... im Nachgang: „The Zero Theorem“ (Kinostart: 27. November 2014)

Der letzte Blogeintrag 2014 gebührt Terry Gilliam und seinem wunderbaren Film „The Zero Theorem“. Mein Kollege beim Kinokalender Dresden war davon etwas weniger begeistert. Wer unser Streitgespräch nachlesen möchte, klickt bitte HIER!

(Plakat: © 2014 Concorde Filmverleih GmbH)

Heimkino-Tipp: „Zeit der Kannibalen“ (2014) + Gewinnspiel

Bestie Mensch

Es ist kein unbekanntes Terrain, dem sich Regisseur Johannes Naber und Drehbuchautor Stefan Weigl in ihrem Kammerspiel „Zeit der Kannibalen“ widmen: Schon Hollywood nahm sich zuletzt in „The Wolf of Wall Street“ (Rezension HIER) dem Geschäfts- und Feieralltag der Finanzjongleure an, die weit weg vom Rest der Bevölkerung mit kühler Präzision ihre Geschäfte tätigen, ohne über die Konsequenzen ihres Handelns zu reflektieren. Weniger ausufernd als bei Kollege Scorsese, dafür sehr viel detaillierter und doppelbödiger, folgt Nabers Werk drei Unternehmensberatern bei ihren Geschäften in Afrika und entlarvt dabei im Kleinen die hässliche Fratze des Kapitalismus, verpackt in bitterbösem Sarkasmus.

Öllers (Devid Striesow) und sein Partner Niederländer (Sebastian Blomberg) reisen im Auftrag ihrer Firma um die Welt, um neue Verträge auszuhandeln und Profite zu maximieren. Sie sind ein eingespieltes Team mit jahrelanger Erfahrung, deren einzige Herausforderung inzwischen nur noch darin besteht, viele Flugmeilen zu sammeln und möglichst bald die nächste Karrierestufe zu erklimmen. Zwei Ereignisse bedrohen jedoch plötzlich ihre gefühlte Unantastbarkeit: Der unerwartete Tod eines Kollegen und dessen weiblicher Ersatz, der sofort in Gestalt der jungen Bianca März (Katharina Schüttler) vor ihrer Tür steht. Warum ist sie hier? Was hat sie vor? Kann man ihr trauen? Zwischen eiskalt geführten Kundengesprächen, Mini-Bar-Exzessen und Drogenpartys mit Prostituierten liegen die Nerven – auch bei Bianca – bald blank.

Mit einer lediglich schemenhaft sichtbaren Außenwelt, die sich vornehmlich über Geräusche bemerkbar macht, fokussiert „Zeit der Kannibalen“ ausschließlich die Handlungen, Gesten und Dialoge seiner drei Protagonisten. In wechselnden Luxus-Hotels residierend, spotten sie über „die da draußen“, und geben so Einblicke in eine Welt, die von einer brutalen Sprache, Gewissenlosigkeit und schier grenzenloser Gier beherrscht ist. Das alles präsentiert der Film gleichsam präzise wie unverkrampft, so dass dem Publikum das Lachen buchstäblich im Hals stecken bleibt.

Erschreckend, amüsant, traurig, genial.

Aufgepasst, aufgepasst! Zum Verkaufsstart stellt der farbfilm verleih freundlicherweise drei DVDs des Films zur Verfügung. Wer ein Exemplar gewinnen möchte, schickt bitte eine Mail an cinecsaba@gmx.net. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, die ersten drei Mailschreiber gewinnen.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in mehrsprachiger Originalfassung (deutsch/englisch) sowie mehrsprachige Untertitel in deutsch (nur für nicht-deutsche Passagen), englisch und französisch. Im Bonusmaterial sind gelöschte Szenen sowie ein alternativer Blickwinkel auf das Filmfinale zu finden. „Zeit der Kannibalen“ erscheint bei farbfilm home entertainment / Lighthouse ist ab 12. Dezember erhältlich. (Packshot: © farbfilm home entertainment / Lighthouse)

Heimkino-Tipp: „Der Supercop“ (1980)

Ende der 1970er-Jahre versuchten Bud Spencer und Terence Hill neben ihren erfolgreichen gemeinsamen Projekten verstärkt, auch in Soloabenteuern an den Kinokassen zu bestehen. Nicht immer zum Vorteil der Fans, die wie beispielsweise 1980 damit rechnen mussten, am Ticketschalter vor eine nicht ganz einfache Entscheidung gestellt zu werden: „Plattfuß am Nil“ oder lieber „Der Supercop“? Spencer oder Hill? Beatles oder Rolling Stones? Blur oder Oasis?

Welcher Film letztendlich in Deutschland mehr einspielte, entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings durfte sich Hill in diesem inoffiziellen Wettkampf um die Zuschauergunst im Gegensatz zu seinem Kumpel Spencer über Oscar-gekrönte Unterstützung freuen: Ernest Borgnine („Marty“, 1955) stand ihm in der Komödie von Sergio Corbucci („Django“, 1966; „Zwei Asse trumpfen auf“, 1981) als Sidekick zur Verfügung und half zumindest in Übersee, das amerikanische Publikum für die Komödie zu begeistern.

Hill spielt den Polizisten Dave Speed, der sich während eines geheimen Waffentests des Militärs in einem Sperrgebiet aufhält. Als Folge hat er nun hellseherische Fähigkeiten und verfügt darüber hinaus noch über etliche andere Finessen, die ihm in seinem Job äußerst hilfreich sind. Zwar glaubt ihm sein erfahrener Partner Dunlop (Borgnine) kein Wort, das Lob für die zahlreichen Verhaftungen steckt er sich trotzdem ein. Als Dave mit seinem Können dem Gauner Torpedo (Marc Lawrence) zunehmend in die Quere kommt, setzt der alles daran, seinen Verfolger auszuschalten – denn er kennt dessen Schwäche: Die Farbe rot lässt Daves Superkräfte nämlich binnen Sekunden verschwinden.

„Der Supercop“ ist ein herrlich naiver, perfekt auf seinen Hauptdarsteller Hill zugeschnittener Spaß. So bietet die erste Hälfte des Films eine amüsante Aneinanderreihung von Szenen, in denen Blauauge Hill charmant und mit stetem Fragezeichen im Gesicht sein neues Ich kennenlernt und austestet, während Borgnine meist nur mit offenem Mund staunend daneben steht. Erst nach gut 45 Minuten nimmt die eigentliche Krimihandlung an Fahrt auf, auch wenn das Inszenieren von Spannungsmomenten nicht unbedingt Regisseur Corbuccis Sache ist. Vielmehr bedient er die klassischen Komponenten eines (Spencer- &)Hill-Streifens und lässt seinen Helden auch mal die Fäuste ausfahren. Das Ergebnis ist zwar überraschungsarm, dank der guten Chemie zwischen Hill und Borgnine, wunderbarer „Über“-Synchronisation mit flotten Sprüchen (zumindest in der deutschen Version) sowie den nur mäßig kaschierten Kameratricks jedoch trotzdem sehr unterhaltsam.

Mit Letztgenanntem sind nicht die offensichtlichen Rückprojektionen gemeint, sondern vielmehr die zahlreichen „handgemachten“ Effekte, wie beispielsweise ein sich bewegender Kaffeebecher (mit sichtbarem kleinen Ziehfaden) oder der kurze Zwischenschnitt auf Modellautos, wenn Dave einen Lkw nur mit seinem Blick „einparkt“. Bitte nicht falsch verstehen: Auch wenn es dank der heutigen Sehgewohnheiten etwas altbacken wirkt, bewundere ich solchen Ideenreichtum hinter der Kamera, der zeigt, dass die Filmemacher trotz niedrigem Budget keine Mühen scheuten, um eine glaubhafte Illusion auf der Leinwand zu erzeugen. Die Leidenschaft von Corbucci und seinem Team ist unübersehbar und helfen zudem (unfreiwillig), über Logiklöcher und plötzlich verschwindende Nebenfiguren hinwegzusehen (Stichwort: Silvius).

Fazit: Sicherlich nicht der ganz große Wurf, punktet „Der Supercop“ mit einem gut aufgelegten Duo Hill/Borgnine, herziger Tricktechnik und den üblichen ‚handfesten‘ Zutaten, die den bösen Buben auch ohne Special Effects ordentlich zusetzen.

Die Blu-ray präsentiert den Film in der deutschen und der italienischen Sprachfassung. Untertitel sind lediglich für die ital. Fassung vorhanden und nicht ausblendbar. Als Extras gibt es die Vollbildversion mit einem anderen Bildausschnitt (nur deutsch, keine UT), diverse Trailer, einen Bildvergleich vor und nach der Restauration sowie eine Bildergalerie. Der Erstauflage liegt abermals ein informatives Booklet zur Entstehungsgeschichte des Films bei. „Der Supercop“ erscheint bei 3L Vertriebs GmbH & Co. KG und ist seit 27. November erhältlich. (Packshot: © 3L)

... im Nachgang: „Interstellar“ (Kinostart: 6. November 2014)

Oscar-Preisträger McConaughey fliegt ins All und erlebt sein persönliches „Armageddon“ in zero-„Gravity“. Für mich eines der cineastischen Highlights kurz vor Jahresende. Warum, lest ihr HIER.

(Teaser-Plakat: © 2014 Warner Bros.)

