Heimkino-Tipp: „Geständnisse“ (2010)


Eine Ansammlung von Superlativen wäre wohl die einzige halbwegs gerechtfertigte Rezension über Tetsuya Nakashimas Ausnahmewerk „Geständnisse – Confessions“. Denn: Verstörender, aufregender, außergewöhnlicher geht kaum.

Das zeigt sich bereits zu Beginn dieses irgendwo zwischen Psychothriller, Horrorfilm und Gesellschaftsdrama angesiedelten cineastischen Albtraums aus Bild und Ton. Dies ist keineswegs negativ gemeint, vielmehr ein Versuch, das Gesehene/Gehörte halbwegs akkurat zu beschreiben. Unterteilt in mehrere Kapitel, Geständnisse, die die fortschreitende Handlung jeweils aus der Sicht eines anderen beschreiben, lässt der Film sein verdutztes Publikum eine perfide Rachephantasie miterleben, die in Teilen auch blutig daherkommt, seine Protagonisten (und mitleidenden Zuschauer) jedoch vielmehr psychologisch an Grenzen bringt. Wohlgemerkt: Das alles klingt möglicherweise abstoßend, ist aber nur der Hintergrund für ein Genresprengendes Stück Film, das mutiger kaum sein könnte.

Das erste Geständnis im Film macht die Lehrerin Yuko Moriguchi (Takako Matsu) vor ihrer tobenden Klasse kurz vor Ferienbeginn. Sie erzählt von der Liebe zu einem Mann, seiner HIV-Infektion, einem Kind der Liebe und dessen Tod durch die Hand zweier Jugendlicher, die ob ihres Alters vom Gesetz her noch nicht für ihr Handeln belangt werden können. Aber Yuko kann. Denn sie weiß, wer die Täter sind und wird diese nun bestrafen – indem sie ihnen das Blut ihres kranken Gatten in die Milch mischt.
Der Zuschauer wie auch die Klassenkameraden wissen zu diesem Zeitpunkt längst, wer gemeint ist, und während der Eine sich daraufhin zu Hause eingräbt, einem Zombie gleich sein (Rest-)Dasein fristet und die eigene Mutter zunehmend zur Verzweiflung bringt, wagt es der andere, weiterhin in die Schule zu gehen – und sich der Häme, des Spotts und der Verachtung seiner Mitschüler auszusetzen.
Hier beginnt das zweite Geständnis, das die Geschichte nun aus Sicht einer der Schülerinnen erzählt, das Mobbing im Klassenraum zeigt und dem Film eine neue Handlungsebene eröffnet. Dieses Stilmittel nutzt Regisseur Nakashima immer wieder und taucht dabei fast unmerklich tiefer und tiefer in die Seelen seiner Figuren ein, um deren Motivation zu verdeutlichen – bis zum bitteren Ende.

Formal geht „Geständnisse – Confessions“ auch ungewöhnliche Wege. So breitet der Film die erste Episode auf nicht weniger als eine halbe Stunde aus, in denen die Lehrerin lediglich ihre Geschichte erzählt. Allerdings in einer Art und Weise, die bereits nach den ersten fünf Minuten einen Sog entfaltet, der bis zum Abspann auch nicht nachlässt. Ein Großteil der Szenen ist zudem nur in Zeitlupe zu sehen, was die perfekte Komposition der eingefangenen Bilder noch einmal unterstreicht. Man starrt, staunt, schluckt.
Vielleicht auch, da Nakashimas Adaption einer Geschichte von Kanae Minato etliche Verweise auf die japanische Gesellschaft enthält, deren Missstände und Tabus als Auslöser für all die Katastrophen gelten können, die den Figuren widerfahren: Mobbing, Gewalt unter Schülern, Aids, Suizid, Amokläufe, die Rolle der (egal ob verheiratet oder nicht) überforderten, alleinerziehenden Mutter, der Wunsch nach Anerkennung – nichts, was es nicht auch in anderen Kulturkreisen gibt.

Ob Warnung, Unterhaltung oder Filmkunst in einer nahezu perfektionierten Form: „Geständnisse – Confessions“ kann vielfältig interpretiert werden. Verpassen sollte man ihn nicht.

Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und japanischer Sprachfassung, deutsche Untertitel, ein Making of (70 Minuten!), Trailer, sowie – als besonderes Bonbon – ein ausführliches Booklet. Die BluRay beinhaltet darüber hinaus noch zusätzliche Interviews. „Geständnisse - Confessions“ ist erschienen bei Rapid Eye Movies/Al!ve AG und seit 18. November 2011 erhältlich.

Heimkino-Tipp: „Das Lied in mir“ (2010)


Was heißt es eigentlich, ein Naturtalent zu sein? Gewöhnlich ist das eine Person, die, ohne eine entsprechende Ausbildung absolviert zu haben, eine Tätigkeit bravourös, ausgezeichnet, erinnerungswürdig ausführen kann. Auf Aktrice Jessica Schwarz trifft dies zweifellos zu. Nach Model-Arbeit und TV-Moderation scheint sie in der Schauspielerei nun ihre Berufung gefunden zu haben. Wer nach den vielen guten Filmen der vergangenen Jahre („Nichts bereuen“, „Der Rote Kakadu“, „Die Tür“), Kritikerpreisen und meiner Schwärmerei immer noch zweifelt, dem sei „Das Lied in mir“ ans Herz gelegt, in dem sie zwar wenig spricht, aber doch viel zu sagen hat, wie es ein Journalisten-Kollege zum Kinostart treffend formulierte. Eine nuancierte Performance, die Schwarz schlicht brillant gibt und für die sie in der Tat kaum Worte benötigt.

Das Regiedebüt von Florian Cossen beginnt mit einem Zufall: Auf dem Flughafen in Buenos Aires nimmt Maria (Schwarz) eine Frau wahr, die ihrem Baby ein spanisches Kinderlied vorsummt. Ohne das Lied zu kennen, singt Maria den Text mit und bricht kurz darauf völlig aufgelöst zusammen. Der Flug ist pfutsch, aber Maria will die Zeit bis zur Weiterreise nutzen, um diesem seltsamen Vorfall auf den Grund zu gehen. Kurz darauf steht ihr überraschend ihr Vater Anton (nicht minder großartig: Michael Gwisdek) im Hotel gegenüber, in das sich Maria vorübergehend eingemietet hat. Er gesteht ihr, dass er lediglich ihr Ziehvater sei und ihre wahre Familie aus Argentinien stamme. Eine Wahrheit, die er ihr nahezu 30 Jahre verschwiegen hat. Verstört und neugierig will sie nun ihre Verwandten wiederfinden.

Was als Identitätssuche einer jungen Frau beginnt, entwickelt sich mit zunehmender Laufzeit zu einer bewegenden Bestandsaufnahme eines Landes, in dem die Folgen einer jahrelangen Diktatur noch immer präsent sind. Für ein Erstlingswerk eines deutschen Filmemachers ein beachtliches Thema, das leicht in den Untiefen einer schmalzigen TV-Produktion hätte enden können. Cossen und seine Co-Autorin Elena von Saucken haben in ihrem klugen Drehbuch allerdings Figuren erschaffen, die Brüche haben, Geheimnisse in sich tragen und alles andere als eindimensional sind. So hadert Maria nach der erschütternden Enthüllung ihres ‚Vaters’ Anton am Frühstückstisch, ob sie ihn verdammen oder dankbar gegenüber treten soll. Fakt ist, er hat sie ihrer Wurzeln beraubt, sie nach Deutschland entführt und ist nicht bereit, seine Tat als verwerflich zu bereuen. Fakt ist aber ebenso, dass Maria als Kind von Regierungskritikern ohne Antons Hilfe in Argentinien wohl nicht überlebt hätte. Marias wiederentdeckte Tante (Beatriz Spelzini) fordert zwar vehement eine Bestrafung des Entführers. Aber kann und will Maria den Mann, bei dem sie glücklich aufgewachsen ist, von einem Augenblick auf den anderen aus ihrem Leben verbannen?
Nicht anders verhält es sich mit Alejandro (Rafael Ferro), einem Polizisten, der Maria als Übersetzer zur Seite steht. Er weiß, dass sein Vater Teil des Unterdrückungsapparates war, wagt es aber aus Angst vor schmerzhaften Wahrheiten nicht, ihn danach zu fragen. Quasi als Absolution für dessen Taten, hilft er Maria und ihrer neugewonnenen, wiedergefundenen Familie beim Kennenlernen.

Bei dieser Anzahl von Charakteren, die jeder ihr eigenes Päckchen zu tragen haben, ist eine für alle Seiten befriedigende Auflösung kaum möglich. Dass Regisseur Cossen seinen Film schlussendlich auf eine Weise enden lässt, bei der einige Fragen unbeantwortet bleiben, wird nicht jedem Zuschauer schmecken. Cossen deshalb jedoch Feigheit vor einer klaren Aussage vorzuwerfen, wäre nicht gerechtfertigt. Seine Entscheidung resultiert wohl eher aus dem Wissen, dass ein Prozess der Selbstfindung, das Zusammenwachsen einer Familie, das Akzeptieren von menschlichen Schwächen und das Nachwirken historischer Ereignisse nicht in 90 Spielfilmminuten abgehandelt werden können. Warum dann aber all das in einen einzigen Film packen? Vielleicht weil es nicht voneinander trennbar ist. Und weil es „Das Lied in mir“ zu einem bemerkenswert mutigen Film macht.

