ein kurzweiliges und witziges Vergnügen.

Basierend auf den Memoiren eines britischen Schriftstellers, zeigt der Film den „Karrieresprung“ eines kleinen Wurschtblattautors aus London Richtung New York. Sidney (Simon Pegg, „Shaun of the Dead“) scheitert in seiner Heimat zwar mit seinem eigenen Celebrity-Magazin, doch als Clayton Harding (Bridges), seines Zeichens Chefredakteur des angesehenen „Sharps Magazine“, ihm eine befristete Stelle in Amerika anbietet, gibt es für den rothaarigen kleinen Witzbold kein Halten mehr. In der Redaktion angekommen, muss er sich jedoch erst einmal an Karrieregeile Kollegen, eingebildete Starlets und konservatives Zeitungmachen gewöhnen, was ihn immer wieder in absurde Situationen führt.

Es sind wie so oft die kleinen Dinge, die „New York für Anfänger“ zu mehr als nur einer halbgaren Außenseiterkomödie machen. Wie oben schon erwähnt, lässt Regisseur Robert Weide in seinem ersten Kinowerk kaum eine Gelegenheit aus, um sarkastisch und offen über die Glitzerwelt und der sich darin Suhlenden herzuziehen. Besonders Gillian Anderson („Akte X“) als Schauspielagentin beweist einmal mehr ihre Darstellerqualitäten, wenn es darum geht, ihr Küken (Megan Fox, „Transformers“) möglichst oft und sexy den Medien zu präsentieren. Doch statt sie auf ein dummes Starlet zu reduzieren, darf auch sie ihren Unmut über das ständige Posen und Schubladendenken in Hollywood kundtun, während Jeff Bridges mit langer Mähne und seltsam doppeldeutigem Blick an seine wohl berühmteste Rolle als „Dude“ in „The Big Lebowski“ erinnert. Kein Wunder also, dass Sidney seine Vermieterin osteuropäischen Ursprungs fälschlicherweise ständig mit Lebowski anspricht, während er einen White Russian schlürft.

Zwar begibt sich der Film hier und da leider auch auf ein derbes Niveau, doch ändert dies nichts an dem Spaß, den man bei der gemeinsamen Odyssee mit Flummi Simon Pegg erlebt. Und tatsächlich: Wer sich einen Notizblock mit ins Kino nimmt, findet auch ein paar Anregungen zum how to lose friends and alienate people.

„Novemberkind“ (Kinostart: 20. November 2008)

Um es gleich vorweg zu nehmen: „Novemberkind“ zählt für den Autor dieser Zeilen zu einem der Filmhöhepunkte 2008, womöglich gar zum gelungensten deutschen Werk des Jahres. Kaum zu glauben, dass es sich hierbei um ein Erstlingswerk, resp. eine Abschlussarbeit des Filmstudenten Christian Schwochow (Jahrgang 1978) handelt, der zudem als Co-Autor am Drehbuch mitgearbeitet hat. Als helfende (Schreib-)Hand agierte dessen Mutter, Heide Schwochow.

„Novemberkind“ widmet sich der jungen Inga (Anna Maria Mühe), die in einem kleinen Ort in Mecklenburg lebt und als Bibliothekarin der örtlichen Bücherei ihren ruhigen, geregelten Alltag verbringt. Aufgewachsen ist Inga bei ihren Großeltern, nachdem ihre Mutter beim Baden in der Ostsee vor vielen Jahren ertrunken – zumindest glaubt sie das. Denn wie sich durch den nur scheinbar zufälligen Besuch des Konstanzer Literaturprofessors Robert (Ulrich Mathes) herausstellt, ist Inga der wahre Umstand ihres Waisendaseins bislang verschwiegen worden. Geschockt, wütend und trotzdem neugierig begibt sie sich schließlich auf ihrem alten Motorrad zusammen mit Robert auf die Suche nach ihren Eltern quer durch Deutschland.

