„Der seltsame Fall des Benjamin Button“ (Kinostart: 29. Januar 2009)

Was haben Stanley Kubrick, Terrence Malick und David Fincher gemeinsam? Dreierlei:

1. Filme für die Ewigkeit.
2. Lange Produktionszeiten.
3. Schauspieler, die sich darum reißen, in ihren Werken mitwirken zu dürfen.

Schelm Brad Pitt hat es nun schon zum dritten Mal geschafft, sich bei Fincher einzuschmuggeln, nach „Sieben“, „Fight Club“ und nun „Benjamin Button“ sollte jedoch auch der letzte Zweifler überzeugt sein, das diese beiden Könner wunderbar miteinander harmonieren – zumindest was das Offensichtliche auf der Leinwand angeht. Denn zum einen ist Fincher ein Perfektionist was Recherche, Umsetzung und Stimmung seiner Geschichten und Filme angeht, zum anderen scheint Brad Pitt – glücklicherweise – nicht müde zu werden, seltsame Figuren verkörpern zu wollen; gleich unter welcher Maskerade er dies auch tun muss.

Die Story von „Benjamin Button“ ist eigentlich keine Außergewöhnliche, bietet sie doch nicht mehr als die Biographie eines Lebens. Doch Benjamin (Pitt) hat einen kleinen „Makel“: Er wurde im Körper eines alten Mannes geboren und wird im Laufe seiner 80 Jahre schlicht jünger. Wohlgemerkt: Sein Körper, nicht sein Geist!
Doch wie wird man erwachsen im Körper eines Greises? Wird sein Umfeld ihn akzeptieren? Und wie endet dieses rückwärts gewandte Leben?

Autor Eric Roth („Insider“) tut gut daran, das Leben seines Helden nicht mit großen, spektakulären oder bedeutenden historischen Ereignissen zu verbinden, wie er es beispielsweise in „Forrest Gump“ noch getan hat. Stattdessen macht er schon zu Beginn eines klar: Benjamin steckt „nur“ im falschen Körper, verlebt jedoch wie jeder andere auch alle Phasen des Erwachsenwerdens, des Verliebens, Verlierens, Scheiterns und Siegens. Ein im Inneren „ganz normaler Mensch“, was für die Glaubhaftigkeit der Figur von essenzieller Bedeutung ist.
Von seinem leiblichen Vater an der Haustür der gutherzigen Queenie (wie immer wunderbar: Taraji P. Henson, „Talk To Me“) hinterlassen, wächst er inmitten ihres Arbeitsplatzes, einem Altenpflegeheim auf. Schon früh wird er hier mit der Vergänglichkeit des Daseins konfrontiert, verliert seine Freunde an den Tod und entdeckt selbst die Freuden des Jüngerwerdens.
Bald darauf zieht er aus in die weite Welt, sammelt Erfahrungen, Wissen und Sehnsucht nach der einzigen Frau, die ihm schon „im Kindesalter“ den Atem raubte: Daisy (Cate Blanchett), begnadete Balletttänzerin, weise, schön und ebenso angetan von Benjamin wie seine Zufallsbekanntschaft Elizabeth (Tilda Swinton), mit der er endlos viele Nächte in einem Hotel am anderen Ende der Welt verbringt; liebend, redend und doch ohne Zukunft. Denn das Schicksal hat andere Pläne für diesen Sonderling, dessen Weg ihn zwangsläufig zurück in die Arme der Frau führen soll, mit der er seinen „Lebensmorgen“ verbringen wird.

David Fincher fügt seiner ohnehin großartigen Filmographie mit „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ ein weiteres Schmuckstück hinzu, das wie so oft seine Geschichte auch abseits von Dialogen und Gesten in der visuellen Gestaltung vieler Szenen erzählt. Dazu die fabelhaften, unglaublich detaillierten Masken der Hauptfigur, die es Brad Pitt trotz allem noch erlauben, emotionale Szenen mit solch einer Wucht zu garnieren, dass man zeitweise fast das Atmen vergisst.

Ja, dies ist Kino in Reinform: episch, anspruchsvoll, überraschend, überwältigend. Und - soviel sei schon mal verraten - zusammen mit „The Wrestler“ von Darren Aronofsky (Start: 26. Februar) definitiv einer der Leinwandhöhepunkte des Jahres 2009.