Die DVD bietet den Film in deutscher Fassung mit spanischen und englischen Textpassagen (untertitelt). Als Extras gibt gestrichene Szenen, kurze, aber schön anzusehende Fotosammlungen (Bilder vom Set und von den Drehorten), ein kurzes Stadtporträt von Buenos Aires, sowie einen Audiokommentar und Trailer. „Das Lied in mir“ ist erschienen bei Schwarz Weiss Filmverleih / Indigo und seit 11. November 2011 erhältlich.

„Der Fall Chodorkowski“ (Kinostart: 17. November 2011)

Es mutet schon ein wenig seltsam an: Besucht der russische Ministerpräsident Wladimir Putin die sächsische Landeshauptstadt, so wird er dort stets ehrenvoll und stolz empfangen. Immerhin lebte er mehrere Jahre in Dresden und wurde hier zum zweiten Mal Vater. Dass sein Aufenthalt vornehmlich beruflich bedingt war – in Funktion eines KGB-Offiziers – gerät dabei gern in Vergessenheit. Umso bedeutender erscheint die Ankündigung, dass der Regisseur Cyril Tuschi am kommenden Freitag (18.11.2011, 20 Uhr, Filmtheater Schauburg) Station in Dresden macht, wo er seine Dokumentation „Der Fall Chodorkowski“ vorstellen will.

Der über fünf Jahre entstandene Film widmet sich einem der spektakulärsten und gleichsam umstrittensten Prozesse der russischen Justizgeschichte. Michail Chodorkowski, einst der wichtigste und reichste Unternehmer in Putins Reich, sitzt seit 2003 im Gefängnis. Offizielle Begründung: Steuerhinterziehung. Seit seiner Verhaftung ist es international jedoch ein offenes Geheimnis, dass der Ölmagnat und Intimfeind von Putin aus politischem Kalkül aus dem Verkehr gezogen wurde. Denn obwohl er zunächst selbst vom „System Putin“ profitierte, unterstützte er später die politische Opposition und kritisierte offen die Korruption im Lande.

Der Autor und Filmemacher Tuschi vermeidet es, Chodorkowski plump zu heroisieren oder Putin an den Pranger zu stellen. Vielmehr gelingt ihm ein souverän recherchiertes, detailliertes Porträt eines Mannes, das er ausgewogen und spannend aufbereitet, dabei aber auch das knallharte kapitalistische Kalkül von Chodorkowskis Handeln verdeutlicht. Interessante Interviewpartner wie Joschka Fischer geben zudem Einblicke in politische Gegebenheiten, animierte Sequenzen zeigen Szenen, die nur auf Vermutungen basieren. Tuschi ist somit auch auf optischer Ebene ein fabelhafter Wirtschaftskrimi gelungen, der den Blick auf gesellschaftliche Zusammenhänge schärft und statt Polemik Fakten präsentiert. Das war wohl auch der Grund, weshalb gleich zweimal (u.a. kurz vor der Uraufführung auf der Berlinale 2011) im Büro des Regisseurs eingebrochen und Festplatten mit dem Film von Unbekannten entwendet wurden.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 16. November 2011.

... im Nachgang: „Melancholia“ (Kinostart: 06.10.2011)

Siehe da, die Welt ist (noch) nicht untergegangen. Wie es hätte aussehen können, zeigt Lars von Trier in „Melancholia“. Was wir vom Kinokalender Dresden dazu zu sagen haben, lest ihr HIER.

... im Nachgang: „Mein bester Feind“ (Kinostart: 01.09.2011)

In der Oktoberausgabe des Kinokalender Dresden widmeten wir uns in der (Streit-)Kolumne „... im Nachgang“ dem Film „Mein bester Feind“. Das Ergebnis findet sich HIER.

Heimkino-Tipp: „Mütter und Töchter“ (2009)


Wer hinter diesem Titel eine romantische Komödie oder ein Drama, zugeschnitten auf das weibliche Publikum vermutet, wird überrascht sein. „Mütter und Töchter“ von Rodrigo Garcia hat zwar wie so oft in dessen Filmen hauptsächlich weibliche Protagonisten. Doch was er mit ihnen und über sie erzählt, könnte nicht weiter von – frau verzeih mir diese verbale Spitze – essenziellen Problemfilmchen à la „Sex and the City“ entfernt sein.

Rodrigo hatte schon mit „Gefühle, die man sieht“ bewiesen, dass er eine prominente weibliche Darstellerriege wunderbar führen kann. Waren es in dem bewegenden Episodenstreifen aus dem Jahr 2000 u.a. noch Glenn Close, Cameron Diaz, Holly Hunter und Amy Brenneman, so konnte er diesmal Annette Bening, Naomi Watts und Kerry Washington (sowie abermals in einer Nebenrolle: Amy Brenneman) für sein nachdenklich stimmendes Skript gewinnen. Ein Skript, das nuanciertes Schauspiel und Emotionalität verlangt, ohne dabei im Kitsch zu ertrinken – was dem fabelhaften Cast wunderbar gelingt.

„Mutter und Töchter“ stellt drei Frauen (Karen, Elizabeth, Lucy) in den Mittelpunkt, die auf unterschiedliche Weise mit Mutterschaft konfrontiert werden: Karen (Bening) hat einst als 14-Jährige ihr Kind zur Adoption freigegeben, dies jedoch nie überwinden können. Ihre Tochter Elizabeth (Watts), von der sie (noch) nichts weiß, verschwendet zunächst keinen Gedanken an ihre Mutter („ihre Scheiß-Majestät“) und lenkt sich lieber mit Arbeit und einer Affäre mit ihrem Chef (Samuel L. Jackson) ab. Lucy (Washington) hingegen wünscht sich sehnlichst ein Kind und möchte nun eines adoptieren. Ihre eigene Mutter ist davon jedoch zunächst wenig begeistert.

Regisseur/Autor Rodrigo ist nicht daran interessiert, seinen Damen lediglich etwas Romantisches widerfahren zu lassen, nur um deren Leben eine neue Richtung zu geben. Vielmehr ist ihm mit „Mütter und Töchter“ eine präzise Studie gelungen, die vieles über zwischenmenschliche Beziehungen entlarvt und deutet, sei es von Mutter zu Tochter, von Frau zu Frau oder in einer Liebesbeziehung von Mann und Frau. Bemerkenswert dabei, wie viel Zeit und Raum der Film seinen Figuren zu ihrer Entfaltung lässt. So sind sie nicht nur als ‚Typen‘ zu sehen, die handeln wie es das Drehbuch vorgibt, sondern tatsächlich Menschen, die aus bestimmten Erfahrungen heraus ihre Lehren gezogen haben und nun dementsprechend auf ihre Umwelt reagieren. Sei es Karen, die das Flirten ihres neuen Kollegen (endlich wieder auf Film: Jimmy Smits) anfangs schroff abweist, oder Elizabeth, die selbst beim Quickie mit ihrem Boss die Kontrolle behält. Gleichzeitig gelingen Rodrigo immer wieder Szenen, die unvorhersehbar und spontan wirken, im Kontext der Charakterentwicklung allerdings stimmig sind. Das alles geschieht natürlich nicht mit großem Tamtam, sondern mit kleinen Gesten, Blicken und punktgenauen Dialogen, ergo: großem Darstellerkino.

So werden vielleicht einige Zuschauer am Ende ein Taschentuch zücken, wenn „Mütter und Töchter“ wenig überraschend zwar, aber doch wunderbar fotografiert, die drei Lebensgeschichten zusammenführt. Wem das zu peinlich ist, der darf sich gern auf meine Ausrede für das Schluchzen stützen: Es sind Tränen der Freude für 122 Minuten großartigster Schauspiel- und Filmkunst.

Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Sprachfassung, deutsche Untertitel, Making of, Interviews und Trailer. „Mutter und Töchter“ ist erschienen bei universum film und seit 16. September erhältlich.

Heimkino-Tipp: „Space Rangers“ (1992/1993)


TV-Serien haben in der vergangenen Dekade dank der Erst- oder Wiederveröffentlichung auf dem DVD-Medium sehr viel an Popularität gewonnen. Die Unabhängigkeit vom wöchentlichen Ausstrahlungstermin im Fernsehen, die Möglichkeit, mehrere Folgen am Stück ohne Werbeunterbrechung oder Wartezeiten zu schauen, hat eine ganz neue Fankultur entstehen lassen, die so zuvor noch nicht existierte. Schöner Nebeneffekt: Auch längst vergessene Kleinode, die seit Jahren nicht mehr im TV zu sehen waren, können nun wiederentdeckt werden.

Für mich persönlich zählt die kurzlebige Sci-Fi-Serie „Space Rangers“ zu jenen vergessenen ‚Fernsehjuwelen‘ (passenderweise auch der Name des veröffentlichenden Verlags). Gerade einmal sechs Episoden wurden Anfang der 1990er-Jahre hiervon produziert, bevor die Serie eingestellt wurde. Die Gründe waren vielfältig: Zu groß die Konkurrenz zeitgleich gestarteter Formate wie „Star Trek: Deep Space Nine“, bescheidene Effekte und unsinnige Entscheidungen seitens des produzierenden Senders CBS (so wurde die Ausstrahlung mit der dritten Folge begonnen, der einführende Pilotfilm erst später nachgereicht). Im Jahr 1994 war „Space Rangers“ dann auch im deutschen TV – in korrekter Reihenfolge und vollständig – zu bewundern. Allerdings war die Serie zu diesem Zeitpunkt für die Macher bereits seit zwei Jahren Geschichte.