Heimkino-Tipp: „Branded to Kill“ (1967)

Außer Kurosawa, Kitano und Miyazaki (Studio Ghibli) sieht es mit meiner japanischen Filmbildung erschreckenderweise ziemlich mau aus. Regisseur Seijun Suzuki? Nie gehört. Dabei zählen seine stylischen Werke offenbar mit zum Außergewöhnlichsten, was das japanische Kino hervorgebracht hat. Sein Actiondrama „Branded to Kill“ ist der beste Beweis dafür.

Entstanden 1967 als Teil seines Vertrages mit dem Studioriesen „Nikkatsu“, sollte ihm dieser Film eine unfreiwillige zehnjährige Arbeitspause bescheren. In höchstem Maße unzufrieden mit Suzukis Arbeiten, ließ sich Studiopräsident Kyūsaku Hori gar zu folgender Aussage hinreißen:

„Suzuki makes incomprehensible films. Suzuki does not follow the company's orders. Suzuki's films are unprofitable and it costs 60 million yen to make one. Suzuki can no longer make films anywhere. He should quit. Suzuki should open a noodle shop or something instead.“ (Zitiert nach: http://en.wikipedia.org/wiki/Branded_to_Kill).

In den 1980er-Jahren vom westlichen Publikum (wieder-)entdeckt, gilt das Werk inzwischen als Kultklassiker und zählt unter anderen Jim Jarmusch und – kaum überraschend – Quentin Tarantino zu seinen Fans.

Aber was ist es, das „Branded to Kill“ so bemerkenswert macht? Inszeniert in schwarz-weiß (nur ein weiterer Versuch des Filmstudios, Suzukis Kreativität zu bändigen), verquirlt der Streifen Einflüsse des Film noir mit dem Stil der Nouvelle Vague, ist sexuell überladen und aggressiv, spart nicht an Gewalt und stellt den Plot zugunsten seiner Optik in den Hintergrund. Einen zusätzlichen, verwirrenden Kick erhält die Handlung dank des unerwarteten, spontanen und manchmal auch konzeptlos wirkenden Schnitts, was dem Film vollends die reale Ebene entzieht und ihn beinahe wie eine Genre-Satire wirken lässt.

Im Mittelpunkt steht der undurchsichtige Hanada (Jô Shishido), der drittbeste Killer der japanischen Unterwelt. Mit seinem neuen Auftrag, dem ihn die mysteriöse Schönheit Misako (Mari Annu) vermittelt, hofft er, endlich zur Nummer eins seines Metiers werden zu können. Dummerweise misslingt sein Mordanschlag auf einen ausländischen Geschäftsmann, hingegen verliert eine Passantin ihr Leben. Fortan steht Hanada selbst auf der Abschussliste seines Bosses und muss sich nicht nur seiner verräterischen Gattin (Mariko Ogawa) erwehren, sondern ebenso dem „Killer No.1“ (Kôji Nanbara), der nun ebenfalls hinter ihm her ist.

„Branded to Kill“ verlangt seinen Zuschauern einiges ab: Sei es die ganz und gar entfesselte Umsetzung, die daraus resultierenden, nicht immer nachvollziehbaren Verhaltensweisen der Figuren, oder die so modern anmutende Zeigefreudigkeit der weiblichen Protagonistinnen. Völlig amoralisch und in keiner einzigen Szene bestrebt, Sympathiepunkte beim Publikum zu sammeln, ist dieser 90-Minüter eine cineastische Achterbahnfahrt, die mich in ihrer Radikalität umgehauen hat. Ein überaus seltsames Vergnügen.

Nach diversen DVD-Auflagen erscheint „Branded to Kill“ nun erstmals auf Blu-ray. Neben Trailern sind im Bonusmaterial noch sehr interessante Interviews, u.a. mit dem Regisseur und dem Hauptdarsteller zu finden. Der Film selbst liegt (wie auch bei seiner TV-Ausstrahlung) im japanischen Original mit optionalen deutschen Untertiteln vor. Darüber hinaus ist dieser Edition ein informatives Booklet mit vielerlei Hintergrundinformationen zur Entstehungsgeschichte sowie zur historischen Einordnung beigelegt. „Branded to Kill“ erscheint bei Rapid Eye Movies/Al!ve AG und seit 7. November erhältlich.

Heimkino-Tipp: „Mister & Pete gegen den Rest der Welt“ (2013)

Misshandlung, unzureichende Fürsorge und Vernachlässigung von Kindern sind weltweit auftretende Tatsachen, die zugleich traurig wie wütend machen. Jedes dieser Themen für sich allein schon eine Herausforderung für einen Film. Regisseur George Tillman Jr. („Men of Honor“; „Notorious B.I.G.“) versucht es gleich mit allen auf einmal und präsentiert mit „Mister & Pete gegen den Rest der Welt“ („The Inevitable Defeat of Mister & Pete“) ein gutes Drama, das jedoch an seinen Ambitionen scheitert.

Im Mittelpunkt steht der 13-jährige Mister (Skylan Brooks), der in Brooklyn aufwächst und eines Tages die Verhaftung seiner alleinerziehenden, drogensüchtigen Mutter (Jennifer Hudson) miterleben muss. Mit einem (fast) leeren Kühlschrank, nur wenigen Cents in der Tasche und dem neunjährigen Nachbarsjungen Pete (Ethan Dizon) im Schlepptau, ist es nun an Mister, den Alltag zu überstehen, bis seine Mom zurückkehrt. Als er erfährt, dass sie nach ihrer Haftentlassung absichtlich nicht nach Hause kommt, beginnt für die beiden Jungs ein harter Überlebenskampf im Ghetto.

Eines vorweg: Die Darstellerleistungen aller Beteiligten sind über jeden Zweifel erhaben. Neben Profis wie Hudson, Jeffrey Wright, Adewale Akinnuoye-Agbaje und Anthony Mackie sind es vor allem die zwei kleinen Helden, die verzaubern und die von Brooks und Dizon – beide übrigens schon mit Erfahrung vor der Kamera – mit Herzblut verkörpert werden.

Nun liegt es mir fern, Tillman Jr. und seinem Drehbuchautor Michael Starrbury zu unterstellen, eine unglaubwürdige Geschichte kreiert zu haben. Leider gibt es ja auch in unseren Gefilden immer wieder erschreckende Berichte über zerrüttete Familien und Kinderschicksale, die von unterbesetzten Sozialstationen und Jugendämtern übersehen wurden. Nichtsdestotrotz: Das konstante Ausgrenzen von Verwandten, Freunden und Geschwistern aus der Handlung wirkt ein wenig zu gewollt, um die Geschichte zum gewünschten, mit moralischem Zuckerguss überzogenen Ziel zu steuern. Da genügt es eben auch nicht, eine hübsche Ex-Nachbarin (Jordin Sparks) in günstigen Momenten als gute Fee einzuführen, nur um sie am Ende sang- und klanglos verschwinden zu lassen.

Stattdessen hält die Story immer neue Hürden (Diebstahl, Prügeleien) und Grausamkeiten (Andeutung von Pädophilie, Erkrankung) für die Kids bereit, die in ihrer schieren Ansammlung der Glaubwürdigkeit kaum zuträglich sind. Kommen dann noch eindimensionale Figuren wie der dauercholerische indische Ladenverkäufer hinzu, nützt der schönste Alicia-Keys-Street-Soundtrack nichts, um den Film von seiner Künstlichkeit zu befreien.

„Mister & Pete gegen den Rest der Welt“ ist ein beeindruckend gespieltes Sozialdrama, das seine lobenswerte Message über den Wert von Freundschaft, Charakterstärke und der Akzeptanz von fremder Hilfe in ein übergroßes Konstrukt voller Emotionen packt, die den Film letztendlich erdrücken.

Die DVD/Blu-ray präsentiert den Film in deutsch synchronisierter und original englischer Sprachfassung. Untertitel sind leider keine vorhanden. Als Bonus gibt es einen Audiokommentar von Regisseur und Darstellern, gelöschte Szenen, ein paar Kurzclips von den Drehvorbereitungen sowie Trailer. „Mister & Pete gegen den Rest der Welt“ erscheint bei Paragon Movies / Edel Germany und ist seit dem 29. August erhältlich. (Packshot: Paragon Movies / Edel Germany)

... im Nachgang: „Gone Girl“ (Kinostart: 2. Oktober 2014)

David Fincher macht das, was er als Filmemacher besser als viele andere kann: Er dreht einen Thriller. Der ist so gut, dass wir uns beim Kinokalender Dresden diesmal kein Streitgespräch sondern eine doppelte Lobeshymne gestatteten. Nachzulesen HIER.

(Teaser-Plakat: © 2014 Twentieth Century Fox)

Heimkino-Tipp: „Sharknado 2“ (2014)

Der bescheidene Erfolg des Blödsinns „Sharknado“ im vergangenen Jahr macht’s möglich: 2014 dürfen sich Ian Ziering alias Fin und Tara Reid als sein Schätzchen April wieder fliegenden Haien erwehren, die diesmal über New York niedergehen. Die Hoffnung, dass Regisseur Anthony C. Ferrante im zweiten Durchgang nun tatsächlich das versprochene amüsante Trashfest liefert, welches Teil eins sträflich schuldig blieb, wird allerdings auch diesmal nicht erfüllt.

