Heimkino-Tipp: „Come Early Morning“ (2006)


„Oh Königin, du warst wunderbar!“ Passend zum Titel des Films wurde ich heute Morgen Ohrenzeuge eines Radiobeitrags über den bekannten Theaterkritiker Friedrich Luft (1911-1990). Der lobte einst die Schauspielerin Hermine Körner (1878-1960) mit dem vorangestellten Zitat für einen Auftritt. Herr Luft möge es mir nachsehen, wenn ich seinen Ausspruch nun auch für Ashley Judd und ihre Performance in „Come Early Morning“ adaptiere.

Dieses Drama, bereits im Jahr 2006 entstanden, erzählt von der selbstbewussten (und trinkfesten) Lucy Fowler (Judd), die in einer amerikanischen Kleinstadt lebt, liebt und arbeitet. Wobei sich die Liebe lediglich auf flüchtige One-Night-Stands mit Typen beschränkt, die sie Abend für Abend in ihrer Stammkneipe aufgabelt. Selbst die Beziehung zu ihrem schweigsamen Vater ist kaum als solche existent, auch wenn Lucy beharrlich um seine Aufmerksamkeit kämpft.
Ein wenig Abwechslung scheint der sympathische Neue im Ort zu bringen: Cal (Jeffrey Donovan) umwirbt sie charmant, bittet sie um ein Date und ist so gar nicht bereit, sie nach der ersten gemeinsamen Nacht im Vollrausch ziehen zu lassen. Cal will mehr, möchte mit Lucy Zeit verbringen, lachen, kochen, leben. Die ist von alledem überfordert und beginnt erst allmählich zu begreifen, dass es mehr gibt als hormongesteuerte Idioten und gutgemeinte Beziehungsratschläge ihrer schüchternen Mitbewohnerin.

„Come Early Morning“ einen Liebesfilm zu nennen, wird dem Werk nicht gerecht. Ja, es geht um Gefühle und Leidenschaft, um Frauen und Männer. Dank Hauptdarstellerin Ashley Judd wird daraus jedoch ein bemerkenswertes Porträt einer Frau, das zwischen Tragik, Romantik und Melancholie pendelt und auch nicht ganz unbeschwert zu genießen ist. Die Figur der Lucy ist keinesfalls leicht zu durchschauen, sie handelt impulsiv, abweisend und gibt sich zäh. Erst sukzessive bricht diese harte Schale auf – was die Judd schlicht phänomenal verdeutlicht. Als Beispiel sei hier eine Szene genannt, die auf den ersten Blick Lucy und Cal ‚lediglich‘ beim Liebesspiel zeigt. Allerdings verweilt Debütregisseurin Joey Lauren Adams (sie verfasste auch das Drehbuch und ist vornehmlich als Schauspielerin („Chasing Amy“) tätig) auf dem Gesicht von Judd, die mit unglaublicher Nuancierung das ‚emotionale Erwachen‘ ihrer Lucy darstellt. Warum diese Aktrice noch immer nicht den Status eines Superstars hat, ist mir ein absolutes Rätsel.

Wie zuvor bereits angedeutet, leichte Kost ist „Come Early Morning“ nicht unbedingt. Die Independent-Produktion begeistert vielmehr dank seines beeindruckenden Casts (u.a. auch Stacy Keach, Tim Blake Nelson, Scott Wilson, Diane Ladd), kantiger Charaktere und der scheinbar beiläufig eingefangenen Unaufgeregtheit der Umgebung, die nicht nur eine willkommene Abwechslung zur bekannten Großstadtästhetik ist, sondern gleichzeitig als Spiegel von Lucys Innenleben gelesen werden kann: karg, einsam, aber nicht gefühlskalt.

Außer einigen Trailern bietet die DVD leider keine Extras. Der Film ist in englischer Originalversion und als synchronisierte Fassung auf der Disc enthalten, Untertitel in deutsch vorhanden. „Come Early Morning“ ist erschienen bei universum film und seit 5. August erhältlich.

... im Nachgang: „The Tree of Life“ (Kinostart: 16.06.2011)

Diesmal dauerte es ein wenig länger mit der Veröffentlichung, nichtsdestotrotz möchte ich trotzdem noch auf folgendes Streitgespräch im Kinokalender Dresden verweisen - und zwar HIER.