Das von Pen Densham („Outer Limits“) entwickelte Konzept erzählt von den Abenteuern einer Gruppe von Gesetzeshütern, die im Jahr 2104 an einem abgelegenen Außenposten in den Weiten des Alls für Recht und Ordnung sorgen. Unter dem Kommando der kratzigen Chennault (immerhin: Oscar-Preisträgerin Linda Hunt) begibt sich John Boon (Jeff Kaake) zusammen mit seinem Team auf Missionen „an den Rand des Wilden Westen Weltall“. Neben einem mundfaulen, böse dreinblickenden Außerirdischen namens Zylyn (Mr. Spock lässt grüßen), zählen dazu u.a. noch ein Mechaniker mit großer Klappe, eine kampferprobte Blondine und ein Nachwuchs-Ranger, der sich erst noch beweisen muss. Alles drin also für kurzweilige, witzige und unterhaltsame Episoden.

Eine gewisse Bereitschaft für trashige Sets und hölzerne Dialoge sollte man als Zuschauer schon mitbringen, um „Space Rangers“ genießen zu können. Die Budgetknappheit ist den Folgen leider anzusehen, allerdings lässt sich auch nicht leugnen, dass einige der Darsteller ihre Rollen mit einem unübersehbaren Augenzwinkern versehen haben. Den Machern und Beteiligten fehlendes Engagement vorzuwerfen, wäre jedoch unfair. Gute Ideen waren vorhanden, die Umsetzung so gut wie eben machbar und die Geschichten hier und da auch spannend. Von inszenatorischer Klasse heutiger Serien zwar meilenweit entfernt, doch im Rahmen der Entstehungszeit (1992) akzeptabel.

Was bleibt ist die Erinnerung an eine ambitionierte Serie, die mit etwas mehr Mut seitens der Geldgeber vielleicht mehr Schauwerte und eine interessante Alternative zum „Star Trek“-Serienkosmos hätte bieten können. Unterhaltsam ist sie allemal.

Die DVD-Box bietet alle sechs Folgen in deutsch synchronisierter und englischer Sprachfassung sowie einen Trailer. Ein sehr informatives und mit viel Enthusiasmus gestaltetes Booklet mit aktuellen Interviews, Hintergrundinfos und Inhaltsangaben ergänzt das Set. „Space Rangers“ ist erschienen bei fernsehjuwelen/AL!VE AG und seit 23. September erhältlich.

„Melancholia“ (Kinostart: 6. Oktober 2011)

Genial, verrückt, mutig, untragbar – Lars von Trier ist seit jeher ein Künstler, der sein Publikum spaltet. Der dänische Regisseur und Drehbuchautor sorgt seit vielen Jahren immer wieder für Aufsehen, sei es mit seinem filmischen Schaffen („Dogville“, „Antichrist“) oder, wie zuletzt im Mai 2011 während der Filmfestspiele von Cannes, aufgrund von provozierenden Äußerungen, die sogar von Triers Rauswurf zur Folge hatten. Allen verbalen Entgleisungen zum Trotz heimste sein Film immerhin die Silberne Palme für die Beste Hauptdarstellerin (Kirsten Dunst) ein.

In „Melancholia“ ist sie als Justine zu sehen, die im Kreise ihrer Familie ihren Hochzeitstag begeht. Von ihrer Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) nach besten Kräften unterstützt, versucht Justine ihre depressiven Phasen zumindest für einen Abend zu unterdrücken und das Fest zu genießen. Allerdings gelingt ihr das im Laufe der Feierlichkeiten immer weniger. Einzig das Herannahen eines Planeten namens Melancholia kann Justine entspannen, verheißt sein Aufprall auf die Erde doch das Ende allen Lebens.

Wie schon in „Antichrist“ macht von Trier kein Geheimnis daraus, dass sein neuestes Werk viel Persönliches in sich trägt: „Ich denke, dass Justine sehr mir selbst entspricht. Sie basiert zu weiten Teilen auf meiner Person und meinen eigenen Erfahrungen mit Prophezeiungen vom Jüngsten Tag und Depression. Claire dagegen sehe ich eher als… ganz normalen Menschen“. Sie ist es daher auch, an die sich der Zuschauer in diesem von Minimalimus (Dialoge und Handlung) geprägten Film klammern sollte, um nicht selbst schon nach dem bedrückend schönen Prolog in Melancholie zu ertrinken. Denn von Triers bildgewaltige Liebeserklärung an die Epoche der Romantik lässt keinen Zweifel daran, dass die Mehrheit der Menschen ob ihres Verhaltens das Ende verdient hat. Ergo: Beinahe bösartig nimmt von Trier Claire jede Hoffnung auf Rettung und erfreut sich (mit Justine) an der Unausweichlichkeit des Todes.

Ironie? Provokation? Misanthropie? Was immer von Trier letztendlich antreibt, sein Kino ist und bleibt verstörend, fordernd, einzigartig – und sehenswert.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 5. Oktober 2011.

„Colombiana“ (Kinostart: 15. September 2011)

Premiere auf diesem Blog: Erstmalig (aber hoffentlich nicht letztmalig) gibt es einen Gastbeitrag. Meine sehr geschätzte Kollegin vom „Meißner Tageblatt“, Franziska Schröter, hat eine wunderbare Rezension zu „Colombiana“ verfasst. Lesen und genießen:

Sex sells! Das war schon immer so. Ist ja auch schön und wirklich ansehnlich, wenn eine heiße Braut wie Zoe Saldana („Avatar“, „Star Trek“) mal zeigen kann, was sie hat... äh, kann. Das macht sich auch Regisseur Oliver Megaton zu Nutze und hält in „Colombiana“ tapfer drauf. Bauch, Beine, Po – alles da, alles knackig. Ist das schön anzusehen? Definitiv ja! Trägt das einen Actionfilm, oder eine Rache-Geschichte, die all ihre Lieben an skrupellose Mörder verliert? Definitiv nicht!

Kultcineast Luc Besson hat hier seinen Namen und sein Drehbuch für einen Streifen hergegeben, der weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Saldana gibt die Figur des sexy knallharten und doch tief einsamen Racheengels Cataleya durchaus überzeugend. Stark sind die Momente, wo die Kamera einmal still steht, sich Zeit nimmt für die ausdrucksstarken Züge der Hauptfigur. Dies passiert leider viel zu selten. Regisseur Megaton („Transporter 3“) macht seinem Namen alle Ehre und fährt mega auf – Tonnen an Pyro und BumBum. Die Kamera verharrt nur selten, Auge und Gehirn kommen oft zu spät, wenn Kameraschwenk, Zeitraffer und interne Szenenbewegung gemeinsam dafür sorgen, dass man auch wirklich nichts erkennt bei den Kampfszenen und Verfolgungsjagden. Davon gibt es eine Menge und es ist schade, dass Megaton seinen gelegentlich schönen Bildern selbst so wenig zutraut.

Vielmehr vergeht er sich in technischen Spielereien und immer neuen Schlupflöchern für Cataleya, die clevere sympathische Serienkillerin, die ihren Feinden immer zwei bis drei Schritte voraus ist. Das wird irgendwann zur Gewohnheit und man hört auf, mit der Hauptfigur mitzufiebern.

Alles in allem ist „Colombiana“ leicht verdauliche Massenware ohne prägenden Effekt. Quasi ein Quickie...

Franziska Schröter
Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 21. September 2011.

... im Nachgang: „Planet der Affen - Prevolution“ (Kinostart: 11.08.2011)

Zwar haben wir uns nicht mit Bananen beworfen, aber Worte flogen schon - HIER eine Pro/Contra-Rezension zum neuesten Affenabenteuer.

Heimkino-Tipp: „In einer besseren Welt“ (2010)


Innerhalb von nur etwa 15 Jahren hat sich das skandinavische Kino einen festen Platz auf dem internationalen Filmmarkt erkämpft. Seine Macher sind inzwischen weltweit anerkannte – und im Falle von Lars von Trier auch gefürchtete – Künstler, etliche ursprünglich in Europa entstandene Werke wurden und werden bereits von Hollywood adaptiert (z.B. „So finster die Nacht“, „Verblendung“).

Neben von Trier sind es vor allem Bent Hamer („Kitchen Stories“, „Factotum“), Anders Thomas Jensen („Adams Äpfel“) und Susanne Bier („Nach der Hochzeit“, „Things we lost in the fire“), die immer wieder für Furore sorgen. Letztere gewann für „In einer besseren Welt“ 2010 den Oscar (‚Bester fremdsprachiger Film‘), der nun auf DVD/BluRay erschienen ist.

Ihre vierte Zusammenarbeit mit Jensen als Autor ist auch diesmal wieder – und das ist durchaus positiv zu verstehen – alles andere als leicht verdauliche Kost. Tatsächlich ist es eine schöne Konstante in der Arbeit der beiden, dass sie es verstehen, schwierige Themen in spannende und ansprechende Filme umzusetzen, die unterhalten und gleichsam zu Diskussionen anregen können.

Verpackt in den Mantel eines Melodrams wirft „In einer besseren Welt“ in verschiedenen Variationen die Frage nach dem Sinn und dem moralischen Wert von Rache auf.
Der Arzt Anton (Mikael Persbrandt) arbeitet in einem afrikanischen Flüchtlingslager und wird dort mit verwundeten und geschändeten Menschen konfrontiert, die einem Warlord namens „Big Man“ zum Opfer fielen. Zuhause in Dänemark versucht er, seine Ehe mit der Ärztin Marianne (Trine Dyrholm) zu retten, während sein Sohn Elias (Markus Rygaard) täglich auf dem Schulhof von älteren Mitschülern gemobbt und verletzt wird. Fest davon überzeugt, dass dieses zweite Problem mit „konstruktiven Vorschlägen“ zu lösen sei, lässt er die Sache nach einem klärenden Gespräch mit Lehrern auf sich beruhen. Und auch gegenüber seiner (Noch-)Ehefrau verhält er sich eher passiv und bringt nicht mehr zustande als ein ins Telefon gehauchtes „Entschuldigung“.