„Das Gesetz der Ehre“ (Kinostart: 22. Januar 2009)

Achtung, jetzt gibt´s Geschimpftes!

Im Genre des Polizeifilms haben sich schon viele versucht, bietet es doch den perfekten Hintergrund für actiongeladene, spannende und verruchte Geschichten, in den korrupte, tapfere, ausgebrannte, gewissenhafte und verrückte Figuren Abenteuerliches erleben. In Fankreisen gilt das Copdrama „Narc“, mit dem der junge Amerikaner Joe Carnahan im Jahr 2002 seinen Einstand als Filmemacher gab, als junger Höhepunkt. Ray Liotta und Jason Patric spielten sich dabei die Seele aus dem Leib, während sie Regieneuling Carnahan stilsicher und routiniert durch seine selbst verfasste, dunkle Geschichte trieb.

Doch warum diese lange Vorrede? Nun, Joe Carnahan ist einer der beiden Autoren von „Das Gesetz der Ehre“. Schreiberling Nummer zwei ist sogleich auch Regisseur und somit in einer weiteren Kategorie schuldig im Sinne der Anklage.
Die Geschichte ist so alt wie öde: Ein Hinterhalt knipst vier New Yorker Polizisten die Lebenslichter aus, deren Chef (Jon Voight) übergibt die Ermittlungen in diesem brisanten Fall seinem Sohn (Edward Norton), der clever genug ist um zu schnallen, dass einige seiner Kollegen, darunter sein Schwager (Colin Farrell) und Bruder (Noah Emmerich), Böses im Schilde führen und die Täter des Massakers über andere Wege bereits persönlich kennen. Der familieninterne Zwist ist vorprogrammiert, bis es jedoch dazu kommt, präsentiert „Das Gesetz der Ehre“ allerhand Einblicke in den Alltag der ach so gebeutelten Cops einer amerikanischen Großstadt.

Authentizität war sicherlich eines der ersten Wörter, die im Drehbuch von Gavin O´Connor & Joe Carnahan auftauchten. Doch in dem Bemühen, diese (wie beispielweise in „Narc“) sowohl inhaltlich als auch optisch zu transportieren, hat O´Connor wohl die Drehknöpfe an seinem Perpetuum Mobile verwechselt. Pseudotiefgründiges Gebrabbel seiner zweifelnden Charaktere wechselt sich ab mit „Actionszenen“, die mittels Verdunkelung, Handkamera und ständiger Bewegung für Aufregung sorgen sollen, dabei aber – besonders in der Eröffnungssequenz – ein Nichts an Atmosphäre, geschweige denn Sichtbarem produzieren. Selten stand eine Kamera so oft so dämlich in einer Szenerie wie hier: nämlich stets dort, wo man als Zuschauer nichts sehen kann. Hat jemand vergessen dem Kameramann darüber zu informieren, dass ein Kinobesucher nicht um die Leinwand Drumherum gehen kann?
Nicht weniger ärgerlich gestaltet sich die Entwicklung der Figuren, die vom Drehbuch zwar alle eine Motivation für ihr Handeln geschenkt bekommen, jedoch zu Gunsten des knalligen Finales mal eben ihr ganzes Leben in die Tonne kloppen.

Wenn es einen Lichtblick in diesem Totalausfall an filmischer Kinokunst gibt, dann die Darsteller, die zwar allesamt schon sehr viel bessere Rollen gespielt haben, im engen Rahmen dieser Familiengeschichte jedoch passabel und/oder gut agieren. Schade um deren Talent …

„Der fremde Sohn“ (Kinostart: 22. Januar 2009)

Clint Eastwood ist ein Superlativ in Menschengestalt: 78 Jahre alt, Schauspieler seit seinem 25. Lebensjahr, Regisseur von inzwischen 32 Filmen (# 33, ein Film über Nelson Mandela, befindet sich in der Vorproduktion), Musiker und im Jahre 2002 sogar Sprecher für einen Audiovisuellen Rundgang in einer Ausstellung des Secret Service in Washington, D.C.. Nur ein kleiner Abriss aus dem Leben des Jazzliebhabers und mehrfachen Oscarpreisträgers.