Wen wundert’s, stammt „Sharknado 2: The Second One“ doch ebenso aus der „The Asylum“-Schmiede. Über deren Unzulänglichkeiten beim Versuch, einfachste Unterhaltung mit beschränkten technischen und finanziellen Mitteln zu kreieren, hatte ich mich bereits bei der Besprechung des ersten Teils ausgelassen (Rezension siehe HIER). Statt aber zumindest die „Kinderkrankheiten“ der Inszenierung – fehlendes Timing, Ironie, Tempo – zu beheben, schlägt Ferrante von Minute eins an in dieselbe Kerbe und macht sich nicht einmal die Mühe, seine Darsteller halbwegs anzuleiten. Das Ergebnis: Keiner weiß, in welche Richtung er rennen oder blicken soll und der ohnehin ständig nervös umherschwenkende Kameramann (wie im Vorgänger Ben Demaree) hat keine Ahnung, wo er draufhalten soll.

Ärgerlich ist diese ganze Chose vor allem deshalb, da bei der Namensgebung diverser Charaktere fleißig Referenzen zu anderen Komödien (z.B. „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“, 1980) eingebaut und zudem sogar einige Gastrollen mit Darstellern daraus besetzt worden sind. Doch auch hier: Statt diese Momente gebührend zu zelebrieren, schneidet Ferrante andere Szenen dazwischen, die keinerlei Bedeutung für die handelnden Figuren oder das Verständnis der „Geschichte“ haben.

Apropos: Die Story beschränkt sich darauf, den Helden aus Teil eins, Fin, dabei zuzusehen, wie er durch die Stadt hetzt, um seine Familie vor dem Sturm zu retten. Ab und an fliegt ein Hai vorbei (was für ein seltsamer Halbsatz!), den Fin natürlich plattmacht, während andere ein Körperteil abgebissen kriegen. Zumindest darf man das vermuten, zu sehen ist größtenteils natürlich nichts.

Ergo: Auch „Sharknado 2“ bleibt dem unsäglichen „The Asylum“-Prinzip und -Stil treu, enttäuscht selbst im Rahmen des Genres seine Zuschauer und bestätigt erneut, dass die Produktionsfirma keinerlei Ambitionen hegt, dies jemals zum Besseren zu ändern (Teil drei ist angeblich schon in Vorbereitung).

P.S.: „Sharknado 2“ wird voraussichtlich am 22.11. auf Tele 5 ausgestrahlt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Untertitel sind nicht vorhanden. Das Bonusmaterial enthält Trailer, Making of sowie verpatzte Szenen. Zusätzlich gibt es eine Blu-ray mit dem Film in einer 3D-Variante. „Sharknado 2: The Second One“ erscheint bei Indigo und ist seit 10. November erhältlich (Packshot: © Indigo).

Heimkino-Tipp: „Mauern der Gewalt“ (2013)

Dass ein Knastaufenthalt selten eine entspannte Sache ist, haben schon etliche Filme thematisiert. Ob psychische Belastungen für die Insassen und ihre Bewacher, die ständige Angst vor Übergriffen oder der Wunsch nach Flucht: aus allen möglichen Blickwinkeln ist das Leben hinter Gittern bereits filmisch verarbeitet worden. Warum sich also diesem Thema erneut widmen? Was kann eine Produktion aus dem Jahr 2013 Neues beisteuern, ohne mit endlosen Wiederholungen bereits bekannter Konflikte zu langweilen?

Eine befriedigende Antwort auf diese Fragen bieten David Mackenzies („Young Adam“, Hallam Foe“) bedrückendes Drama „Mauern der Gewalt“. Es schildert die ersten Wochen der langen Haftstrafe des 19-jährigen Eric (Jack O’Connell), der zu Beginn vom Jugendgefängnis in eine Haftanstalt für Erwachsene übergeben wird (der Originaltitel „Starred Up“ nimmt darauf Bezug). Schon kurz nach seiner Ankunft legt sich der aggressive Bursche mit anderen Häftlingen an, provoziert die Aufsichtskräfte und quittiert jedes Hilfsangebot anderer mit Gewalt. Nur bei einer Person wird er stets kleinlaut: Neville (Ben Mendelsohn) ist ein lebenslang Einsitzender, wird von allen Seiten respektiert – und ist Erics Vater. Er versucht, seinem Sohn, den er kaum kennt, die Regeln des Hauses und die zu beachtende Hackordnung im Gefängnis näherzubringen, scheitert jedoch ebenso am Unwillen seines Jungen, sich anzupassen. Ein Verhalten, das nicht folgenlos bleibt.

Es wirkt schon beinahe ironisch, dass Eric und Neville den Nachnamen Love tragen, legen sie doch beide nur selten ein „liebevolles“ Verhalten an den Tag. Eine bemerkenswerte Figurenpaarung, die von den hervorragenden Schauspielern O‘Connell und Mendelsohn mit ungeheurer Präsenz, Undurchschaubarkeit und Energie verkörpert wird: Während der Nachwuchs mit bloßer Muskelkraft seine Ziele durchzusetzen versucht, benötigt sein Vater nur einen Blick, um selbst Zwei-Meter-Männer in ihre Schranken zu weisen. Gleichzeitig verzweifelt er an der schier unlösbaren Aufgabe, seinem eigen Fleisch und Blut ein besseres, gefahrloses Leben zu ermöglichen. Schauspieler Mendelsohn knüpft dabei mit seinem differenzierten Spiel mühelos an seine Glanzleistungen in „The Place Beyond The Pines“ und „Killing Them Softly“ an, und empfiehlt sich einmal mehr als einer der bemerkenswertesten Darsteller seiner Zeit.

Was „Mauern der Gewalt“ neben dieser ungewöhnlichen Vater-Sohn-Geschichte so packend macht, ist die permanent mögliche „Explosionsgefahr“ aller Charaktere. Selten ist die ständige Anspannung, die einem solchen Ort innewohnt, derart präzise veranschaulicht und auf den Zuschauer übertragen worden. Die täglichen Abläufe sind nüchtern, beinahe dokumentarisch eingefangen und geben so einen sehr realen Eindruck vom Leben in Haft. Gleichzeitig stellt der Film die Frage nach den Möglichkeiten einer Resozialisierung von Wiederholungstätern und den Maßnahmen, die ergriffen werden sollten, um solche Menschen einerseits zu bändigen, andererseits zu bestrafen. Regisseur Mackenzies Entscheidung, als Protagonisten – ähnlich wie in Tim Robbins‘ Todesstrafen-Drama „Dead Man Walking“ – einen Unsympathen zu wählen, erschwert eine einfache Antwort darauf, die „Mauern der Gewalt“ (glücklicherweise!) selbst nicht zu geben vermag.

Eine hartes, unbequemes Drama, herausragend und beängstigend glaubhaft gespielt, das zudem zu Diskussionen anregt und dem Kanon der „Knastfilme“ einen würdigen neuen Kandidaten hinzufügt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind ein unkommentierter Blick hinter die Kulissen der Dreharbeiten, Promo-Interviews sowie Trailer vorhanden. „Mauern der Gewalt“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist seit 28. Oktober erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Ascot Elite)

Heimkino-Tipp: „Inbred“ (2011)

Wie sehr sich innerhalb wenige Jahre Sehgewohnheiten ändern können und wie schnell vormals Inakzeptables gesellschaftlich anerkannt und geduldet wird, zeigt sich besonders deutlich in der Filmkunst. So sind beispielsweise Werke wie „The Texas Chainsaw Massacre“ (1974) oder „Robocop“ (1987) nach Jahren der Indizierung inzwischen frei erhältlich und genießen auch außerhalb der Schmuddelecke hohes Ansehen bei Cineasten und Kritikern. Nun sollte der hier vorgestellte „Inbred“ qualitativ nicht unbedingt mit diesen Klassikern gleichgestellt werden, mindestens eine Gemeinsamkeit aber ist trotzdem zu finden: Denn auch „Inbred“ wurde der Makel des quasi-Verbots, welches er seit seiner Erstveröffentlichung mit sich trug, genommen und der Film ist nun – zumindest in Deutschland – erstmals ohne besondere Hürden käuflich erwerbbar. Überraschend vor allem deshalb, da Alex Chandons Fun-Splatter auf diese Entscheidung nicht traurige 20 Jahre warten musste, sondern lediglich wenige Monate.

Bereits im April 2013 besprach ich „Inbred“ auf diesem Blog (siehe HIER) und kam zu dem Schluss, dass die damals veröffentlichte, um mehr als vier Minuten gekürzte Version für Genrefans ein absolutes No-go darstellt. Während das Cover mit Aussagen wie „Wenn andere Horrorfilme zur Seite schwenken, zoomt ‚Inbred‘ noch ein Stück näher heran.“ prahlte, konnte man beim Anschauen der DVD/Blu-ray nur erahnen, was auf dem Bildschirm eigentlich passiert: „Für einen Film, dessen Hauptaugenmerk auf den (hier fehlenden) Splattereffekten liegt, ein Todesurteil.“ Ein Lob somit an dieser Stelle an den Rechteinhaber MAD DIMENSION, der es sich nicht nehmen ließen, „Inbred“ zum wiederholten Male bei der FSK vorzulegen – und siehe da, im dritten (und letztmöglichen) Anlauf erhielt der Schocker endlich seine Freigabe in ungeschnittener Form.