Elias neuer Klassenkamerad Christian (William Jøhnk Nielsen) denkt da anders. Soeben mit seinem verwitweten Vater (Ulrich Thomsen) von London nach Dänemark zurückgekehrt, bedroht er Eliasʼ Peiniger mit einem Messer und fordert ihn auf, Elias nicht mehr zu belästigen. Für Christian ist klar: Nur wer sich wehrt, kann sein Gegenüber auch besiegen. Er fühlt sich umso mehr darin bestätigt, als er Zeuge wird, wie ein Fremder Elias Vater Anton auf einem Spielplatz grundlos attackiert und ohrfeigt. Der Vorgang wiederholt sich einige Tage später als Anton den Mann an seinem Arbeitsplatz zur Rede stellt. Und trotzdem: Anton behauptet, der moralische Sieger zu sein, auch wenn er körperlich einstecken musste. Denn außer Gewalt habe sein Gegner keinerlei Macht und Argumente. Verärgert über diese in seinen Augen feige Reaktion will Christian dem Schläger daraufhin mit einer selbstgebauten Bombe einen Denkzettel verpassen. Währenddessen wird Anton in Afrika persönlich mit „Big Man“ konfrontiert, der den Arzt vor den Augen seiner Opfer um Hilfe bittet.

So komplex die Handlung auch erscheinen mag, „In einer besseren Welt“ schafft es, all diese Geschichten in einem glaubhaften Geflecht miteinander zu verbinden. Alle Figuren stehen an einem Punkt des Films vor Situationen, in denen sie das ‚moralisch Richtige‘ gegen das Gefühl der Rache und Genugtuung abwägen müssen. Situationen, die dank des glaubhaften Settings, fantastischer Darsteller und einer einfachen, realen Optik den Zuschauer zwangsläufig in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen. Ein Film, der auffordert selbst Partei zu ergreifen und über das eigene Verhalten in einem solchen Moment nachzudenken.

Erfreulicherweise vermeiden es Bier/Jensen, das Publikum zu belehren oder selbst eine Lösung vorzugeben. Auch wird nicht klar, welchen Weg die Protagonisten nach dem Gezeigten einschlagen, ob sie ihr Handeln bei der nächsten Konfrontation ändern. Diese Art des offenen Endes kann man sicherlich kritisieren. Oder sich damit abfinden, dass es für manche Geschichten, ebenso wie die Frage nach ‚richtig‘ oder ‚falsch‘, wohl nie ein korrektes Ende bzw. eine korrekte Antwort geben wird ...

... es sei denn, „In einer besseren Welt“ wird irgendwann in Hollywood neu verfilmt.

Die DVD bietet den Film in dänisch/englischer Originalfassung mit optionalen deutschen Untertiteln. Das Bonusmaterial beschränkt sich auf ein Interview mit der Regisseurin, einen Werbeclip für Dänemark und einige Trailer. Ärgerlich: Die Fragen des Interviews wurden durch Schwarzbild ersetzt, zudem sind hierfür keine Untertitel vorhanden. Der Mehrwert des ohnehin sehr kurzen Gesprächs hält sich somit in Grenzen. „In einer besseren Welt“ ist erschienen bei universum film und seit 2. September erhältlich.

Heimkino-Tipp: „Come Early Morning“ (2006)


„Oh Königin, du warst wunderbar!“ Passend zum Titel des Films wurde ich heute Morgen Ohrenzeuge eines Radiobeitrags über den bekannten Theaterkritiker Friedrich Luft (1911-1990). Der lobte einst die Schauspielerin Hermine Körner (1878-1960) mit dem vorangestellten Zitat für einen Auftritt. Herr Luft möge es mir nachsehen, wenn ich seinen Ausspruch nun auch für Ashley Judd und ihre Performance in „Come Early Morning“ adaptiere.

Dieses Drama, bereits im Jahr 2006 entstanden, erzählt von der selbstbewussten (und trinkfesten) Lucy Fowler (Judd), die in einer amerikanischen Kleinstadt lebt, liebt und arbeitet. Wobei sich die Liebe lediglich auf flüchtige One-Night-Stands mit Typen beschränkt, die sie Abend für Abend in ihrer Stammkneipe aufgabelt. Selbst die Beziehung zu ihrem schweigsamen Vater ist kaum als solche existent, auch wenn Lucy beharrlich um seine Aufmerksamkeit kämpft.
Ein wenig Abwechslung scheint der sympathische Neue im Ort zu bringen: Cal (Jeffrey Donovan) umwirbt sie charmant, bittet sie um ein Date und ist so gar nicht bereit, sie nach der ersten gemeinsamen Nacht im Vollrausch ziehen zu lassen. Cal will mehr, möchte mit Lucy Zeit verbringen, lachen, kochen, leben. Die ist von alledem überfordert und beginnt erst allmählich zu begreifen, dass es mehr gibt als hormongesteuerte Idioten und gutgemeinte Beziehungsratschläge ihrer schüchternen Mitbewohnerin.

„Come Early Morning“ einen Liebesfilm zu nennen, wird dem Werk nicht gerecht. Ja, es geht um Gefühle und Leidenschaft, um Frauen und Männer. Dank Hauptdarstellerin Ashley Judd wird daraus jedoch ein bemerkenswertes Porträt einer Frau, das zwischen Tragik, Romantik und Melancholie pendelt und auch nicht ganz unbeschwert zu genießen ist. Die Figur der Lucy ist keinesfalls leicht zu durchschauen, sie handelt impulsiv, abweisend und gibt sich zäh. Erst sukzessive bricht diese harte Schale auf – was die Judd schlicht phänomenal verdeutlicht. Als Beispiel sei hier eine Szene genannt, die auf den ersten Blick Lucy und Cal ‚lediglich‘ beim Liebesspiel zeigt. Allerdings verweilt Debütregisseurin Joey Lauren Adams (sie verfasste auch das Drehbuch und ist vornehmlich als Schauspielerin („Chasing Amy“) tätig) auf dem Gesicht von Judd, die mit unglaublicher Nuancierung das ‚emotionale Erwachen‘ ihrer Lucy darstellt. Warum diese Aktrice noch immer nicht den Status eines Superstars hat, ist mir ein absolutes Rätsel.

Wie zuvor bereits angedeutet, leichte Kost ist „Come Early Morning“ nicht unbedingt. Die Independent-Produktion begeistert vielmehr dank seines beeindruckenden Casts (u.a. auch Stacy Keach, Tim Blake Nelson, Scott Wilson, Diane Ladd), kantiger Charaktere und der scheinbar beiläufig eingefangenen Unaufgeregtheit der Umgebung, die nicht nur eine willkommene Abwechslung zur bekannten Großstadtästhetik ist, sondern gleichzeitig als Spiegel von Lucys Innenleben gelesen werden kann: karg, einsam, aber nicht gefühlskalt.

Außer einigen Trailern bietet die DVD leider keine Extras. Der Film ist in englischer Originalversion und als synchronisierte Fassung auf der Disc enthalten, Untertitel in deutsch vorhanden. „Come Early Morning“ ist erschienen bei universum film und seit 5. August erhältlich.

... im Nachgang: „The Tree of Life“ (Kinostart: 16.06.2011)

Diesmal dauerte es ein wenig länger mit der Veröffentlichung, nichtsdestotrotz möchte ich trotzdem noch auf folgendes Streitgespräch im Kinokalender Dresden verweisen - und zwar HIER.

„Insidious“ (Kinostart: 21. Juli 2011)

Lust, sich im Kino mal wieder richtig schön zu gruseln? Die Sitzlehne zu zerkratzen, nach Luft zu schnappen, die Augen hinter den Händen zu verstecken? Dann sind 100 Minuten „Insidious“ genau das Richtige. Gleich vorweg: Bei dem neuen Film des Duos James Wan (Regie) und Leigh Whannell (Drehbuch) handelt es sich nicht um einen Vertreter des inzwischen kaum mehr zu ertragenden Gewalt-Horror-Genres, bei dem es den Machern darum geht, das Publikum mittels brutaler Folterszenen „zu unterhalten“. Das ist insofern verwunderlich, da Wan/Whannell im Jahr 2004 mit „Saw“ den erfolgreichsten Vertreter dieser Werke erdachten.

Doch das ist Vergangenheit. „Insidious“ zeigt zwei Filmemacher auf dem Zenit ihres Könnens, sowohl inszenatorisch als auch inhaltlich. Das beginnt bereits mit der Titelsequenz: Untermalt von disharmonierenden Orchesterklängen erschaffen sie vom ersten Moment an eine Atmosphäre, die an die großen Gruselklassiker der Vergangenheit erinnert. Was folgt, ist die Geschichte der Familie Lambert (Patrick Wilson, Rose Byrne), die mit ihren drei Kindern in ein prächtiges Vorstadthaus ziehen. Für den Lehrer und seine Musikergattin die Erfüllung eines lang gehegten Traumes. Während seiner Erkundungstouren auf dem Dachboden stürzt Sohn Dalton eines Tages und fällt ins Koma. Die Ratlosigkeit der Ärzte und seltsame Vorkommnisse im Haus führen dazu, dass die Lamberts schließlich noch einmal umziehen. Doch auch in der neuen Umgebung kommt es schnell zu neuen Schreckmomenten.