Für sein aktuelles, jedoch nicht neuestes Werk (denn das startet bereits am 5. März in den hiesigen Kinos) hat er sich einer realen Begebenheit aus den 1920er Jahren gewidmet, die dank seiner Raffinesse als Filmemacher jedoch problemlos auch in die aktuelle Zeitgeschichte transportiert werden kann. Doch dann wäre dem Zuschauer die nahezu perfekte Wiederbelebung eben jener Vergangenheit entgangen, die Eastwood und seine Mannschaft auf die Leinwand gezaubert hat. Ob Kostüme, Settings, Makeup oder Fahrzeuge: „Der fremde Sohn“ ist bei aller Dramatik und Spannung vor allem auch eine visuelle Reise in das junge 20. Jahrhundert.

Das Drehbuch selbst spannt einen weiten Bogen vom Familienporträt über ein Entführungsdrama bis hin zum Thrillergenre und hat einige handfeste Überraschungen zu bieten. Diese verschiedenen Genres glaubhaft miteinander zu verbinden, war schon immer eines von Eastwoods großen Talenten (siehe zum Beispiel „Million Dollar Baby“). Da verzeiht man ihm auch gern manche Überlänge - zumal diese bei solch hervorragender Arbeit wie hier in keiner Sekunde spürbar wird.

Christine (Angelina Jolie) arbeitet als Gruppenleiterin bei der Telefonauskunft von Los Angeles. Als sie eines Tages nach Hause kommt, ist ihr neunjähriger Sohn verschwunden. Verzweifelt wendet sie sich nach erfolgloser Suche in ihrer Nachbarschaft an die Polizei, die ihr nach fünf Monaten tatsächlich die Rückkehr ihres Kindes ankündigen kann. Doch der Junge, den die erleichterte Mutter am Bahnhof in Empfang nehmen soll, ist nicht ihr Walter. Ihr Verdacht erhärtet sich, als sie ihn trotz aller Zweifel mit nach Hause nimmt und weder Körpergröße noch -merkmale mit denen ihres Sohnes übereinstimmen. Für die Polizei ist Christine lediglich eine hysterische Frau, die den gerade wieder hergestellten positiven Ruf der Ordnungshüter zunichte macht – und deshalb mit allen Mitteln nun die Macht des Staates zu spüren bekommt. Nur ein streitbarer Priester (John Malkovich) glaubt der jungen Mutter und unterstützt sie fortan in ihrem ausweglosen Kampf gegen die Obrigkeit.

„Der fremde Sohn“ hebt sich durch seine ruhige, bedächtige Inszenierung und der fehlenden Hektik wohltuend vom aktuellen Filmeinerlei ab. Klar ist es verständlich, dass jungen Regisseuren von Seiten der produzierenden Studios selten solcher Freiraum bei der Umsetzung ihrer Werke eingeräumt wird wie Ikonen vom Schlage eines Eastwood. Doch zeigt gerade diese Toleranz, wie dank einer derartigen Herangehensweise an einen Stoff ein sehr viel intensiveres, glaubhafteres und schöneres Filmerlebnis entstehen kann. Zudem beweist „Der fremde Sohn“ einmal mehr, dass Jolie tatsächlich eine talentierte Aktrice sein kann, wenn sie sich nicht ständig in filmischem Unsinn á la „Wanted“ verrennen würde.

Fazit: Ein tolles Stück Film, das unterhält, schockiert, fesselt und in Cinemascope (= auf Leinwand) großartig aussieht. Eigentlich nicht zu toppen, es sei denn, Eastwood selbst versucht es - ob es ihm gelungen ist, beweist „Gran Torino“ im März 2009.

„Zeiten des Aufruhrs“ (Kinostart: 15. Januar 2009)

Erschienen im „Meißner Tageblatt“ am 14.01.2009:

Humphrey Bogart & Lauren Bacall, Jack Lemmon & Walter Matthau, Tom Hanks & Meg Ryan – nur einige wenige Beispiele aus der langen Reihe von Traumpaaren, die Hollywood hervorgebracht hat. Seit 1997 gibt es dank „Titanic“ noch ein weiteres: Leonardo DiCaprio & Kate Winslet. In „Zeiten des Aufruhrs“ stehen sie nun erstmals wieder gemeinsam vor der Kamera und beweisen einmal mehr, dass aus den beiden Jungtalenten inzwischen ernst zu nehmende Charakterschauspieler geworden sind.

