Heimkino-Tipp: „Is Anybody There?“ (2008)


Beweisen muss er eigentlich nichts mehr. Und trotzdem verwöhnt der inzwischen 78jährige Sir Michael Caine die Filmwelt immer noch ohne Unterlass mit seiner Schauspielkunst. Sei es in sogenannten ‚Blockbustern‘ („Inception“, 2010, „The Dark Knight“, 2008, „Children of Men“, 2006) oder kleineren Perlen, die aufgrund ihres Independent-Charakters („Harry Brown“, 2009, „1 Mord für 2“, 2007) oder schlicht schlechter Promotion („The Statement“, 2003) vom Publikum ignoriert werden. Richtig ärgerlich ist das besonders im Fall von John Crowleys „Is Anybody There?“, ein Film, der es in Deutschland weder ins Kino und auch drei Jahre nach Erscheinen noch nicht einmal auf DVD geschafft hat.*

Erzählt wird „Is Anybody There?“ aus der Perspektive des 10jährigen Edward (Bill Milner, bekannt aus dem frisch-frechen „Son of Rambow“, 2007). Der lebt zusammen mit seinen Eltern in einem großen, zum Altenheim umfunktionierten Haus, was ihn zwangsläufig häufiger mit dem Tod in Berührung bringt, als es für Kinder seines Alters üblicherweise der Fall ist. Der neueste ‚Gast‘ des Hauses ist der grummelige Clarence (Caine), der noch immer schwer am Verlust seiner Frau zu knabbern hat und sowieso viel lieber in seinem kleinen Transporter / Wohnwagen rumhandwerkt, als sich mit seinen Altersgenossen bei improvisierten, kindlich-schrecklichen Musikabenden abzugeben. Ein Einzelgänger, den die neugierigen Blicke und ständigen Fragen des Jungen eher nerven als erfreuen. Mit den Wochen lernen sich die beiden Dickköpfe jedoch besser kennen und Clarence beginnt, seinen neuen Freund in die Geheimnisse seines Könnens einzuweihen. Denn in seiner Jugend zog er mit seiner Gattin als Zauberer durch die Lande – und ist nun froh, sein Wissen an jemanden weitergeben zu können. Zumal seine Vergesslichkeit immer häufiger zutage tritt.

„The love you take is equal to the love you make“ sangen einst die Beatles schon. Nichts anderes widerfährt Edward und Clarence in „Is Anybody There?“. Schimpft der eine, brüllt der andere zurück. Öffnet der alte Mann sein Herz, gibt sein junger Kumpel im Gegenzug Privates aus seinem Leben preis. Es macht wirklich Spaß, diese beiden Figuren dabei zu beobachten, wie sie, ohne es bewusst zu wollen, zueinander finden. Während Nachwuchstalent Milner mit Selbstvertrauen und Ungezwungenheit beeindruckt, rührt Caine mit seiner Performance zu Tränen. Keine Überraschung, wenn man einem Interview zum Film glauben darf: Da enthüllte er nämlich, dass er seine Rolle einem engen Freund widmete, der ein ähnliches Alzheimer-Schicksal erleiden musste wie seine Figur. Weiter verriet er, dass seine Frau nach der ersten Vorführung sehr erbost gewesen sei – schlicht aufgrund seiner (zu) glaubhaften Art und Weise, das Altwerden und die zugehörigen Folgen darzustellen.

Dem habe ich eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Außer, dass ich Michael Caine natürlich nicht böse bin für seinen tollen Auftritt – sondern sehr dankbar.

*P.S.: Die britische DVD bietet den O-Ton mit/ohne englische/n Untertitel/n, sowie einige Interviewschnipsel und den Filmtrailer.

