... im Nachgang: „Mein bester Feind“ (Kinostart: 01.09.2011)

In der Oktoberausgabe des Kinokalender Dresden widmeten wir uns in der (Streit-)Kolumne „... im Nachgang“ dem Film „Mein bester Feind“. Das Ergebnis findet sich HIER.

Heimkino-Tipp: „Mütter und Töchter“ (2009)


Wer hinter diesem Titel eine romantische Komödie oder ein Drama, zugeschnitten auf das weibliche Publikum vermutet, wird überrascht sein. „Mütter und Töchter“ von Rodrigo Garcia hat zwar wie so oft in dessen Filmen hauptsächlich weibliche Protagonisten. Doch was er mit ihnen und über sie erzählt, könnte nicht weiter von – frau verzeih mir diese verbale Spitze – essenziellen Problemfilmchen à la „Sex and the City“ entfernt sein.

Rodrigo hatte schon mit „Gefühle, die man sieht“ bewiesen, dass er eine prominente weibliche Darstellerriege wunderbar führen kann. Waren es in dem bewegenden Episodenstreifen aus dem Jahr 2000 u.a. noch Glenn Close, Cameron Diaz, Holly Hunter und Amy Brenneman, so konnte er diesmal Annette Bening, Naomi Watts und Kerry Washington (sowie abermals in einer Nebenrolle: Amy Brenneman) für sein nachdenklich stimmendes Skript gewinnen. Ein Skript, das nuanciertes Schauspiel und Emotionalität verlangt, ohne dabei im Kitsch zu ertrinken – was dem fabelhaften Cast wunderbar gelingt.

„Mutter und Töchter“ stellt drei Frauen (Karen, Elizabeth, Lucy) in den Mittelpunkt, die auf unterschiedliche Weise mit Mutterschaft konfrontiert werden: Karen (Bening) hat einst als 14-Jährige ihr Kind zur Adoption freigegeben, dies jedoch nie überwinden können. Ihre Tochter Elizabeth (Watts), von der sie (noch) nichts weiß, verschwendet zunächst keinen Gedanken an ihre Mutter („ihre Scheiß-Majestät“) und lenkt sich lieber mit Arbeit und einer Affäre mit ihrem Chef (Samuel L. Jackson) ab. Lucy (Washington) hingegen wünscht sich sehnlichst ein Kind und möchte nun eines adoptieren. Ihre eigene Mutter ist davon jedoch zunächst wenig begeistert.

Regisseur/Autor Rodrigo ist nicht daran interessiert, seinen Damen lediglich etwas Romantisches widerfahren zu lassen, nur um deren Leben eine neue Richtung zu geben. Vielmehr ist ihm mit „Mütter und Töchter“ eine präzise Studie gelungen, die vieles über zwischenmenschliche Beziehungen entlarvt und deutet, sei es von Mutter zu Tochter, von Frau zu Frau oder in einer Liebesbeziehung von Mann und Frau. Bemerkenswert dabei, wie viel Zeit und Raum der Film seinen Figuren zu ihrer Entfaltung lässt. So sind sie nicht nur als ‚Typen‘ zu sehen, die handeln wie es das Drehbuch vorgibt, sondern tatsächlich Menschen, die aus bestimmten Erfahrungen heraus ihre Lehren gezogen haben und nun dementsprechend auf ihre Umwelt reagieren. Sei es Karen, die das Flirten ihres neuen Kollegen (endlich wieder auf Film: Jimmy Smits) anfangs schroff abweist, oder Elizabeth, die selbst beim Quickie mit ihrem Boss die Kontrolle behält. Gleichzeitig gelingen Rodrigo immer wieder Szenen, die unvorhersehbar und spontan wirken, im Kontext der Charakterentwicklung allerdings stimmig sind. Das alles geschieht natürlich nicht mit großem Tamtam, sondern mit kleinen Gesten, Blicken und punktgenauen Dialogen, ergo: großem Darstellerkino.

So werden vielleicht einige Zuschauer am Ende ein Taschentuch zücken, wenn „Mütter und Töchter“ wenig überraschend zwar, aber doch wunderbar fotografiert, die drei Lebensgeschichten zusammenführt. Wem das zu peinlich ist, der darf sich gern auf meine Ausrede für das Schluchzen stützen: Es sind Tränen der Freude für 122 Minuten großartigster Schauspiel- und Filmkunst.

Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Sprachfassung, deutsche Untertitel, Making of, Interviews und Trailer. „Mutter und Töchter“ ist erschienen bei universum film und seit 16. September erhältlich.

Heimkino-Tipp: „Space Rangers“ (1992/1993)


TV-Serien haben in der vergangenen Dekade dank der Erst- oder Wiederveröffentlichung auf dem DVD-Medium sehr viel an Popularität gewonnen. Die Unabhängigkeit vom wöchentlichen Ausstrahlungstermin im Fernsehen, die Möglichkeit, mehrere Folgen am Stück ohne Werbeunterbrechung oder Wartezeiten zu schauen, hat eine ganz neue Fankultur entstehen lassen, die so zuvor noch nicht existierte. Schöner Nebeneffekt: Auch längst vergessene Kleinode, die seit Jahren nicht mehr im TV zu sehen waren, können nun wiederentdeckt werden.