Unter der Regie von Winslet-Gatte Sam Mendes („American Beauty“) geben sie ein Ehepaar, das im prüden Amerika der 1950er Jahre versucht, den engen Konventionen des Kleinstadtdaseins zu entrinnen und entgegen aller Häme ihres Umfelds in Europa ein neues Leben anfangen will.
Doch dazu braucht es viel Kraft: Denn Frank (DiCaprio) bekommt plötzlich die Chance, seinen verhassten Bürojob in einer höheren Einkommensetage fortzuführen, während April (Winslet) sich immer tiefer in ihr mögliches Traumleben in Paris flüchtet. Schon bald plagen Frank Zweifel, ob er tatsächlich sein langweiliges, aber sicheres Leben für einen naiven Traum seiner Frau wegwerfen soll.

„Zeiten des Aufruhrs“ ist oberflächlich betrachtet nicht mehr als ein Beziehungsdrama. Wie dabei jedoch mit zunehmender Laufzeit mittels feiner Dialoge, nuanciertem Spiel und kleiner Gesten, Blicke oder Berührungen sukzessive das Innenleben der Charaktere freigelegt wird, ist nicht weniger als die Essenz perfekter Schauspielkunst. Mendes unterbricht diesen grandiosen, schmerzhaften Seelenstriptease nur selten mit Außenaufnahmen, was die Enge und den daraus resultierenden Ausbruchswunsch unterstreicht.

Selten war Kino so reduziert und doch so essenziell. Meisterlich!

„Jerichow“ (Kinostart: 8. Januar 2009)

Einen Film von Christian Petzold („Die innere Sicherheit“, „Yella“) zu schauen, ist immer ein Erlebnis. Doch statt im Folgenden eine eigene Kritik zu präsentieren, wähle ich diesmal den Weg des Zitierens - denn den zahlreichen Lobeshymnen auf dem Flyer zum Film ist nichts hinzuzufügen.
Zum Inhalt sei noch erwähnt, dass es sich bei „Jerichow“ um ein stilles Drama handelt, das einen Blick auf drei sehr unterschiedliche Menschen (Benno Fürmann, Nina Hoss, Hilmi Sözer) wirft, die im Nordosten Deutschlands aufeinandertreffen; zunächst auf beruflichen, bald schon privaten Wegen.

Die Zeit:
„Von Anfang an entwickelt „Jerichow“ einen fast physisch erfahrbaren Sog. Er entsteht durch Bilder, die in ihrer Klarheit den deutschen Osten zeigen und doch die Abstraktionskraft einer großen Kinoerzählung besitzen. Und durch Schauspieler, deren Blicke und Körper den Dialogen immer einen Schritt voraus sind … Grandios!“

Süddeutsche Zeitung:
„Petzold zeigt mit „Jerichow“ einmal mehr, wie phantastisch er mit Genreelementen und mit purer Emotion umgeht und am Ende doch von der Welt erzählt, in der wir leben.“

ORF:
„Die Erzählung einer fatalen Leidenschaft, die sich gleichsam brachial und zärtlich ausbreitet … Ein Meisterwerk.“

Village Voice:
„Ein brillant gespielter Thriller von immenser Spannung … Christian Petzold ist einer der aufregendsten Regisseure seit der Glanzzeit des Neuen Deutschen Films.“

Variety:
„Von der ersten Einstellung an ist klar, dass dieser Film nur von Petzold sein kann – Hans Fromms wunderbare Bilder und die Art, wie die Kamera den Zuschauer ins psychologische Herz der Handlung eintauchen lässt, sind die untrüglichen Erkennungszeichen. „Jerichow“ bestätigt Christian Petzold als einen Regisseur von Weltrang.“