Die Story bleibt freilich unverändert: Eine Gruppe junger Problemkids fährt mit zwei Sozialarbeitern in die britische Pampa, um dort an einem Wochenende gutes Benehmen und Teamgeist zu erlernen. Nachdem zunächst das Navi im Auto ausfällt und später die Mobiltelefone als Erziehungsmaßnahme eingezogen werden, landen die Sechs in einem abgelegenen Dorf und legen sich sogleich mit den Eingeborenen an. Die fackeln nicht lang, sperren die Krawallmacher in ein Verließ und holen sie anschließend nacheinander einzeln wieder ab, um sie auf einer „Showbühne“ niederzumetzeln. Wenn es einigen Opfern dennoch gelingt zu entkommen, ist die neue Freiheit natürlich nur von kurzer Dauer, da die umliegenden Wälder und Äcker erwartungsgemäß mit allerhand Fallen bestückt sind.

Über den Sinn dieser „Handlung“ und die inhaltlichen Defizite habe ich mich bereits in der vorherigen Rezension zu „Inbred“ ausgelassen, daher seien hier nur die „neu zu entdeckenden“ Szenen angesprochen: Die bieten endlich das, was die amüsante Tagline auf dem Filmplakat verspricht: „They came in peace. They left in pieces.“ Blutige Splattereinlagen, oftmals derb, häufig übertrieben, immer brutal. Allerdings derart „over the top“ inszeniert, dass kein Zweifel daran besteht, wie satirisch die ganze Chose gemeint ist. Wenn das Showpublikum beispielsweise vor der Zweckentfremdung eines Schlauchs voller stinkender Jauche gebeten wird, seine 3D-Schutzbrillen aufzusetzen, ist das schon ein ziemlich deutlicher Kommentar (sprich: ein Gleichnis) zum derzeitigen Trend bei Hollywood-Großproduktionen, sein Publikum mit unnötigem Blödsinn wie 3D abzuzocken. Zugegeben, Subtilität sieht anders aus, witzig ist es trotzdem.

Ergo: Mit den wieder eingefügten Gore-Szenen eignet sich „Inbred“ gut für einen anspruchs- und spannungslosen, aber durchaus unterhaltsamen Filmabend unter Genre-Fans.

Die neue DVD/Blu-ray (wahlweise mit den Cover-Ergänzungen „Director’s Cut“ oder „uncut“) bietet den ungekürzten Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie endlich auch (deutsche) Untertitel. Als Bonus sind Trailer beigefügt. „Inbred – Uncut Edition“ erscheint bei Mad Dimension/AL!VE AG und ist seit 31. Oktober erhältlich. (Packshot: © Mad Dimension/AL!VE AG)

Heimkino-Tipp: „Zulu“ (2013)

Dass die Wunden der Apartheid wider besserer Absichten in Südafrika noch immer nicht verheilt sind, wird in diversen künstlerischen Arbeiten immer wieder thematisiert (siehe z.B. HIER). Mit Jérôme Salles „Zulu“, basierend auf einer Romanvorlage von Caryl Férey, gibt es nun einen weiteren Film mit dem Schauplatz Südafrika, der seinen Krimiplot um eine wahre Geschichte konstruiert, die erschütternder nicht sein könnte.

Der schwarze Polizist Ali (Forest Whitaker) und sein Kollege Brian (Orlando Bloom) untersuchen den Tod einer jungen Frau, die der wohlhabenden Schicht des Landes angehörte. Ihre Ermittlungen führen sie ins Drogenmilieu, das offenbar über ein weit verzweigtes Netz an Förderern aus dem ehemaligen Apartheids-Regime verfügt. Die haben erwartungsgemäß nur wenig Interesse daran, auf ihre lukrativen Einnahmen zu verzichten. Das bekommen Ali und Brian alsbald selbst auf schmerzvolle Weise zu spüren. Wohl auch, da die beiden Cops mit ihren Schnüffeleien ein sehr viel größeres Projekt in Gefahr bringen, das seine Ursprünge in der rassistischen Elite der 1980er-Jahre hat.

Gedreht an Originalschauplätzen und unter Mitwirkung von Township-Bewohnern, legt Regisseur Salle mit „Zulu“ einen temporeichen Thriller vor, dessen größte optische Überraschung sicherlich Orlando Bloom ist. Dessen realer Stiefvater engagierte sich gegen die Apartheid-Regierung, dass für Bloom dieser Film somit auch eine sehr persönliche Note besitzt, ist seiner Darstellung in jedem Frame anzusehen: mit beeindruckendem Sixpack und launigem Auftreten gibt er den Frauenhelden, der von Pünktlichkeit und Vatersein nicht viel hält, dafür aber stets einen Flachmann zur Hand hat, der ihn über seine eigene düstere Familiengeschichte hinwegtrösten soll. Klischee olé, ganz klar, von Bloom jedoch sehr glaubhaft und mit fiebriger Präsenz zum Leben erweckt. An seiner Seite präsentiert Whitaker einen sensiblen Detective, der aufgrund seiner Hautfarbe als Kind Schreckliches erfahren musste und trotzdem täglich versucht, die von Mandela propagierte ‚Vergebung für die einstigen Feinde‘ zu leben. Eine Charaktereigenschaft seiner Figur, die im Laufe der Handlung mehrfach auf die Probe gestellt und von Whitaker gewohnt souverän dargestellt wird.

Wie bereits angedeutet, dient die oberflächliche Thriller-Story nur als Aufhänger, um ein sehr viel bedeutenderes Thema aus der jüngeren Geschichte Südafrikas anzuschneiden. Dies gelingt Salle zunächst ganz wunderbar und ohne den befürchteten erhobenen Zeigefinger. Problematisch wird es jedoch immer dann, wenn die mit großem Aufwand inszenierte Action eben jenes Thema zu überdecken droht. Dies setzt sich bei der Gewaltdarstellung fort, die einerseits aufgrund ihrer Intensität und Zeigefreudigkeit verstört, andererseits vielleicht aber eben jene Konsequenz aufzeigen soll, mit der beide Seiten – Polizei und Drogendealer – ihren Zielen nachgehen. Für Zwischentöne bleibt da leider wenig Zeit, zumal die hektische Inszenierung den beiden Protagonisten ebenso kaum eine Verschnaufpause gönnt.

Nichtsdestotrotz zeugt es von Mut, ein derart heikles historisches Thema in einen solch temporeichen Thriller zu verpacken. Das Endergebnis ist unterhaltsam, blutig und für Fans des Genres sicherlich einen Blick wert. Ob es allerdings bei all dem Krach und Schauwerten auch zum Nachdenken anregt, ist fraglich.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englisch/afrikaans-Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Im Bonusmaterial finden sich ein kurzer Making of-Clip sowie ein Interview mit Orlando Bloom und Trailer. „Zulu“ erscheint bei Studio Hamburg Enterprises GmbH und ist seit 31. Oktober erhältlich. (Packshot + stills: © Studio Hamburg)

Heimkino-Tipp: „Spuren“ (2013)

Im Jahr 2014 ist es beinahe Normalität, dass Menschen mit dem Fallschirm aus Stratosphärenhöhe springen und Teenager allein die Welt umsegeln. Da wirkt das Abenteuer, welches Robyn Davidson Ende der 1970er-Jahre in Australien begann, fast schon altbacken: Begleitet nur von vier Kamelen und ihrem Hund Diggity, durchquerte sie per pedes den Kontinent und legte dabei eine Strecke von insgesamt etwa 3200 Kilometer zurück. Ihre Reise durch die Wüste dokumentierte der Fotograf Rick Smolan für den „National Geographic“ und machte Davidson so als „Camel Lady“ weltweit bekannt. Nach mehreren gescheiterten Versuchen anderer Filmemacher in den vergangenen Jahren, den Stoff für die Leinwand zu adaptieren, wagte sich nun John Curran („Stone“) an „Tracks“ und punktet darin dank seiner Hauptdarstellerin und einer wunderbaren Bilderflut.

Robyn (Mia Wasikowska, „Alice im Wunderland“, „Stoker“) ist eine Einzelgängerin. Gelangweilt von der ewig gleichen Routine des Städtelebens, bricht sie ins australische Alice Springs auf, um einen Trip vorzubereiten, den vor ihr noch nie ein Mensch gewagt hat: Sie möchte von dort allein bis zum Indischen Ozean laufen, zu sich selbst finden und dabei auch das Outback und seine Bewohner kennenlernen. Zuvor begibt sie sich jedoch auf eine Kamelfarm, um den Umgang mit den Tieren, die sie als Lastenträger begleiten sollen, zu trainieren. Da die Reise größere finanzielle Mittel voraussetzt, willigt sie ein, ihren Trip fotografisch festhalten zu lassen. Eine Entscheidung, die sie bald nach Beginn ihres Abenteuers bereut, entpuppt sich der Reporter (Adam Driver, „Frances Ha“) doch als Quasselstrippe mit scheinbar wenig Taktgefühl.

Darstellerin Wasikowska porträtiert Robyn Davidson zunächst als zurückhaltende Frau, die jedoch genug Selbstbewusstsein und Menschenkenntnis besitzt, um nicht naiv zu wirken. Zwar werden ihre Beweggründe nur schemenhaft angedeutet, Wasikowska gelingt es aber, Robyns Wunsch nach Stille und ihr Bedürfnis nach dem Alleinsein glaubhaft zu vermitteln. Das macht ihre Figur per se zwar nicht zum Gutmenschen, hilft aber, ihr Verhalten in den kommenden 100 Filmminuten zumindest teilweise nachzuvollziehen.