Heimkino-Tipp: „Rogue“ (2007)


Der Australier Greg McLean zählt dank seines Œuvres zu einem erlauchten Kreis von Jungregisseuren, denen ein Filmhistoriker vor wenigen Jahren in Anlehnung an das legendäre „Rat Pack“ (u.a. Frank Sinatra, Sammy Davis, Jr. und Dean Martin) den Titel „Splat Pack“ zuwies. Hierzu gehören neben einigen weiteren auch Alexandre Aja („The Hills Have Eyes“), James Wan („Saw“), Eli Roth („Hostel“) und Neil Marshall („The Descent“). Allen gemein ist die Vorliebe für deftigen Horror und wenig Zurückhaltung bei der Darstellung blutiger Details.

Leider wird das Genre des Horrorfilms viel zu oft und viel zu gern als anspruchslose Gewaltverherrlichung abgetan. Zweifellos gibt es einige Filmemacher, die Unterhaltung mit Tabubrüchen verwechseln (siehe Eli Roths „Hostel II“). Andererseits sollten solche Machwerke nicht verdecken, dass ‚Horror‘ weit mehr kann, als Geschmacklosigkeiten in Großaufnahme zu präsentieren.

Ein solches kleines Juwel ist McLeans „Rogue“ aus dem Jahre 2007. Zugegeben, die Gesetze des Genres sprengt auch er nicht, doch variiert er sie gekonnt und veredelt sie mit einer atemberaubenden Kulisse, die jeder Naturdokumentation im Vorabendprogramm locker den Rang ablaufen könnte.
Inmitten des australischen Outbacks schippert Kate (Radha Mitchell) Touristen durch wunderschöne Fels- und Flusslandschaften. Besonderer Augenschmaus ist dabei die Krokodilfütterung in freier Natur. Dabei entdeckt einer ihrer Mitfahrer ein entferntes Lichtsignal, was auf einen Hilferuf schließen lässt. Kate verlässt daraufhin ihre gewohnte Route und betritt dabei unwissenderweise das Territorium eines jener Krokodile. Das rammt sich seinen Frust zunächst am Boot ab und schubst die Eindringlinge anschließend auf eine Insel. Die verschwindet dank Flut zunehmend im Wasser und das Ungetüm hat somit gleich einen kleinen Nahrungsvorrat parat, den es sich nun nach und nach zu holen gedenkt.

Entgegen der Erwartungen eines dämlich-belanglosen ‚Schrei-und-ich-freß-dich‘-Szenarios, lehnt sich McLean nach einer guten ersten Hälfte, die von unzähligen, schlicht wunderschönen Schauwerten geprägt ist, nun zurück und lässt Zuschauer und potentielle Opfer zittern. Ganz in der Tradition des immer noch großartigen „Der weiße Hai“ zeigt er das Biest zunächst nicht und lässt offen, wie groß die Bedrohung tatsächlich ist. Auch stilisiert er den hungrigen Revierverteidiger nicht zu einem übernatürlichen Monster, sondern bleibt bei den Fakten. Tatsächlich existieren in Australien nämlich weit größere Tiere als dieses hier, das sich „lediglich“ einer Bedrohung erwehren will. Die Touristen verhalten sich panisch, aber überlegt und so ist es fast ein Kampf auf gleicher Augenhöhe: kräftige Kauleiste gegen menschliche Intelligenz.

„Rogue“ macht nicht den Fehler, seine Spannung und seine Atmosphäre in billigen und vor allem blutigen Schockszenen zu verschwenden. Erst im finalen Viertel zieht McLean das Tempo ordentlich an und zeigt in Nahaufnahme, was seine Kollegen von der Effektabteilung da gebastelt haben. Wiederum orientiert am realen Vorbild, gibt es so am Ende nochmal beeindruckenden Biologieunterricht zum Thema Lebensweise und Körperbeherrschung der gepanzerten Freßmaschinen. Natürlich alles sehr unterhaltsam und in bester Kissenkrall-Manier inszeniert.

Leider ist dieser fesselnde 90-Minüter bisher das letzte Werk von Greg McLean. Wem’s gefällt, darf mit ebenso hohen Erwartungen gern zu seinem Vorwerk „Wolf Creek“ (siehe Blogeintrag vom Januar 2008) greifen. Der ist zwar etwas weniger subtil, aber ebenso wie „Rogue“ für starke Nerven genau das richtige Training.