Für mich persönlich zählt die kurzlebige Sci-Fi-Serie „Space Rangers“ zu jenen vergessenen ‚Fernsehjuwelen‘ (passenderweise auch der Name des veröffentlichenden Verlags). Gerade einmal sechs Episoden wurden Anfang der 1990er-Jahre hiervon produziert, bevor die Serie eingestellt wurde. Die Gründe waren vielfältig: Zu groß die Konkurrenz zeitgleich gestarteter Formate wie „Star Trek: Deep Space Nine“, bescheidene Effekte und unsinnige Entscheidungen seitens des produzierenden Senders CBS (so wurde die Ausstrahlung mit der dritten Folge begonnen, der einführende Pilotfilm erst später nachgereicht). Im Jahr 1994 war „Space Rangers“ dann auch im deutschen TV – in korrekter Reihenfolge und vollständig – zu bewundern. Allerdings war die Serie zu diesem Zeitpunkt für die Macher bereits seit zwei Jahren Geschichte.

Das von Pen Densham („Outer Limits“) entwickelte Konzept erzählt von den Abenteuern einer Gruppe von Gesetzeshütern, die im Jahr 2104 an einem abgelegenen Außenposten in den Weiten des Alls für Recht und Ordnung sorgen. Unter dem Kommando der kratzigen Chennault (immerhin: Oscar-Preisträgerin Linda Hunt) begibt sich John Boon (Jeff Kaake) zusammen mit seinem Team auf Missionen „an den Rand des Wilden Westen Weltall“. Neben einem mundfaulen, böse dreinblickenden Außerirdischen namens Zylyn (Mr. Spock lässt grüßen), zählen dazu u.a. noch ein Mechaniker mit großer Klappe, eine kampferprobte Blondine und ein Nachwuchs-Ranger, der sich erst noch beweisen muss. Alles drin also für kurzweilige, witzige und unterhaltsame Episoden.

Eine gewisse Bereitschaft für trashige Sets und hölzerne Dialoge sollte man als Zuschauer schon mitbringen, um „Space Rangers“ genießen zu können. Die Budgetknappheit ist den Folgen leider anzusehen, allerdings lässt sich auch nicht leugnen, dass einige der Darsteller ihre Rollen mit einem unübersehbaren Augenzwinkern versehen haben. Den Machern und Beteiligten fehlendes Engagement vorzuwerfen, wäre jedoch unfair. Gute Ideen waren vorhanden, die Umsetzung so gut wie eben machbar und die Geschichten hier und da auch spannend. Von inszenatorischer Klasse heutiger Serien zwar meilenweit entfernt, doch im Rahmen der Entstehungszeit (1992) akzeptabel.

Was bleibt ist die Erinnerung an eine ambitionierte Serie, die mit etwas mehr Mut seitens der Geldgeber vielleicht mehr Schauwerte und eine interessante Alternative zum „Star Trek“-Serienkosmos hätte bieten können. Unterhaltsam ist sie allemal.

Die DVD-Box bietet alle sechs Folgen in deutsch synchronisierter und englischer Sprachfassung sowie einen Trailer. Ein sehr informatives und mit viel Enthusiasmus gestaltetes Booklet mit aktuellen Interviews, Hintergrundinfos und Inhaltsangaben ergänzt das Set. „Space Rangers“ ist erschienen bei fernsehjuwelen/AL!VE AG und seit 23. September erhältlich.

„Melancholia“ (Kinostart: 6. Oktober 2011)

Genial, verrückt, mutig, untragbar – Lars von Trier ist seit jeher ein Künstler, der sein Publikum spaltet. Der dänische Regisseur und Drehbuchautor sorgt seit vielen Jahren immer wieder für Aufsehen, sei es mit seinem filmischen Schaffen („Dogville“, „Antichrist“) oder, wie zuletzt im Mai 2011 während der Filmfestspiele von Cannes, aufgrund von provozierenden Äußerungen, die sogar von Triers Rauswurf zur Folge hatten. Allen verbalen Entgleisungen zum Trotz heimste sein Film immerhin die Silberne Palme für die Beste Hauptdarstellerin (Kirsten Dunst) ein.

In „Melancholia“ ist sie als Justine zu sehen, die im Kreise ihrer Familie ihren Hochzeitstag begeht. Von ihrer Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) nach besten Kräften unterstützt, versucht Justine ihre depressiven Phasen zumindest für einen Abend zu unterdrücken und das Fest zu genießen. Allerdings gelingt ihr das im Laufe der Feierlichkeiten immer weniger. Einzig das Herannahen eines Planeten namens Melancholia kann Justine entspannen, verheißt sein Aufprall auf die Erde doch das Ende allen Lebens.

Wie schon in „Antichrist“ macht von Trier kein Geheimnis daraus, dass sein neuestes Werk viel Persönliches in sich trägt: „Ich denke, dass Justine sehr mir selbst entspricht. Sie basiert zu weiten Teilen auf meiner Person und meinen eigenen Erfahrungen mit Prophezeiungen vom Jüngsten Tag und Depression. Claire dagegen sehe ich eher als… ganz normalen Menschen“. Sie ist es daher auch, an die sich der Zuschauer in diesem von Minimalimus (Dialoge und Handlung) geprägten Film klammern sollte, um nicht selbst schon nach dem bedrückend schönen Prolog in Melancholie zu ertrinken. Denn von Triers bildgewaltige Liebeserklärung an die Epoche der Romantik lässt keinen Zweifel daran, dass die Mehrheit der Menschen ob ihres Verhaltens das Ende verdient hat. Ergo: Beinahe bösartig nimmt von Trier Claire jede Hoffnung auf Rettung und erfreut sich (mit Justine) an der Unausweichlichkeit des Todes.

Ironie? Provokation? Misanthropie? Was immer von Trier letztendlich antreibt, sein Kino ist und bleibt verstörend, fordernd, einzigartig – und sehenswert.

Aus dem „Meißner Tageblatt“ vom 5. Oktober 2011.