Was allerdings verwundert: Trotz der unbarmherzigen Natur und der vielen Nächte unter freiem Himmel ohne besonderen Schutz wird Robyn mit überraschend wenigen Problemen konfrontiert. Mehr als alles andere scheinen sie lediglich die vorbeiziehenden Touristen zu ängstigen, stehen sie doch mit ihrer meist direkten und rücksichtslosen Art für all das, was Robyn verabscheut. Ob vom Regisseur bewusst inszeniert oder schon in der Buchvorlage so beschrieben: der ‚Mangel‘ an Erlebnissen – abgesehen von Begegnungen mit Aborigines, paarungswilligen Wildkamelen und dem kleinen, unbedeutenden Fakt der Hitze – wirkt sich leider ebenso auf den Erzählfluss von „Spuren“ aus. So bemerkenswert die lange Reise auch ist, überraschende Wendungen oder spannende Momente finden sich hier kaum. Zwar wird die Hauptfigur zunehmend geselliger gegenüber ihren Mitmenschen. Die Frage, ob sie ihr Ziel sicher und körperlich unversehrt erreichen wird, steht allerdings nie zur Debatte. Andererseits bleibt Robyns physische Belastung zu nebulös, um wirklich Neugier an der Person zu wecken. Immerhin, es sieht wahnsinnig schön aus, was da mit der Kameraarbeit von Mandy Walker optisch eingefangen wurde.

So weit, so streitbar. Meine fehlende Empathie gegenüber der Hauptfigur hat aber noch einen anderen Grund, der sicherlich etwas speziell wirkt, mich jedoch über die gesamte Laufzeit beschäftigte: Im Gegensatz zu Robyn haben ihre tierischen Begleiter nämlich keinerlei Wahlmöglichkeit vor dem Antritt der Reise. Ihren Hund (schwarzes Fell, er wird sich bedanken) scheint Robyn vornehmlich als Kuschelersatz zu missbrauchen, während die Kamele ein Junges bei sich haben, das derartige Strapazen nicht gewöhnt ist. Zumal – und das muss man dem Film zugute halten, da er es anfangs ausführlich thematisiert und zeigt – deren Willen zuvor „gebrochen“ werden muss. Ein in meinen Augen sehr egoistischer Zug an Robyn, der sie etliche Sympathiepunkte bei mir gekostet hat.

Letztendlich ist es auch diese fehlende „Chemie“ zwischen der Hauptfigur und mir als Zuschauer, die „Spuren“ mehr wie eine verfilmte Dia-Reise-Show wirken lassen und weniger als einen interessanten Selbstfindungstrip, über den es zu reflektieren lohnt. Zu geradlinig ist die Erzählung, der es an inhaltlichen Höhepunkten mangelt, während die Protagonistin zwischen sonderbar und egoistisch schwankt und teilweise nur sehr schwer zu fassen ist. Eine rätselhafte Person, die „Spuren“ – zumindest mir – nicht entschlüsseln konnte.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Extras sind kurze Making of-Clips, Interviews, Szenen vom Dreh sowie diverse Trailer und eine interaktive Karte der Reiseroute vorhanden. „Spuren“ erscheint bei Elite Film AG (Ascot Elite) und ist seit 28. Oktober erhältlich. (Packshot + Filmstills: © Ascot Elite)

Heimkino-Tipp: „Audition“ (1999)

Takashi Miike zählt neben Takeshi „Beat“ Kitano sicherlich zu den bekanntesten japanischen Filmemachern der Gegenwart. Obwohl bereits seit Anfang der 1990er-Jahre im Business aktiv, sollte es noch bis 1999 dauern, bevor er weltweit für Aufmerksamkeit sorgte. Die nach eigener Aussage zufällig an ihn herangetragene Auftragsarbeit „Audition“ wurde so etwas wie seine Visitenkarte und gilt inzwischen als einer der wichtigsten Beiträge im mo(r)dernen Horrorfilmgenre. Das britische EMPIRE-Filmmagazin beispielsweise wählte eine Szene daraus in seiner gerade erschienenen November-Ausgabe unter die 25 „besten cineastischen Schreckmomente“ seit Bestehen der Zeitschrift 1989. Gleichzeitig werden viele andere Regisseure „vom Fach“, unter anderem John Landis, Eli Roth und Rob Zombie, nicht müde, ihre Begeisterung für Miikes Werk kund zu tun.

Ob gerechtfertigt oder übertrieben, zweifellos hebt sich „Audition“ qualitativ von anderen Genrevertretern ab. Auf sehr perfide Weise sogar, denn bei einer Laufzeit von 115 Minuten präsentiert der Film in den ersten 100 eine Art zarte Liebesgeschichte, die zwar einen mysteriösen Unterton nicht ganz verleugnen kann, definitiv aber nicht jenes Ende vermuten lässt, das sich daran anschließt.

Der Witwer Aoyama (Ryo Ishibashi) ist auf der Suche nach einer neuen Ehefrau. Angestachelt von seinem Sohn (Tetsu Sawaki), will er endlich wieder eine Lebensgefährtin finden, die sowohl selbstständig und klug als auch anständig und hübsch ist. Sein guter Freund Yoshikawa (Jun Kunimura), der als Filmproduzent arbeitet, unterbreitet Aoyama daraufhin einen ungewöhnlichen Vorschlag: Warum nicht eines seiner Castings nutzen, um aus den zahlreichen Schauspielerinnen eine geeignete Kandidatin herauszupicken? Mangels Alternativen und besserer Vorschläge willigt Aoyama in das Experiment ein. Und tatsächlich: In der schüchternen Asami (Eihi Shiina) scheint er seine Traumfrau gefunden zu haben. Als auch sie Interesse zeigt, ist das neue Liebesglück perfekt – glaubt er zumindest.

Wer bisher nichts über die Handlung von „Audition“ wusste, soll auch hier keine weiteren verräterischen Infos erhalten. Zwar deutet Regisseur Miike mittels Schnitttechnik, kurzen Szenenschnipseln und farblichen Hinweisen im Hintergrund schon früh an, dass bei dieser Romanze etwas nicht in Ordnung ist. Worum es sich dabei jedoch konkret handelt, sollte jeder Zuschauer selbst entdecken. Bis der Film diesen Punkt erreicht, serviert Miike in beinahe traumwandlerischer Form eine überaus sympathische Vater-Sohn-Geschichte mit zwei (bzw. drei, dank der Figur des Yoshikawa) Protagonisten, die schnell ans Herz wachsen. Die etwas abwegige, aber nie ins Lächerliche abdriftende Gattinnen-Suche via Casting charakterisiert zudem die liebeswerte Verzweiflung des Helden, der keine Möglichkeit sieht, auf andere Weise Frauen kennenzulernen. Ganz nebenbei nutzt Miike dieses Schaulaufen der Eitelkeiten für ein paar wunderbare ironische Seitenhiebe auf seine Branche und die, die davon profitieren wollen.

So verzückt „Audition“ über 90 Minuten mit einer ganz wunderbar erzählten Story, bevor im letzten Kapitel Aoyama und dem Publikum auf sehr innovative Weise das zu erwartende Happy-End verwehrt wird. Oder doch nicht? Miike führt uns Zuschauer gleich mehrmals aufs Glatteis und genießt sein Spiel mit unseren Erwartungen, die angesichts der überraschenden Ereignisse nur wenige Minuten zuvor ohnehin in alle Richtungen rennen.

Ob „Audition“ letztendlich als fieser, ironischer oder kritischer Gesellschaftskommentar gemeint ist, darf jeder selbst entscheiden. Nicht verhandelbar hingegen bleibt sein fester Platz im zeitgenössischen Horrorkino als einer der innovativsten Genrevertreter, der zudem noch sehr lange nachwirkt.

Nach diversen DVD-Auflagen erscheint „Audition“ nun erstmals auf Blu-ray. Neben Trailern ist im Bonusmaterial noch ein ca. 50minütiges Interview zu finden, in dem der Regisseur über seine Karriere spricht. Der Film selbst liegt in deutsch synchronisierter und japanischer Sprachfassung mit deutschen Untertiteln vor. Darüber hinaus ist dieser Edition ein informatives Booklet mit Aufsätzen und Statements verschiedener Autoren/Kollegen von Takashi Miike beigelegt. „Audition“ erscheint bei Rapid Eye Movies/Al!ve AG und seit 24. Oktober erhältlich.

Heimkino-Tipp: „Joe“ (2013)

Interesse an einer Reise zum Ende der Nahrungskette der amerikanischen Gesellschaft? Dann ist „Joe“ von David Gordon Green genau das Richtige: Ein Porträt von Menschen, die mit harter Arbeit aber wenig Perspektiven fernab der hippen Großstädte ihrem Alltag nachgehen und dabei wortwörtlich ums Überleben kämpfen.

Im US-Independent-Kino gibt es immer wieder cineastische Perlen, die ihre Geschichten in diesem Umfeld erzählen und ein Amerika präsentieren, das von Armut und rauen Charakteren geprägt ist. Kelly Reichardts „Wendy and Lucy“ (2008), das vierfach Oscar-nominierte „Winter’s Bone“ (2010) und in Ansätzen auch der düstere Thriller „Prisoners“ aus dem vergangenen Jahr springen ins Gedächtnis – und erhalten mit „Joe“ nun einen ebenbürtigen Nachfolger.