Telepolis:
„Benno Fürmanns Auftritt ist von hochgradiger proletarisch-körperlicher Präsenz, der an die besten Zeiten von Klaus Löwitsch erinnert. Nina Hoss kombiniert Zerbrechlichkeit und Kälte in einer Weise, die ihren vielen Auftritten eine weitere faszinierende Facette hinzufügt. Die Entdeckung aber ist Hilmi Sözer, dessen Gesicht man zwar kennt. Aber so tanzen, so weich und dennoch cool sein wie hier, konnte er noch nie.“

kino-zeit:
„Selten war ein Film Noir so gleißend hell, waren die Emotionen und verborgenen Motive, die schmutzigen kleinen Geheimnisse so schonungslos dem hellen Licht des Sommers ausgeliefert wie hier … Petzolds bester Film der letzten Jahre!“

FAZ:
„Ein Kammerspiel der Leidenschaften unter freiem Himmel, ein Picknick am Ostseestrand, eine Scharade am Waldesrand, ein Showdown an der Steilküste am Meer – das sind manchmal fast Operationen am offenen Herzen wie bei Fassbinder.“

„Kurzer Prozess - Righteous Kill“ (Kinostart: 1. Januar 2009)

So muss ein Kinojahr beginnen: Robert De Niro und Al Pacino zusammen auf Zelluloid gebannt, in einem harten Copthriller, inszeniert von einem versierten, erfahrenen Regisseur. Aber Pustekuchen! Alles, was „Kurzer Prozess“ bieten kann, sind zwei Schauspiellegenden, die sich zusammen mit ein paar talentierten Kollegen durch ein unterirdisches Drehbuch kämpfen, das von einem offensichtlich gelangweilten, ideenlosen und stümperhaft arbeitenden Mann hinter der Kamera zum Leben erweckt werden sollte. Es widerstrebt mir zutiefst, diesem ärgerlichen Stück Film eine ausführliche Kritik zu schenken, die über die folgenden warnenden Zeilen hinausgeht.

Inhaltlich krankt der 100minüter an Vorhersehbarkeit und der schlichten Aneinanderreihung bekannter Versatzstücke aus unzähligen Großstadtkrimis, was angesichts des Autors zusätzlich verärgert. Denn Russell Gewirtz lieferte 2006 die fabelhafte Vorlage zu Spike Lees „Inside Man“, wo er klassische Elemente des Genres mit politischen Andeutungen würzte und dafür zu Recht mit Kritikerlob überhäuft wurde.
Optisch leidet „Kurzer Prozess“ an der Unlust des Regisseurs, das Szenario auch nur ansatzweise in eine reizvolle Atmosphäre einzubinden oder zumindest interessante Locations zu verwenden. Bis auf eine Szene, die beide Protagonisten im Split Screen bei einer Vernehmung zeigt, bleiben Kameraarbeit, Schnitt und Setting bedeutungslos.
Viel schlimmer als die inhaltlichen und optischen Mankos wirkt allerdings die Tatsache, dass Jon Avnet, der Urheber dieses filmischen Unkrauts, kein Gefühl dafür zu haben scheint, wie man Giganten wie De Niro, Pacino oder Nebendarsteller Brian Dennehy („Rambo“, 1982) in Szene zu setzen hat. Michael Mann („Heat“) und Francis Ford Coppola („Der Pate, Teil 2“) hingegen, die De Niro und Pacino schon 1995 resp. 1974 zusammenbrachten, haben es nahezu perfekt vorgemacht und schufen vor allem dank ihrer Hauptdarsteller zwei Meisterwerke, die heute als absolute Klassiker gelten.

„Kurzer Prozess“ bleibt mir daher in vielerlei Hinsicht ein Rätsel: Warum geben sich De Niro und Pacino mit solch einem Drehbuchwisch zufrieden, der ohne ihre Beteiligung nur als Videothekenware eine Chance gehabt hätte? Wie kann es Autor Gewirtz wagen, solch einen Blödsinn überhaupt zu veröffentlichen? Und warum nur erklärte sich Pacino nach dem Vorjahresflop „88 Minutes“, der sogar in den USA nur auf DVD erschien, erneut bereit, mit Nichttalent Jon Avnet einen weiteren Film zu drehen? Dessen künstlerisch einzig gehaltvoller Beitrag („Grüne Tomaten“) liegt immerhin schon 18 Jahre zurück…

Shame on all of you!