„Novemberkind“ punktet inhaltlich durch ein spannendes und gut durchdachtes Drehbuch, das trotz der vielen Themen, die angeschnitten werden – ostdeutscher Alltag in der Provinz, Flucht aus der DDR, familiäre Geheimnisse, egoistisches Handeln von Eltern, Großeltern und dem Professor – niemals seine beiden Hauptfiguren aus den Augen verliert und mit sehr viel mehr charakterlicher und emotionaler Tiefe ausstattet, als es auf den ersten Blick den Anschein macht. Zu sehen, wie nicht nur die beiden Hauptdarsteller diese starken Charaktere mit Leben füllen, ist ganz große Schauspielkunst. Dem stehen die zahlreichen bekannten Nebenakteure in nichts nach: Hermann Beyer & Christine Schorn als Großeltern und Thorsten Merten, Steffi Kühnert und Jevgenij Sitochin (alle drei bekannte Dresen-Gesichter) als Stationen auf der Reise von Inga und Robert.
Hinzu kommt eine unglaublich versiert-wirkende, tadellose optische Umsetzung, die in Abschlussfilmen ihresgleichen sucht.

Es ist schön zu sehen, wie ernsthaft, professionell und anspruchsvoll sich junge Filmemacher mit schwierigen Themen auseinandersetzen. Ich hoffe daher sehr, dass „Novemberkind“ sein Publikum findet und bin schon jetzt sehr gespannt, wie Christian Schwochows Karriere sich entwickeln wird. Der Start ist schon mal formidabel!

Ein Thema, zwei Filme: „Let´s Make Money“ (Kinostart: 30. Oktober 2008) & „It´s A Free World“ (Kinostart: 27. November 2008)

Die Kunst imitiert das Leben. Oder war es doch andersrum? Gleich, welcher Umstand schlussendlich tatsächlich zutrifft, erstaunlich ist es schon, mit welcher zeitlichen Treffsicherheit es Filmemachern immer wieder gelingt, aktuelle weltpolitische, kulturelle und gesellschaftliche Themen zeitnah auf die Leinwand zu bringen – nicht nur dank des cleveren Zeitmanagements der Verleihfirmen, denn immerhin benötigt eine durchschnittliche Produktion etwa ein Jahr bis zur Fertigstellung.
Beispiel: Finanz- und Wirtschaftskrise. Während der Unmut über nimmersatte Unternehmer, gedankenlose Investitionen und überhöhte Managementgehälter die Stammtischgespräche bestimmen, hält das Kino gleich mehrere Filme zum Thema bereit, nutzt es für spannende Thriller (ab Februar in Tom Tykwers „The International“), für Dokumentationen oder aufwühlende Sozialdramen.

Der dokumentarischen Aufarbeitung etwa widmet sich Erwin Wagenhofer in „Let´s Make Money“. Anhand von Gesprächen mit Unternehmern, Wirtschaftsberatern, Journalisten, sowie der hierzu passenden Bebilderung mit gewissenlosem Ressourcenumgang, schuftenden, unterbezahlten Arbeitern, leerstehenden Immobilien und anderen zahlreichen Absurditäten, versucht er den Ursprung der aktuellen Krise zu ergründen und gleichzeitig einen Einblick in die weltweite Finanzpolitik zu geben, die mit dem Geld des kleinen Arbeitnehmers handelt, Geschäfte macht und im schlimmsten Fall verjubelt.
Das alles mag auf den ersten Blick interessant klingen und einem ehrbaren Anspruch dienlich sein – denn wer weiß schon, was in den oberen Etagen der gläsernen Prachtbauten großer Banken geschieht? Doch reicht es bei weitem nicht, in 110 Minuten Interviews unkommentiert aneinanderzureihen, hier und da Episoden über in den Sand gesetzte Investitionen einzufügen (siehe Spanien) und sich auf profane Aussagen eines Porträtierten zu verlassen, der ein „Aufbegehren der Bevölkerung“ fordert und ansonsten keinerlei Lösungsansätze bietet. Denn dass die beim Zuschauer damit angestachelte Wut und Aggression noch lange nicht zum langanhaltenden Protest und gewünschten politischen Umdenken führt, haben nicht nur die „Hartz-IV“-Demonstrationen gezeigt. Zumal die erste Stunde von „Let´s Make Money“ außer Altbekanntem keinerlei neue Information enthält. Oder, um es provozierender auszudrücken: Jede „Frontal21“-Sendung im ZDF ist spannender, aufwühlender und inhaltlich ergiebiger als dieser Dokumentarfilm. Kopfschütteln ja, Diskussion mit verschiedenen (!) Standpunkten nach Filmende jedoch ausgeschlossen.