„Insidious“ ist der lang erhoffte Gegenentwurf für all jene, denen „Saw“ & Co. zu viel Brutalität und zu wenig Substanz boten. Es ist die Rückbesinnung auf künstlerischen Anspruch, geerdete Charaktere und eine Optik, die mit ruhigen, aber streng komponierten Bildern Angstschweiß hervorruft. Ganz große Filmkunst, die erahnen lässt, welches Potenzial in den beiden Machern schlummert.

Hoffentlich bleiben sie der Leinwand noch lange erhalten. Alles andere wäre der blanke Horror.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 20. Juli 2011.

... im Nachgang: „Source Code“ (Kinostart: 02.06.2011)

Lust auf einen Trip zurück in die Vergangenheit? Im Juni 2011 startete der Science-Fiction-Thriller „Source Code“ in den deutschen Kinos. Eine Pro/Contra-Rezension dazu findet sich HIER.

Heimkino-Tipp: „Jack in Love“ (2010)


Als Chauffeur zu arbeiten heißt zurückhaltend, höflich und vor allem aufmerksam zu sein. Nicht nur gegenüber dem Verkehr sondern auch gegenüber seinen Kunden. Gemessen an diesen Qualitäten ist Jack (Philip Seymour Hoffman) der perfekte Mann für diesen Job. Das zeigt sich auch in seinem Äußeren: Unauffällig, aber doch ansehnlich gekleidet, stets mit einem Lächeln auf den Lippen und sympathisch kommt er daher, um seine Passagiere zufriedenzustellen.

Für ihn selbst ist es Reggae-Musik, die glücklich macht: „Rivers of Babylon“ von den Melodians ist sein Gute-Laune-Song, passend dazu versteckt er sogar ein paar Dreadlocks unter seiner Mütze. Nur das mit der Liebe hat bisher noch nicht so ganz funktioniert. Aber dank seines besten Freundes Clyde (John Ortiz) und dessen Frau Lucy (Daphne Rubin-Vega) könnte sich das bald ändern. Denn die beiden möchten Jack mit Lucys neuer Kollegin Connie (Amy Ryan) bekanntmachen. Auch so ein verhuschtes Exemplar – liebenswert, ein wenig eigen und ebenso auf der Suche nach etwas Geborgenheit.

Schon das erste gemeinsame Abendessen zu viert fühlt sich gut an. Jack und Connie verabreden sich sogar auf eine Fortsetzung, zum Bootfahren soll’s gehen im New Yorker Central Park, irgendwann im Sommer. Zum Glück ist der noch ein Stück entfernt, denn Jack kann (noch) nicht schwimmen. Aber auch da kann der beste Freund helfen. Und einen Kochkurs spendiert er Jack gleich noch dazu. Was soll da noch schiefgehen?

So einiges, doch spielt sich das bei „Jack in Love“ eher im Verborgenen, ganz nebenbei, ohne großes Tamtam ab. Ganz unaufgeregt und gerade dadurch menschlich und glaubhaft wurschteln sich die vier Charaktere durch ihren Alltag (und ihre Dates), erleben Rückschläge, Momente des Glücks und Zusammenbrüche. Das berührt, amüsiert und bewegt zutiefst.

„Jack in Love“ ist das filmische Regie-Debüt von Hauptdarsteller Philip Seymour Hoffman. Für die Theaterbühnen hat er das Stück bereits mehrere Male inszeniert, spielte dort ebenfalls an der Seite von Ortiz und Rubin-Vega und verzauberte Kritiker und Publikum. Der Leinwand-Adaption ist das Bühnenhafte hier und da noch anzusehen, ein Manko ist das jedoch keinesfalls. Vielmehr lässt Hoffman sich und seinen Kollegen dank des zurückhaltenden Einsatzes filmischer Mittel Raum und Zeit, auch kleinste Nuancen im Spiel zeigen zu können – eben im Verborgenen, ganz nebenbei, ohne großes Tamtam.

Diese Independent-Perle entpuppt sich schlussendlich als mutiger Gegenentwurf zur ‚klassischen‘ Hollywood-Liebeskomödie, in der Zuckerguss, neckische Frotzeleien zwischen den Geschlechtern und Bombast-Balladen als musikalische Untermalung zum Standard gehören. Stattdessen gibt es (echte) Menschen Anfang 40, zärtliche Wangenküsse im Schnee und ein aufmunterndes „Rivers of Babylon“ – kein schlechter Tausch, wie ich finde.

Technische Daten: Die DVD/BluRay bietet die deutsche und englische (Original-)Sprachfassung, sowie deutsche Untertitel. Als Extras gibt es einige Interviews mit den Darstellern sowie den Filmtrailer.

„Jack in Love“ (FSK 12) erscheint am 8. Juli bei Alamode Film/AL!VE AG.

Heimkino-Tipp: „Brothers“ (2009)


Sichtet man nach dem Einlegen der DVD/BluRay zunächst die Kurzdokumentation „Remade in the USA: Aus 'Brødre' wird 'Brothers'“, so wäre es danach eigentlich nur konsequent, statt dieses Films das dänische Original von Susanne Bier von 2004 anzuschauen. Keiner der zu Wort kommenden Crewmitglieder (u.a. Regisseur, Autor, Produzent, Darsteller) lässt es sich nehmen, das – zumindest in Europa sehr erfolgreiche – Werk der Oscar-Preisträgerin aus Skandinavien über den Klee zu loben. Selbstverständlich ist das in allen Maßen gerechtfertigt und fair. Doch andererseits wirft diese Lobhudelei wieder die Frage auf, warum Hollywood dann überhaupt ein solches Remake konzipiert und dreht. Eine Rechtfertigung liefern die Filmemacher gleich selbst: Sie wollten den Stoff „amerikanisieren“ und somit einem breiteren Publikum zugänglich machen. Gewöhnlich lassen solche Aussagen zusammenzucken. Im Fall von „Brothers“ ist diese Furcht überraschenderweise unbegründet.

Das inhaltliche Grundgerüst blieb unverändert. Sam (Tobey Maguire) ist Berufsoffizier bei den US-Marines und in Afghanistan stationiert. Nach einem längeren Urlaub im Kreise seiner beiden Töchter und seiner Frau Grace (Natalie Portman) muss er nun wieder zurück an die Front – und fällt einem Anschlag zum Opfer. Von Trauer und Einsamkeit erdrückt, finden daraufhin Grace und Sams Bruder Tommy (Jake Gyllenhaal) Halt beieinander. Zunächst mit kleinen Gesten und Gesprächen, bald darauf auch mit einem Kuss. Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen: Sam ist am Leben und nach langer Gefangenschaft nun auf dem Weg nach Hause. Die anfängliche Freude bei Grace und ihren Kindern über dessen Rückkehr weicht bald der Erkenntnis, dass Sam ein anderer Mensch geworden ist – verschlossen, gereizt und von Eifersucht zerfressen. Hat seine Frau ein Verhältnis mit Tommy? Lieben ihn seine Kinder nicht mehr? Wie soll er das Erlebte je verarbeiten?

Regisseur Jim Sheridan („Mein linker Fuß“, 1989) verlegte die Geschichte in eine amerikanische Kleinstadt und konzentrierte sich nach eigenen Aussagen ein wenig mehr auf das (Miss-)Verhältnis zwischen den Kindern und Sam als es im Original-„Brothers“ der Fall war; „um die Entfremdung der Mädchen zu ihrem traumatisierten Vater glaubhafter zu gestalten“, wie er selbst sagt. Wie gut ihm das gelungen ist, beweisen er und seine fabelhaften Darsteller vor allem im letzten Drittel des Films, wenn die harte Schale des introvertierten Sam immer weiter zu bröckeln beginnt und seine Zurückhaltung blanker Wut, Verzweiflung und (latent drohender) Gewalt weicht. Wirkt Schauspieler Maguire zu Beginn mit seinem bartlosen, kindlichen Äußeren zunächst ein wenig deplatziert zwischen seinen nuanciert auftretenden Kollegen, so verblüfft er später mit seiner Wandlung zum gebrochenen Ehegatten, Vater und Bruder.

Freilich dient das Familienschicksal Sheridan und seinem Autor David Benioff („25 Stunden“, „Stay“) auch als Statement zum Zustand Amerikas in Zeiten eines Krieges. Eindrucksvoll sezieren sie den Zerfall einer Familie durch den Krieg – nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in der heimischen Küche. Insofern ist es nur gerechtfertigt, dass „Brothers“ nun noch einmal für ein amerikanisches Publikum ‚aufbereitet‘ wurde, dabei die Kenner des Vorbilds jedoch keinesfalls ausschließt – dem intensiven Spiel der Darsteller sei dank.

Was „Brothers“ schlussendlich daran hindert, etwas Einzigartiges zu sein, ist schlichtweg seine Entstehungszeit: Schon „Grace is Gone“ (Regie: James C. Strouse, 2007) und „The Messenger“ (Regie: Oren Moverman, 2009) arbeiteten sich an der Gefühlswelt von Hinterbliebenen ab, die ihre Partner, Eltern, Freunde überraschend verloren haben – sei es durch Tod oder Entfremdung. Und selbst Susanne Bier, welch Ironie, widmete sich in „Things we lost in the fire“ (2007) abermals einer Frau, die mit Hilfe des besten Freundes ihres erschossenen Mannes einen Weg zurück ins Leben findet. Da sie diesen Film in Hollywood produzierte, bleibt ihr eine Neuverfilmung diesmal vielleicht erspart.

Die DVD/BluRay „Brothers“ (FSK 12) erschien am 24. Juni 2011 bei Koch Media.