Im Mittelpunkt steht die Begegnung des titelgebenden Ex-Häftlings Joe (Nicolas Cage), der im tiefsten Texas mit einem kleinen Forstbetrieb ehrliches Geld verdient und von seinen Angestellten respektiert und geschätzt wird. Gary (Tye Sheridan) ist 15, mit seiner Familie gerade in diese Gegend gezogen und auf der Suche nach einem Job. Joe engagiert den Jungen und schon bald darauf ist er fester Bestandteil der Truppe. Garys wiederholte Auseinandersetzungen mit seinem arbeitslosen und gewalttätigen Vater (Gary Poulter) bleiben Joe nicht verborgen. Die eigene kriminelle Vergangenheit hindert ihn aber, einzuschreiten – vorerst.

Regisseur Green und seinem Autor Gary Hawkins liegt wenig daran, Sympathieträger aufzubauen. Sie bilden lediglich Figuren ab, deren Verhalten von ihrer mitleidlosen Umwelt geprägt wurde. Wer sich hier behaupten will, muss sich durchsetzen können und sollte keine Angst vor Konfrontationen haben. Dass dies alles so überaus real und glaubhaft wirkt, ist sicherlich der gleichnamigen literarischen Vorlage von Larry Brown geschuldet. Der aus dem Bundesstaat Mississippi stammende Schreiberling arbeitete jahrelang als Feuerwehrmann, bevor er als Schriftsteller eine zweite, viel beachtete Karriere startete. In seinen Werken verarbeitete der im Jahr 2004 verstorbene Brown oft eigene Erfahrungen und Erlebnisse, was sich auch in der Realitätsnähe von „Joe“ widerspiegelt.

Green wiederum besetzte etliche Rollen mit Laiendarstellern, die er vor Ort castete, um diesen ‚Geist‘ der Vorlage einzufangen. Bei Gary Poulter beispielsweise, hier als der saufende Vater zu sehen, handelte es sich um einen Obdachlosen, der nach dem Ende der Dreharbeiten in sein „altes“ Leben zurückging und nur wenige Monate später verstarb. Wer seine Performance in „Joe“ sieht, kann nur erahnen, welches Talent der Welt da verlorengegangen ist.

Ihm gegenüber steht ein nicht minder beeindruckender Nicolas Cage, der in meinen Augen nie schlechte Arbeit abgeliefert hat, in den vergangenen Jahren jedoch sein Können in etlichen unbedeutenden Filmen verschwenden musste. Hier nun darf er endlich wieder eine komplexe Rolle mit Leben erfüllen und tut dies mit Bravour.

Mag „Joe“, so sagt es Green selbst, das Rad auch nicht neu erfinden. Als Charakterstudie der Menschen, Momentaufnahme eines taumelnden Landes und als Bühne für bemerkenswerte Darstellerleistungen aber überzeugt dieses kleine Werk auf ganzer Linie.

P.S.: Da die Sprache einen wichtigen Teil der Charakterisierung ausmacht, sollte „Joe“ in der Originalversion geschaut werden.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Als Bonusmaterial gibt es ein kurzes, aber informatives Making of, ein Porträt des Schriftstellers Larry Brown, geschnittene Szenen sowie Trailer. „Joe – Die Rache ist sein“ erscheint bei Koch Media und ist seit 23. Oktober erhältlich. (Packshot: © Koch Media GmbH)

Heimkino-Tipp: „Grace of Monaco“ (2014)

Das diesjährige Filmfestival in Cannes hielt einmal mehr etliche Überraschungen bereit: Neben einer Panzerkolonne(!), mit der Sylvester Stallone und seine Recken für ihren neuesten Actionfilm „The Expendables III“ warben, holte sich Regisseur Olivier Dahan („La vie en rose“, 2007) für seinen Eröffnungsfilm ordentlich Kritikerschelte ab. Sein Drehbuchautor ließ die Premiere an der Côte d’Azur gleich ganz sausen, und der für den US-Verleih zuständige Harvey Weinstein bestand auf eine neue Schnittfassung. So viel negative Publicity verwundert für ein Werk, das dank Thema, Besetzung und Mitwirkenden eigentlich ein Selbstläufer hätte werden müssen. Schlimmer noch: Die Fachpresse reihte sich nach dem weltweiten Kinorelease größtenteils in die Schimpftiraden ein, vom Publikum wurde der Film weitestgehend ignoriert. Aber ist „Grace of Monaco“ tatsächlich jener Totalausfall, wie viele behaupten?

Fakt ist: Der historischen Figur Grace Kelly, einst Hollywood-Superstar und Oscar-Preisträgerin, später dank ihrer Heirat mit Fürst Rainier III. First Lady von Monaco, wird das Drama leider nicht gerecht. Zu eng ist der gewählte Zeitraum, in der die Handlung gepresst wurde, die zudem – das macht der Film mit einem Vorwort deutlich – nicht als Biografie verstanden werden soll. Vielmehr handele es sich um eine fiktive Geschichte, beruhend auf wahren Begebenheiten.

Kelly (Nicole Kidman) hat ihre Filmkarriere 1962 bereits hinter sich gelassen und lebt mit ihrer Familie in Monaco. Der überraschende Besuch von Regisseur Alfred Hitchcock (Roger Ashton-Griffiths), mit dem sie einst einige ihrer größten Erfolge in Hollywood feierte, lässt ihre Leidenschaft für die Schauspielerei erneut entflammen. Zwar überlässt ihr Gatte Rainier (Tim Roth) ihr zunächst die Entscheidung, ob sie noch einmal in einem Film mitwirken will. Für Grace bleibt es trotzdem eine heikle Angelegenheit. Denn das Volk könnte dies als Desinteresse an ihrer Aufgabe als Staatsoberhaupt interpretieren, Frankreichs Präsident De Gaulle (André Penvern) wartet indes nur darauf, das monegassische Fürstenhaus mit schlechter Presse weiter zu schwächen – und womöglich sogar seinem Staat einzuverleiben. Zerrissen zwischen persönlichen Wünschen, der strengen Etikette des Palastes, politischen Intrigen und Zweifeln an ihrer Ehe muss Grace sich entscheiden, welchen Weg sie gehen will.

Die (Lebens-)Geschichte von Grace Kelly, jener Frau, die auf dem Zenit ihrer Karriere alles hinter sich ließ, um zur Prinzessin zu werden, ist zweifellos faszinierend und bietet eine Fülle an Möglichkeiten einer filmischen Umsetzung. Regisseur Dohan und sein Autor Arash Amel entschieden sich für einen Weg, der sowohl mutig als auch heikel ist: Statt sich am wechselvollen Leben der Kelly mit persönlichen und beruflichen Höhe- und Tiefpunkten abzuarbeiten, nutzen sie lediglich einzelne biografische Eckdaten für die Konstruktion eines Krimiplots, der zwar durchaus spannend daherkommt, dabei jedoch immer wieder von Soap-haften Momenten unterbrochen wird. Sollte dies der Versuch sein, das Gehabe der stets auf ihre Außenwirkung bedachten „oberen Zehntausend“ ein wenig zu konterkarieren, so ist er nur halbgar und nicht mit letzter Konsequenz zuende geführt.

So schwingt der Film, auch unterstützt durch seine Postkarten-Bilderwelten, ständig zwischen märchenhafter Mädchenfantasie (Ein Prinz! Ein Traumschloss! Schöne Garderobe! Pferde!) und Historienkrimi hin und her, bei dem nie ganz klar ist, was auf realen Fakten beruht und was hinzugedichtet wurde. Ist das für einen Filmemacher erlaubt? Natürlich! Nur ergibt sich daraus formal leider kein einheitliches Ganzes. Einem ähnlichen Problem stand übrigens auch Oskar Roehler gegenüber, der in „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ (2010) ein beinahe identisches Konzept verfolgte.

Auf der anderen Seite hat „Grace of Monaco“ aber ebenso etliche Pluspunkte vorzuweisen: Die Darsteller, allen voran Frau Kidman, spielen ihre Rollen glaubhaft, wirken bei machen jener platten Dialogszenen allerdings arg unterfordert. Mit Freude habe ich zudem die Anspielungen auf andere Filme jener Ära vernommen, sei es mit ganz konkreter Nennung („Marnie“, „James Bond“) oder in der Art der Inszenierung (Autofahrt an Küste), die die Dualität des Films zwischen Fantasiewelt und Realität noch einmal unterstreichen.

Dahans „Grace of Monaco“ ist nicht so schlimm, wie es der mediale Ruf vermuten lässt. Das Können der Filmemacher ist offensichtlich, nur scheint es an Ideen gefehlt zu haben, die vielen Talente richtig zu kanalisieren bzw. einen einheitlichen Ton zu treffen. Vielleicht wäre Drehbuchautor Amel besser gefahren, wenn er ein anderes Kapitel aus Kellys Leben gewählt hätte, das keinen zusätzlichen Krimiplot für den Spannungsaufbau benötigt. So endet das Biopic, das keines ist, mit einer zweifelhaften Wandlung einer Frau, der die gesamte Welt offen stand – die sich aber mit einer 2,02 km² kleinen zufriedengab. Warum sie das tat und wie sie sich mit dieser Entscheidung in ihrem restlichen Leben arrangierte, bleibt ungesagt.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung, deutsche und englische Untertitel für Hörgeschädigte. Als Extras sind lediglich Trailer beigefügt. „Grace of Monaco“ erscheint bei Square One/Universum Film und ist seit 2.Oktober erhältlich (Packshot: © Universum Film).