Anders im Sozialdrama „It´s a free world“ von Ken Loach: Auch hier geht es um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und – viel mehr als bei Wagenhofer – um deren Opfer.
Protagonistin Angie (Kierston Wareing) ist in einer Personalvermittlung tätig, verliert trotz hervorragender Leistungen jedoch ihren Job. Zusammen mit ihrer ebenfalls arbeitsuchenden Mitbewohnerin baut sie mit den wenigen Rücklagen, die sie besitzen, ihre eigene Jobagentur auf. Überstunden, launige Arbeiter ohne Sprachkenntnisse und Bürokratie bestimmen fortan ihren Alltag. Als sie durch Missmanagement ihrer Geschäftspartner (!) ihre Arbeiter nicht ausbezahlen kann, steht sie plötzlich vor dem finanziellen Ruin.
Loach zielt nicht auf das Mitleid seiner Zuschauer ab, sondern verdeutlicht in Gestalt von Angie den schier aussichtslosen Kampf motivierter, fleißiger und trotz Rückschlägen immer weiter kämpfender Menschen, die für ihr Engagement weder Anerkennung noch Hilfe vom Staat bekommen und ohne Eigenverschulden die wirtschaftlichen Fehler anderer ausbaden müssen.
Dank Umsetzung, Verlauf und Hauptdarstellerin ist „It´s a free world“ bei weitem der aufwühlendere, nachvollziehbarere und bessere Film zur aktuellen Krise und deren (erfolgreichen?) Lösung. Diskussion nach Filmende eingeschlossen.

„Der Mann, der niemals lebte“ (Kinostart: 20. November 2008)

Eigentlich sollte diese Rezension mit einem in Worte gefassten Kniefall vor Ridley Scott beginnen. Schon seit Ende der 1970er beschenkt der britische Regisseur das Kino Jahr für Jahr mit außergewöhnlichen Filmen, angefangen bei „Alien“, über „Blade Runner“, „Thelma & Louise“, „Gladiator“ bis hin zu „American Gangster“. Doch lässt die Meldung über sein nächstes Projekt Schlimmes erahnen: „Monopoly“. Ridley Scott verfilmt ein Brettspiel!

Von solcherlei Unfug ist „Der Mann, der niemals lebte“ glücklicherweise weit entfernt, auch wenn der Hauptdarsteller ebenso wie eine machtlose Spielfigur umhergetrieben wird. CIA-Mann Ferris (ein fabelhaft aufspielender Leonardo DiCaprio) erledigt im Nahen Osten jene „dreckigen Jobs“ für seine Regierung, die weder rechtsstaatlich noch moralisch legitimiert sind. Angeleitet wird er dabei von seinem Kollegen Hoffman (Russell Crowe), der vom sicheren Washington aus jede Bewegung und jede Aktion Ferris´ über moderne Spionagetechnik verfolgen kann. So weist er Folterungen vom heimischen Garten aus an, oder klärt seinen Agenten während des Familieneinkaufs über die Notwendigkeit gezielter amerikanischer Eingriffe auf. Ferris indessen bewegt sich auf dünnem Eis: Wem kann er trauen? Wer kennt seine Identität? Als Hoffman ohne Absprache eine separate Aktion startet, steht Ferris plötzlich im Kreuzfeuer - und kämpft ums nackte Überleben.

Politisches Kino aus Hollywood leistet sich selten eine solche Konsequenz, Dichte und offene Kritik an den Methoden der eigenen Regierung wie in „Der Mann, der niemals lebte“. Handwerklich gehört Regisseur Scott seit jeher zu den Meistern seines Fachs, zusammen mit dem spannenden Drehbuch, verfasst von „Departed“-Autor William Monahan, gelingt ihm ein unbequemer und fesselnder Politkrimi im Stil von „Syriana“.