... im Nachgang: „Ohne Limit“ (Kinostart: 14.04.2011)

Mit Pillen zum Erfolg? Der Film „Ohne Limit“ macht's vor. HIER ein Streitgespräch dazu, das ich (contra) mit einer Kollegin vom Kinokalender Dresden in schriftlicher Form führte.

Heimkino-Tipp: „M“ (1931)


Passend zur momentanen Kino-Wiederaufführung seines wohl berühmtesten Werks „Metropolis“, veröffentlicht das Label universum film ein weiteres Juwel aus dem Œuvre von Fritz Lang: „M“. Als der Regisseur diesen Film 1931 erstmalig einem Publikum präsentierte, hatte Lang bereits einige Höhen und Tiefen in seiner Karriere hinter sich. Denn nachdem er mit „Dr. Mabuse, der Spieler: Teil 1 und Teil 2“ (1922), sowie den beiden „Nibelungen“-Verfilmungen (1924) die Grenzen des noch jungen Mediums Film kontinuierlich ausgeweitet hatte, trieb er die UFA, damals eines der größten Filmstudios weltweit, mit seinem ambitionierten, allerdings furchtbar gefloppten „Metropolis“ (1927) fast in den Ruin.

Bei all den – gerechtfertigten – Lobhudeleien für das neu entdeckte, nun fast vollständig rekonstruierte Meisterwerk „Metropolis“ tritt die Bedeutung von Langs späterem Schaffen leider oftmals in den Hintergrund. Bevor er sein Glück in Hollywood suchte (Lang verließ Deutschland kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten), schenkte er der Welt noch zwei Tonfilme, die wohl zu seinen besten Arbeiten zählen: „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933) – und eben „M“.

Für Lang selbst war „M“ komplettes Neuland: Bekannt für seine starke Bildsprache, für die er im Stummfilm die perfekte Bühne fand, musste Lang diese nun mit einer weiteren Komponente in Einklang bringen: dem gesprochenen Wort. Und, liebe Filmfreude, Lang wusste dieses Stilmittel p-e-r-f-e-k-t zu nutzen und kombinierte es kongenial mit Kameraführung, Schnitt und Überblendungen. So wundert es wenig, dass die gesamte Montage des Streifens noch heute Referenzcharakter besitzt (einen wunderbaren Einblick in die Besonderheit von „M“ präsentiert Regiekollege Wim Wenders in der Dokumentation „Auge in Auge – Eine deutsche Filmgeschichte“, siehe Blog-Eintrag vom Juli 2008).

Auch inhaltlich weiß „M“ trotz seines Alters noch immer zu fesseln: Eine Serie von Kindermorden versetzt die Bewohner Berlins in Unruhe. Die Furcht vor weiteren Opfern ist so groß, dass nicht nur die Polizei, sondern auch die Bosse aus der kriminellen Unterwelt die Jagd auf den Täter beginnen. Quasi parallel und doch nicht gemeinsam ziehen sie die Schlinge um den Schuldigen immer enger. Doch der hat bereits sein nächstes Opfer gefunden.

Dargestellt wird dieses „Monster“ von Peter Lorre, der mit „M“ den Grundstein für eine internationale Schauspielkarriere legte (u.a. spielte er eine Schlüsselrolle in „Casablanca“). Seine Darstellung war derart überzeugend, dass sie Hitlers Propagandaminister Goebbels später sogar in einen seiner Hetzfilme über das „Judentum“ montieren ließ. Dies soll nun nicht als Qualitätssiegel gelten, verdeutlicht aber, wie Lorres intensiver Auftritt von Zeitzeugen wahrgenommen wurde.

Obwohl „M“ das digitale Medium schon vor Jahren eroberte (die hier vorliegende Edition ist bereits die siebte), ist den Machern tatsächlich noch einmal eine kleine Sensation gelungen. Nicht primär aufgrund einer wiederholten Restauration in Bild und Ton (basierend auf der Version von 2001), die den Klassiker wirklich wunderbar aussehen lässt. Sondern vielmehr dank des umfangreichen Bonusmaterials: zahlreiche Dokumentationen zur Filmentstehung und den historischen Hintergründen, auf denen das Drehbuch basiert, Vergleiche zwischen verschiedenen Sprachfassungen (damals wurde nicht unbedingt synchronisiert, sondern am selben Set eine Szene in anderer Sprache wiederholt), Einblicke in den Restaurationsprozess, ein ausführliches TV-Interview mit Fritz Lang von 1968, ein Trailer sowie etliche Dokumente in pdf-Form, die von Kritiken über Werbeflyer bis hin zu Zensurkarten reichen – ein Paradies für Cineasten und neugierige Filmfans! Wer sich für die BluRay-Variante entscheidet, bekommt zusätzlich noch ein sehr ansehnliches Mediabook (= Digipack, in dem sich die Disc befindet) dazu, welches einem Filmprogramm der 30er Jahre nachempfunden ist.

Inhalt, Form, Verpackung: die „80th Anniversary Edition“ von „M“ lässt wahrlich keine Wünsche offen und bietet auch Besitzern von früheren Versionen noch genug Anreize, über einen Neukauf nachzudenken.

Die DVD/BluRay „M – 80th Anniversary Edition“ (FSK 12) erschien am 20. Mai 2011 bei universum film.

„Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten“ (Kinostart: 19. Mai 2011)

Nuschelnd, betrunken und zerstreut kam er daher – und bescherte den Filmemachern einen Schatz im Wert von 2,7 Milliarden Dollar: Captain Jack Sparrow. Oder war es doch nur Johnny Depp? Die Legende besagt, dass die Produzenten zunächst große Zweifel hatten, ob der exzentrische Auftritt des Schauspielers als Pirat nicht mehr Zuschauer verschrecken als begeistern würde. Das Gegenteil war der Fall und so dürfen sich die Freunde des langhaarigen Spaßvogels nun auf den vierten Teil, „Fremde Gezeiten“, freuen. Sein Ziel in diesem Abenteuer: die Quelle der Jugend.

Zunächst steht Jack jedoch vor einem weit größeren Problem: Er braucht ein Schiff, eine Crew und ausreichend Rum. Da kommt ihm seine eigene Entführung durch die hübsche Angelica (Penélope Cruz) und ihren finsteren Vater Blackbeard (Ian McShane) eigentlich ganz gelegen – wenn der nur nicht so fordernd und rücksichtslos wäre. Ihnen dicht auf den Fersen ist ein ebenso harter Bursche: der inzwischen einbeinige Barbossa (Geoffrey Rush), dem Jack aus Wut über den Verlust seines geliebten Kutters „Black Pearl“ am liebsten gleich noch den anderen Fuß wegnehmen würde.

Spaß, Action und viel Tempo scheinen das Credo für Regisseur Rob Marshall („Chicago“) gewesen zu sein. Da tritt die an sich simple Geschichte in den Hintergrund, während die vier Hauptdarsteller zwei Stunden lang auf herrlich infantile Weise ihre Schwerter schwingen, ihre Matrosen knechten und ihre Gegner hinter’s Licht führen dürfen.
„Fremde Gezeiten“ kommt leichtfüßiger als der vorherige Teil „Am Ende der Welt daher“, ist gespickt mit einem wunderbaren Cameo-Auftritt der großen Judi Dench und hat eigentlich nur einen Makel: Einen kaum zur Geltung kommenden 3D-Effekt, den diese ohnehin unterhaltsame Piraten-Show nicht benötigt hätte.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 18. Mai 2011.

DVD-Tipp: „Kinski Talks 2“ (2011)


Klaus Kinski war ein Gesamtkunstwerk: Ob als Schauspieler, Regisseur oder Interviewpartner, in jeder Rolle bot er seinem Publikum etwas Einmaliges, Sonderbares, Faszinierendes. Legendär seine Hassliebe zu Werner Herzog, mit dem er mehrere Filme inszenierte, gefürchtet seine verbalen Attacken gegen Fragensteller, die er nicht selten schroff, scharfzüngig oder einfach nur dickköpfig zurechtwies.

Peter Geyer, Biograph und Nachlassverwalter von Kinskis Auftritten, hat nun nach der Dokumentation „Kinski – Jesus Christus Erlöser“ und „Kinski Talks 1“ eine neue DVD zusammengestellt, die den streitbaren Künstler abseits der Kinoleinwand ‚in Aktion‘ zeigt. Neben einem Auftritt in der „NDR Talk Show“ vom Oktober 1985, bei dem Kinski all sein Können als Charmeur, bockiger Gast und Provokateur zeigt, ist ebenso eine Folge aus der Sendereihe „Zeit zu zweit“ (Juli, 1985) auf der DVD zu finden. Fast 45 Minuten lang kann man Kinski hier dabei beobachten, wie er der damals 17-jährigen Désirée Nosbusch Avancen macht, sich in Erinnerungen verliert, oder belehrend seine Sicht der Dinge zum Besten gibt. Interessant, was es damals so alles ins öffentlich-rechtliche Fernsehen geschafft hat…

Das dritte Feature auf der DVD bietet ebenfalls eine Kuriosität: Der amerikanische Dokumentarfilmer Jay Miracle versuchte sich im September 1986 an einem Interview mit Kinski. „Dinocittà“ entpuppt sich als ein zwar anstrengend anzusehendes, aber durchaus unterhaltsames Experiment, bei dem die Kamera oftmals in Hüfthöhe gehalten wird (Kinski verlangte direkten Augenkontakt von seinem Gegenüber) und dass einige überraschende Wahrheiten (?) über sein Verhältnis zu Werner Herzog verrät.