Heimkino-Tipp: „Lone Survivor“ (2013)

Mit Filmen über amerikanische Kampfeinsätze ist das so eine Sache: Meist auf die Unterstützung des Militärs zur Umsetzung angewiesen, werden Drehbücher oftmals vor Produktionsbeginn von „Beratern“ überprüft, die sich um eine „korrekte“ Darstellung des Soldatenlebens und deren Handlungen bemühen. Erst danach wird entschieden, ob die Macher auf die helfenden Hände des US-Militärs zählen können. Welche ärgerlichen Auswüchse Vereinbarungen dieser Art zwischen Hollywoodstudios und ‚Propagandaabteilung’ haben können, zeigt sich unter anderem im technisch brillanten Ridley Scott-Werk „Black Hawk Down“ aus dem Jahr 2001: Obwohl um Objektivität bemüht, huldigt der zweifach Oscar-gekrönte Streifen unverhohlen die wenigen US-Streitkräfte eines misslungenen Somalia-Einsatzes, während die anwesende (schwarze) Bevölkerung lediglich als schreiende, blutdurstige Masse dargestellt wird und nicht einmal im Abspann ein relativierendes Statement erhält.

Insofern war die Skepsis gegenüber „Lone Survivor“ von Peter Berg („Hancock“) groß, dokumentiert sein mit Mark Wahlberg, Emile Hirsch, Taylor Kitsch, Ben Foster und Eric Bana prominent besetztes Actiondrama doch ein ähnliches Ereignis der jüngeren US-Militärgeschichte. Dass Berg jedoch gleichsam keine Angst vor deutlicher Kritik an der Außenpolitik Amerikas kennt, bewies er eindrucksvoll mit dem Schlusssatz(!) im packenden „Operation: Kingdom“.

Tatsächlich lässt Berg es in „Lone Survivor“ zunächst sehr ruhig angehen. In fast schon durchgestylter Michael-Bay-Optik widmet er sich seinen Hauptakteuren und zeigt sie bei der konzentrierten Vorbereitung eines Einsatzes in Afghanistan. Ein einflussreicher Taliban-Funktionär soll ausgeschaltet werden. Zunächst verläuft die Mission wie geplant, und die vier Soldaten Luttrell, Dietz, Murphy und Axelson beziehen ihre Posten in einer Bergregion mit Blick auf ein Dorf, in dem der Anführer zugegen ist. Das zufällige Auftauchen dreier Schafhirten und ihrer Tiere zwingt die Navy Seals jedoch dazu, ihre Deckung aufzugeben. Ihr Versuch, sich unbemerkt zurückzuziehen, endet in einem blutigen Kampf gegen eine ganze Taliban-Armee.

Ohne Frage: Was „Lone Survivor“ an Feuerkraft, Soundeffekten (doppelt Oscar-nominiert) und Kameraarbeit auffährt, ist herausragend. Weit entfernt von den absurden Ballerorgien in 80er-Jahre-Filmen wie „Rambo II – Der Auftrag“ oder „Phantom Kommando“ steht hier die realistische Darstellung eines Feuergefechts im Vordergrund, bei dem sich beide Seiten nichts schenken. Zwar verweilt der Fokus (und das Kamerateam) stets an der Seite der vier Amis, die Willenskraft ihrer Gegner bleibt allerdings ständig spürbar. Statt unkontrolliertes „Rumrennen und Reinhalten“ orientiert sich der Kampf an Taktik und überlegtem Handeln, zumindest so lange, wie dies den hoffnungslos unterlegenen Seals möglich ist.

Ist dies unterhaltsam? Zumindest für all jene, die auch bei der Eröffnungssequenz von „Der Soldat James Ryan“ abfeiern und sich nur an der „Action“ ergötzen. Regisseur Berg jedoch gelingt es, ähnlich wie Spielberg, zu einem sehr viel essenzielleren Kern vorzustoßen: dem reinen Überlebenskampf, in dem sich nicht mehr zwei unterschiedliche Weltanschauungen gegenüberstehen, sondern lediglich zwei Männer, die unter Zuhilfenahme einfachster Mittel alles versuchen, um nicht durch die Hand des Anderen zu sterben. Bezeichnend ist hierfür eine Szene im letzten Drittel des Films, die sehr an den markerschütternden Messerkampf in Spielbergs „Ryan“ erinnert.

Dass „Lone Survivor“ im Nachhinein kein so übles „Geschmäckle“ hinterlässt wie der oben erwähnte „Black Hawk Down“, mag der (wahren) Geschichte selbst geschuldet sein: Nur die Hilfe der einheimischen Bevölkerung ermöglichte es, derart lange gegen die Talibankämpfer anzukommen. Ein Fakt, dem Berg relativ viel Zeit widmet und auch im Abspann sowie im Bonusmaterial der DVD/Blu-ray noch einmal in einem separaten Feature anspricht.

Bitte nicht falsch verstehen: Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Krieg, menschlicher Leidensfähigkeit, religiösem wie ideologischem Fanatismus (z.B. der befremdliche Ehrenkodex der Seals) oder der Überheblichkeit amerikanischer Soldaten bei der Begegnung mit afghanischen Verbündeten gibt es in „Lone Survivor“ nicht.

Stellt sich somit nur noch die Frage, was die Beteiligten – allen voran Regisseur Berg – dazu bewogen hat, diesen Film auf die Leinwand zu bringen: Um zu beweisen, dass man es (sehr gut) kann? Mission accomplished! Oder um dem amerikanischen Ego etwas Gutes zu tun? Mission leider ebenso accomplished! Ich hoffe auf Ersteres, befürchte jedoch Letzteres.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche und englische Untertitel. Als Extras befinden sich diverse Making of-Dokus, Interviews und Trailer auf den Discs. „Lone Survivor“ erscheint bei Circle Three/Universum Film und ist seit 17. Oktober erhältlich. (Packshot: © Circle Three/Universum Film)

Heimkino-Tipp: „Jimmy P.“ (2013)

Manche Werke tragen ihre Besonderheit bereits im Namen: „Jimmy P. – Psychotherapie eines Indianers“ dürfte einer der wohl sonderbarsten Titel sein, den ein Spielfilm je erhalten hat. Ein Film, der mit Benicio Del Toro und Mathieu Amalric zudem gleich zwei Schauspieler von Weltrang in den Hauptrollen vorweisen kann, die sowohl im Blockbuster- als auch Programmkino zu Hause sind.

„Jimmy P.“ ist, es liegt auf der Hand, der letztgenannten Kategorie zuzuordnen und basiert auf dem gleichnamigen Buch des Psychoanalytikers Georges Devereux, der den hier geschilderten Fall kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs selbst erlebte. Devereux, von Amalric als ein hippeliger, stets gutgelaunter Charakter dargestellt, wird Anfang der 1950er-Jahre als Berater in eine amerikanische Klinik gebeten, die sich auf vom Krieg traumatisierte Soldaten spezialisiert hat. Ein neuer Patient namens Jimmy Picard (Del Toro) klagt über Kopfschmerzen, partielle Erblindung und andere Beschwerden, offenbar ausgelöst durch eine Kopfwunde, die er sich im Krieg zugezogen hat. Allerdings blieben die Untersuchungen der Ärzte bisher erfolglos. Nun soll Devereux es richten und der stürzt sich gleich voller Begeisterung in diese Aufgabe.

Hauptsächlich um die Gespräche von Picard/Devereux kreisend, enthüllt der Film von Arnaud Desplechin mit zunehmender Laufzeit sukzessive verschiedene Traumata, die für die Erkrankung des Indianers verantwortlich sein könnten. Während Amalrics Figur dem Zuschauer mit seiner hyperaktiven Art viel Geduld abverlangt, setzt Del Toro mit seinem zurückhaltenden aber intensiven Spiel viele Akzente. Ein Gegensatz, der zweifellos für Kurzweil sorgen könnte – wenn denn das Drehbuch eine interessante Geschichte zu erzählen hätte. An diesem Punkt jedoch scheitert der Film auf beinahe ganzer Länge.

Denn die „Entdeckungen“, die beide Männer in Jimmys Vergangenheit machen, sind relativ profaner Natur. Das mag Anfang der 1950er-Jahre noch anders gewesen sein. Da Regisseur Desplechin, der auch am Drehbuch mitwirkte, es allerdings versäumt, aktuelle Bezüge einzubauen, bleibt das zu Sehende bzw. zu Hörende seltsam spannungsarm – zumindest für Zuschauer, die wenig bis gar keinen Bezug zur Psychoanalyse haben.