Fazit: Die DVD „Kinski Talks 2“ ist wie sein Vorgänger allein deshalb eine Empfehlung, weil sie neben Kinski in Reinkultur ein wunderbares Zeugnis der TV-Landschaft der 1980er Jahren darstellt. Die Silberscheibe bietet deutschen Ton (ohne Untertitel) für „NDR Talkshow“ (ca. 30 min.) und „Zeit zu zweit“ (ca. 44 min.), sowie deutsche Untertitel für das englischsprachige „Dinocittà“ (ca. 60 min.). Ein paar gelöschte Szenen und ein informatives Booklet sind als Bonusmaterial enthalten.

Man mag über den Menschen Klaus Kinski urteilen wie man will – doch für einen unterhaltsamen Fernsehabend war er zweifellos stets die beste Zutat. Mal sehen, ob Peter Geyer noch weitere Perlen dieser Art in den Senderarchiven findet. Als Alternative zum aktuellen TV-Programm wäre es wünschenswert.

Heimkino-Tipp: „Was will ich mehr“ (2010)


Es war im Jahr 2008, als ein kleiner, unscheinbarer Film aus Italien mit dem Titel „Tage und Wolken“ mich in seinen Bann zog. Das Drama erzählte von den Schwierigkeiten eines ‚alltäglichen‘ Paares jenseits der 40, nach Arbeitsplatzverlust und finanziell unbefriedigenden Aushilfsjobs wieder Fuß zu fassen. Dass dabei auch persönliche Konflikte und Enttäuschungen die Beziehung belasteten, machte die Geschichte spannend und vor allem glaubhaft.

Der Regisseur dieser Perle heißt Silvio Soldini. Kein unbeschriebenes Blatt in der Filmwelt, hatte er doch zuvor bereits mit „Brot & Tulpen“ (2000), sowie „Agata und der Sturm“ (2004) für zufriedene Kinobesucher gesorgt. Entsprechend hoch dürfen die Erwartungen an sein aktuelles Werk „Was will ich mehr“ auch sein.

Wieder widmet er sich einem Paar, wieder verankert er seine Geschichte im Hier und Jetzt und gibt sich als stiller Beobachter von Ereignissen, die in dieser Weise tatsächlich jedem liebenden Menschen widerfahren könnten: Anna (Alba Rohrwacher) ist verheiratet und hat dem äußeren Anschein nach alles, was es zum Glücklichsein braucht. Einen angenehmen Job, nette Kollegen, keine finanziellen Probleme und einen Mann, den Domenico (Pierfrancesco Favino) später als ‚Heiligen‘ bezeichnen wird, ist er doch der geduldigste, verständnisvollste und liebenswürdigste Gatte, den sich eine Frau nur wünschen kann.
Domenico trägt ebenfalls einen Ehering, ist Vater zweier Kinder und u.a. als Caterer tätig. Dabei trifft er eines Tages auf Anna – ein flüchtiger Blick, ein kleines Missverständnis, doch nichts was auf ihre gemeinsame Zukunft hinweisen könnte. Erst als er ein paar Tage später ein vergessenes Messer in ihrem Büro abholen will, nehmen sie sich wirklich wahr. Einen gemeinsamen Kaffee später ist beiden klar, dass da mehr ist.

Was sich zunächst wie eine italienische Variante von Patrice Chéreaus gefeierten Skandalfilm „Intimacy“ anlässt, ist sinnlich, romantisch und wunderbar natürlich dargestellt. Jedoch setzt „Was will ich mehr“ den Focus mit zunehmender Laufzeit immer mehr auf die Folgen, die die Affäre der beiden gebundenen Liebenden nach sich zieht. Will sie ihren Mann tatsächlich verlassen? Kann er ohne seine Kinder leben? Möchte sie ihrem ‚heiligen‘ Gatten eine Trennung wirklich antun? Wagt er es, seine kleine Familie, die kurz vor dem sozialen Abstieg steht, im Stich zu lassen?
Regisseur Soldini gelingt es, diese Dilemmata immer wieder in den Mittelpunkt zu rücken, ohne die geheime Beziehung von Anna und Domenico als etwas ausnahmslos Rücksichtsloses oder Egoistisches darzustellen. So sieht sich der Zuschauer eben jenen Konflikten und Problemen gegenübergestellt, die auch die Protagonisten zu lösen haben.

Diese dem Publikum nahezubringen, gelingt Soldini mit einem einfachen, aber sehr effektiven Kniff zu Beginn seines Films: Bis es – nach mehreren gescheiterten Versuchen – tatsächlich zum Sex zwischen Anna und Domenico kommt, wird „Was will ich mehr“ ausschließlich aus der Perspektive der Frau erzählt. Anschließend wechselt der Standpunkt der Geschichte und die Kamera klebt förmlich an Domenico und ermöglicht somit einen Einblick in seinen Alltag. Was bleibt, sind zwei komplett entblößte Leben und die Herausforderung für das Publikum, ein eigenes Urteil über ‚richtig‘ und ‚falsch‘, ‚nachvollziehbar‘ und ‚verwerflich‘ zu fällen. Das ist unterhaltsames, gefühlsbetontes und anspruchsvolles Kino wie ich es mag. Was will ich mehr?

P.S.: Die DVD/BluRay bietet den Film in deutscher und italienischer Sprachversion (Original), optionale deutsche Untertitel, gelöschte Szenen, ein informatives Making of, sowie diverse Trailer. Anbieter: Alamode Film/AL!VE AG

Heimkino-Tipp: „Is Anybody There?“ (2008)


Beweisen muss er eigentlich nichts mehr. Und trotzdem verwöhnt der inzwischen 78jährige Sir Michael Caine die Filmwelt immer noch ohne Unterlass mit seiner Schauspielkunst. Sei es in sogenannten ‚Blockbustern‘ („Inception“, 2010, „The Dark Knight“, 2008, „Children of Men“, 2006) oder kleineren Perlen, die aufgrund ihres Independent-Charakters („Harry Brown“, 2009, „1 Mord für 2“, 2007) oder schlicht schlechter Promotion („The Statement“, 2003) vom Publikum ignoriert werden. Richtig ärgerlich ist das besonders im Fall von John Crowleys „Is Anybody There?“, ein Film, der es in Deutschland weder ins Kino und auch drei Jahre nach Erscheinen noch nicht einmal auf DVD geschafft hat.*

Erzählt wird „Is Anybody There?“ aus der Perspektive des 10jährigen Edward (Bill Milner, bekannt aus dem frisch-frechen „Son of Rambow“, 2007). Der lebt zusammen mit seinen Eltern in einem großen, zum Altenheim umfunktionierten Haus, was ihn zwangsläufig häufiger mit dem Tod in Berührung bringt, als es für Kinder seines Alters üblicherweise der Fall ist. Der neueste ‚Gast‘ des Hauses ist der grummelige Clarence (Caine), der noch immer schwer am Verlust seiner Frau zu knabbern hat und sowieso viel lieber in seinem kleinen Transporter / Wohnwagen rumhandwerkt, als sich mit seinen Altersgenossen bei improvisierten, kindlich-schrecklichen Musikabenden abzugeben. Ein Einzelgänger, den die neugierigen Blicke und ständigen Fragen des Jungen eher nerven als erfreuen. Mit den Wochen lernen sich die beiden Dickköpfe jedoch besser kennen und Clarence beginnt, seinen neuen Freund in die Geheimnisse seines Könnens einzuweihen. Denn in seiner Jugend zog er mit seiner Gattin als Zauberer durch die Lande – und ist nun froh, sein Wissen an jemanden weitergeben zu können. Zumal seine Vergesslichkeit immer häufiger zutage tritt.

„The love you take is equal to the love you make“ sangen einst die Beatles schon. Nichts anderes widerfährt Edward und Clarence in „Is Anybody There?“. Schimpft der eine, brüllt der andere zurück. Öffnet der alte Mann sein Herz, gibt sein junger Kumpel im Gegenzug Privates aus seinem Leben preis. Es macht wirklich Spaß, diese beiden Figuren dabei zu beobachten, wie sie, ohne es bewusst zu wollen, zueinander finden. Während Nachwuchstalent Milner mit Selbstvertrauen und Ungezwungenheit beeindruckt, rührt Caine mit seiner Performance zu Tränen. Keine Überraschung, wenn man einem Interview zum Film glauben darf: Da enthüllte er nämlich, dass er seine Rolle einem engen Freund widmete, der ein ähnliches Alzheimer-Schicksal erleiden musste wie seine Figur. Weiter verriet er, dass seine Frau nach der ersten Vorführung sehr erbost gewesen sei – schlicht aufgrund seiner (zu) glaubhaften Art und Weise, das Altwerden und die zugehörigen Folgen darzustellen.

Dem habe ich eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Außer, dass ich Michael Caine natürlich nicht böse bin für seinen tollen Auftritt – sondern sehr dankbar.

*P.S.: Die britische DVD bietet den O-Ton mit/ohne englische/n Untertitel/n, sowie einige Interviewschnipsel und den Filmtrailer.

Heimkino-Tipp: „Rogue“ (2007)


Der Australier Greg McLean zählt dank seines Œuvres zu einem erlauchten Kreis von Jungregisseuren, denen ein Filmhistoriker vor wenigen Jahren in Anlehnung an das legendäre „Rat Pack“ (u.a. Frank Sinatra, Sammy Davis, Jr. und Dean Martin) den Titel „Splat Pack“ zuwies. Hierzu gehören neben einigen weiteren auch Alexandre Aja („The Hills Have Eyes“), James Wan („Saw“), Eli Roth („Hostel“) und Neil Marshall („The Descent“). Allen gemein ist die Vorliebe für deftigen Horror und wenig Zurückhaltung bei der Darstellung blutiger Details.

Leider wird das Genre des Horrorfilms viel zu oft und viel zu gern als anspruchslose Gewaltverherrlichung abgetan. Zweifellos gibt es einige Filmemacher, die Unterhaltung mit Tabubrüchen verwechseln (siehe Eli Roths „Hostel II“). Andererseits sollten solche Machwerke nicht verdecken, dass ‚Horror‘ weit mehr kann, als Geschmacklosigkeiten in Großaufnahme zu präsentieren.

Ein solches kleines Juwel ist McLeans „Rogue“ aus dem Jahre 2007. Zugegeben, die Gesetze des Genres sprengt auch er nicht, doch variiert er sie gekonnt und veredelt sie mit einer atemberaubenden Kulisse, die jeder Naturdokumentation im Vorabendprogramm locker den Rang ablaufen könnte.
Inmitten des australischen Outbacks schippert Kate (Radha Mitchell) Touristen durch wunderschöne Fels- und Flusslandschaften. Besonderer Augenschmaus ist dabei die Krokodilfütterung in freier Natur. Dabei entdeckt einer ihrer Mitfahrer ein entferntes Lichtsignal, was auf einen Hilferuf schließen lässt. Kate verlässt daraufhin ihre gewohnte Route und betritt dabei unwissenderweise das Territorium eines jener Krokodile. Das rammt sich seinen Frust zunächst am Boot ab und schubst die Eindringlinge anschließend auf eine Insel. Die verschwindet dank Flut zunehmend im Wasser und das Ungetüm hat somit gleich einen kleinen Nahrungsvorrat parat, den es sich nun nach und nach zu holen gedenkt.

Entgegen der Erwartungen eines dämlich-belanglosen ‚Schrei-und-ich-freß-dich‘-Szenarios, lehnt sich McLean nach einer guten ersten Hälfte, die von unzähligen, schlicht wunderschönen Schauwerten geprägt ist, nun zurück und lässt Zuschauer und potentielle Opfer zittern. Ganz in der Tradition des immer noch großartigen „Der weiße Hai“ zeigt er das Biest zunächst nicht und lässt offen, wie groß die Bedrohung tatsächlich ist. Auch stilisiert er den hungrigen Revierverteidiger nicht zu einem übernatürlichen Monster, sondern bleibt bei den Fakten. Tatsächlich existieren in Australien nämlich weit größere Tiere als dieses hier, das sich „lediglich“ einer Bedrohung erwehren will. Die Touristen verhalten sich panisch, aber überlegt und so ist es fast ein Kampf auf gleicher Augenhöhe: kräftige Kauleiste gegen menschliche Intelligenz.

„Rogue“ macht nicht den Fehler, seine Spannung und seine Atmosphäre in billigen und vor allem blutigen Schockszenen zu verschwenden. Erst im finalen Viertel zieht McLean das Tempo ordentlich an und zeigt in Nahaufnahme, was seine Kollegen von der Effektabteilung da gebastelt haben. Wiederum orientiert am realen Vorbild, gibt es so am Ende nochmal beeindruckenden Biologieunterricht zum Thema Lebensweise und Körperbeherrschung der gepanzerten Freßmaschinen. Natürlich alles sehr unterhaltsam und in bester Kissenkrall-Manier inszeniert.

Leider ist dieser fesselnde 90-Minüter bisher das letzte Werk von Greg McLean. Wem’s gefällt, darf mit ebenso hohen Erwartungen gern zu seinem Vorwerk „Wolf Creek“ (siehe Blogeintrag vom Januar 2008) greifen. Der ist zwar etwas weniger subtil, aber ebenso wie „Rogue“ für starke Nerven genau das richtige Training.

... im Nachgang: „Black Swan“ (Kinostart: 20.01.2011)

Kurz vor der großen Sause in L.A., der Oscar-Verleihung, hab ich mich mit einem Kollegen (er 'pro', ich 'contra') der Kinokalender-Redaktion über einen der nominierten Filme ausgetauscht - und zwar HIER.

... im Nachgang: „Drei“ (Kinostart: 23.12.2010)

Im Dezember beglückte(?) Regisseur Tom Tykwer die Filmwelt mit seinem neuen Werk „Drei“. Ein kleines Streitgespräch darüber ist nun online und HIER zu finden.

Friseusen, Köche und ein Mann aus Dynamit

Mit ein wenig Verspätung (weil bereits seit einiger Zeit im Handel) gibt es an dieser Stelle drei Empfehlungen für den nächsten DVD-Einkauf:

Neues auf DVD von Patrice Leconte, Fatih Akin und Scott Sanders

Scott wer? Neben etablierten Regisseuren wie dem Franzosen Leconte und dem aus Hamburg stammenden Cannes-Preisträger Akin ist Scott Sanders bisher kaum in Erscheinung getreten. Auch sein aktuelles Werk wird daran leider wenig ändern – was jedoch nicht der Qualität, sondern lediglich dem gewählten Genre geschuldet ist. Somit sei ebenso in der folgenden Besprechung zunächst seinen berühmten Kollegen der Vortritt gelassen.

„Der Mann der Friseuse“ (Vertrieb: Pierrot Le Fou/AL!VE AG)

Es war der internationale Durchbruch für den damals 43jährigen Patrice Leconte und zählt noch heute zu den sinnlichsten Liebeserklärungen an die Friseusen-Zunft: „Der Mann der Friseuse“ erzählt vom Traum des kleinen Antoine, einmal der Gatte einer Coiffeuse zu werden. Im Laden der schweigsamen Mathilde findet er schließlich als erwachsener Mann sein Liebesglück, nur um es wenig später wieder zu verlieren. Doch bis es dazu kommt, erlebt er Leidenschaft, Begehren und unzählige Tage der Erfüllung.
Leconte inszenierte sein Drama zurückhaltend, poetisch und mit einem Jean Rochefort in der Hauptrolle, dessen verquere Eigenheiten, wie das „Tanzen“ zu orientalischer Musik, immer wieder für ironische Zwischentöne in einem ansonsten tiefmelancholischen Drama sorgen. Die DVD enthält neben einem ausführlichen Interview des Regisseurs noch dessen Kurzfilm „Die glückliche Familie“ aus dem Jahr 1973. Ein schönes Gesamtpaket.

„Soul Kitchen“ (Vertrieb: Pandora Film)


Im Mittelpunkt dieser Hamburger Geschichte(-nsammlung) steht Kneipenbesitzer Zinos (Adam Bousdoukos, gleichzeitig Co-Autor und Ideengeber). Der hat „Bandscheibe“, eine Freundin, die ihn für einen Job in Shanghai zurücklässt, und seit neuestem auch noch Ärger mit dem Finanzamt. Bruder Illias indessen hat Freigang und leider immer noch eine leicht kriminelle Ader, während sein neuer Chefkoch Shayn seine seltsamen Ansichten zur Esskultur gern messerwetzend unterstreicht. Kurz: viel zu viele machen viel zu viel Stress. Bis die ausgefallenen Kreationen seines exzentrischen Küchenmeisters zunehmend Beachtung finden: Plötzlich ist sein Haus „Soul Kitchen“ der Szeneladen, sind die Gaumen vom Essen verwöhnt, die Ohren von funky music gestreichelt und die Herzen dank neuer Liebschaften erfreut. Bis zum Happy End jedoch muss Zinos noch einiges über sich ergehen lassen – schmerzhafte Rückenbehandlungen inklusive.
Nach den ersten beiden Teilen seiner „Liebe, Tod und Teufel“-Trilogie („Gegen die Wand“, „Auf der anderen Seite“), hat sich Fatih Akin mit „Soul Kitchen“ eine kurze Auszeit von den schweren Themen geschenkt. Im Gegensatz zu früheren Werken geht er hier unverkrampfter, leichtfüßiger und weniger `verkopft´ zu Werke und spickt seine Komödie mit einem tollen Soundtrack voller Soulklassiker. Alles wirkt ehrlich, charmant, lebensnah, etwas schmuddelig, doch immer unterhaltsam. Ein Schmankerl, das dank umfangreichem Bonusmaterial noch mehr Spaß macht.

„Black Dynamite“ (Universum Film)

Nun also zu Scott Sanders und seinem zwischen Hommage, Persiflage und blankem Unsinn pendelndem „Black Dynamite“. Ein Nischenfilm, zweifellos, doch für Kenner und Fans des sogenannten Blaxploitation-Genres – jene Billigfilme aus den 1970er-Jahren, in denen schwarze Helden wie „Shaft“ böse Buben jagten und nebenbei jede Frau im Vorbeigehen beglückten – die lang ersehnte Huldigung ihrer Lieblinge.
So spielt der Inhalt hier auch kaum eine Rolle. Vielmehr ist es die zitatenreiche Umsetzung, der coole Titelheld und die konsequente Missachtung filmischer Grundregeln, die für Unterhaltung sorgen. Allerdings nur, wenn der Zuschauer die englische Tonspur wählt und sich am Slang der Darsteller genauso begeistern kann wie der witzigen musikalischen Untermalung und dem gewollt übertriebenen Posen des Protagonisten.
Als Verbeugung vor den filmhistorischen Originalen ist „Black Dynamite“ über jeden Zweifel erhaben. Besser hätte es selbst einem Tarantino nicht gelingen können. Das gilt auch für das Bonusmaterial (Gestrichene Szenen, Interviews, persiflierte Werbespots).