Viel eklatanter als der Unwille, fachfremdes Publikum mit einzubeziehen, sind jedoch zwei andere Punkte, die Nachlässigkeiten der Regie verdeutlichen: Erstens schafft es Desplechin, Dialoge der beiden Protagonisten stets genau dann mit Szenenwechseln zu unterbrechen, wenn sie interessantere Eigenschaften der Figuren freigeben würden. Zweitens verwundert das gewählte Breitwandformat: „Jimmy P.“ ist ein beinahe reiner Dialogfilm, der erwartungsgemäß viele Nahaufnahmen von Gesichtern präsentiert und keine Verwendung für Panoramabilder hat. Ein Breitwandformat schafft bei Unterhaltungen eher eine Distanz – und erschwert somit auch optisch eine Annäherung an die beiden Charaktere.

„Jimmy P.“ ist ein Film, der inhaltlich völlig aus der Zeit gefallen scheint. Leider gelingt es nicht, der an Höhepunkten armen Handlung zumindest inszenatorisch ein paar Glanzpunkte zu bescheren. Von den Hauptdarstellern mit Herzblut und Können präsentiert, ist „Jimmy P.“ lediglich für Psychologie-Studenten und -Erfahrene interessant. Die aber, und da bin ich mir sicher, werden an dieser knapp zweistündigen Therapiesitzung viel Spaß haben.

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalfassung. Untertitel sind leider keine vorhanden. Als Extra gibt es den Filmtrailer. „Jimmy P.“ erscheint bei Capitol Film / Edel Company und ist seit 10. Oktober erhältlich. (Packshot: Capitol Film / Edel Company)

Heimkino-Tipp: „Nurse 3D“ (2013)

Hoppla! Da war das Budget für die Kostümabteilung wohl etwas knapp bemessen? Anders lässt sich die Zeigefreudigkeit in Douglas Aarniokoskis „Nurse 3D“ kaum begründen. Es sei denn, sie ist tatsächlich einzig und allein dem Willen der Hauptdarstellerin geschuldet, wie es der Regisseur im Audiokommentar andeutet. Paz de la Huerta („Boardwalk Empire“, „Enter the Void“), so der klangvolle Name der Dame, soll nämlich darauf bestanden haben, etliche Szenen ohne verhüllende Stoffe spielen zu dürfen. Es entspräche dem Charakter der Filmfigur. Na wenn das so ist...

Bezeichnen wir es daher als Schauspielkunst, was Huerta alias Abby da bereitwillig in die Kamera hält. Ihr Alter Ego in „Nurse 3D“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, untreue Männer für ihr außereheliches Handeln zu bestrafen. Ihr angeeignetes Wissen als Krankenschwester ist ihr dabei sehr zuträglich, kann sie doch so kurz aber schmerzvoll ihr Werk verrichten. Ihre neue Kollegin Danni (Katrina Bowden) weckt ihr Interesse allerdings aus ganz anderen Gründen: Jung, blond, etwas naiv und mit einem aus Abbys Sicht einfältigen Freund bestraft, braucht dringend eine neue beste Freundin. Jemanden der zuhören kann, sie in den Arm nimmt und vielleicht auch mal mehr zulässt. Nach einer alkoholgetränkten Nacht verflüchtigt sich dieser Traum von Abby jedoch gleich wieder. Da der männermordende Vamp mit Zurückweisung gar nicht gut umgehen kann, wird Danni alsbald vom Objekt der Begierde zum Objekt, dessen Leben es zu zerstören gilt.

Mag das oben zu sehende Filmplakat und der bereits angedeutete Blutzoll einen billigen Splatterfilm mit viel nackter Haut vermuten lassen: „Nurse 3D“ ist sehr viel besser als viele B-Movie-Kollegen – und bedient trotzdem sein (wahrscheinlich bevorzugt) männliches Publikum mit allen Frontcover-Versprechungen. Die Kamera ist vornehmlich in Bauchhöhe unterwegs, die knappen Schwesternuniformen sind eng, und an deftigen Gewalteinlagen getränkt in literweise rotem Lebenssaft mangelt es nicht. Selten aber sah ein Nischenfilm derart gut aus. Und dies ist nicht nur den hübschen Protagonistinnen zu verdanken: Regisseur Aarniokoski ist sein Können bezüglich Optik, Schnitt und Szenenaufbau anzumerken, die jahrelange Assistenz auf Sets von Kollege Robert Rodriguez scheint sich also ausgezahlt zu haben.

Einzig die Hauptdarstellerin verwirrt in dem ansonsten geradlinig erzählten Slasher etwas: Huertas Art zu sprechen (zumindest im O-Ton), ihr Gang, ihr gesamtes Erscheinungsbild im Film heben sich derart von ihrer Umgebung ab, dass es eigentlich nur zwei Erklärungsmöglichkeiten hierfür gibt. Erstens: Huerta ist im Privatleben eine Kunstfigur à la Lady Gaga, die sogar für eine Rolle wie diese nie ihre Fassade fallen lassen würde oder gar nicht erst versucht, jemand anderes zu sein. Dann hat sie in „Nurse 3D“ schlicht sich selbst gespielt und wurde formidabel besetzt. Oder, Möglichkeit zwei: Keiner am Set wagte Huerta darauf hinzuweisen, dass ihr Schauspiel keines ist – gestelzter Vortrag, emotionsloses Äußeres, eine unnahbare Diva auf zwei Beinen, die auch in intimen Szenen keinerlei Emotionen zeigt. Sollte Letzteres zutreffen, wird es für Huerta höchste Zeit, einen Acting-Coach zu konsultieren.

Unabhängig davon ist „Nurse 3D“ aber ebenso in zweidimensionaler Form eine gute Wahl für einen unterhaltsamen Horrorfilmabend: „knackige“ 85 Minuten mit viel nackter Haut, Blut in rauen Mengen und Amüsement ohne Pardon. Ein bisschen Spaß muss ja ab und an auch mal sein…

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Ein kurzes Making of, eine sinnfreie Hinter-den-Kulissen-Doku von zwei der Darsteller, und Trailer sind im Bonusteil zu finden. Während die DVD lediglich die 2D-Fassung beinhaltet, kommt die Blu-ray mit 2- und 3D-Fassung daher und kann auch im limitierten Steelbook erworben werden. „Nurse 3D“ erscheint bei Square One/Universum Film und ist seit 10. Oktober erhältlich (Packshot: © Universum Film).

Heimkino-Tipp: „Lauf Junge Lauf“ (2013)

Nicht erst die aktuellen politischen Konflikte weltweit haben erneut verdeutlicht, wozu die „Bestie Mensch“ fähig ist. Dem gegenüber stehen oftmals Schicksale, die nicht minder mit dem Attribut „unglaublich“ versehen werden können: Überlebensgeschichten, die so unfassbar tragisch und gleichzeitig beeindruckend sind, dass sie mich immer wieder ins Staunen versetzen. Eine solche wahre Überlebensgeschichte ist die von Yoram Fridman, einem polnischen Jungen, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft während des Zweiten Weltkriegs mehrere Jahre auf der Flucht war und die nun mit „Lauf Junge Lauf“ verfilmt wurde.

Der neunjährige Srulik (dargestellt von den Zwillingen Andrzej und Kamil Tkacz) flieht aus dem Warschauer Ghetto. Auf sich allein gestellt, irrt er zunächst ziellos durch die Wälder und versucht, mit einfachsten Mitteln in der unbarmherzigen Natur zu überleben. Eine zeitlang findet er Unterschlupf bei einer Bäuerin, doch auch hier ist er nicht sicher. So zieht er weiter durch das Land, lernt andere im Wald lebende Waisenkinder kennen und verdient sich etwas zu Essen, indem er auf Gutshöfen aushilft. Seinen Gastgebern gaukelt er dabei stets vor, ein Katholik zu sein. Doch die Angst, von den deutschen Besatzern entdeckt und enttarnt zu werden, bleibt.

Basierend auf einem im Jahr 2000 erschienenen Roman von Uri Orlev, nahm sich der deutsche Oscar-Preisträger Pepe Danquart (1994 für den wunderbaren Kurzfilm „Schwarzfahrer“) der schwierigen und aufwendigen Verfilmung des Stoffes an. Schwierig vor allem deshalb, da die Hauptfigur auf ihrer langen Odyssee auf viele Menschen, Situationen und Begebenheiten trifft, die alle Auswirkung auf sein Verhalten, sein weiteres Leben und seinen Charakter haben. Endlos viele Episoden, von denen Danquart offenbar keine aussparen wollte. Das Ergebnis: Die filmische Version von „Lauf Junge Lauf“ reiht in sehr kurzen Abständen – zu kurz nach meinem Befinden – Momente aneinander, deren Bedeutung für den Jungen man nur erahnen kann. Zweifellos, diese Art der Umsetzung überträgt einerseits das ständige Gehetzt-Sein und die Ruhelosigkeit des Protagonisten sehr wirkungsvoll auf die Zuschauer. Andererseits jedoch fällt es mitunter schwer, eine emotionale Bindung zu Srulik aufzubauen, da auch der Film auf diese Weise nie zur Ruhe kommt und Sruliks Reise bei aller Tragik – man verzeihe mir diese Formulierung in diesem thematischen Kontext – einer Ansammlung von Abenteuern gleicht, die es zu bestehen gilt.

Die einzige „Spannungsschraube“, die Danquart immer wieder effektiv nutzt, ist jene der Begegnungen mit anderen Menschen: Kann Srulik ihnen vertrauen? Oder werden sie ihn verraten? Helfen sie aus purer Menschlichkeit oder aus Eigennutz, um ihn später möglicherweise im Tausch für eine Belohnung an die Besatzer zu verkaufen? Wie unsicher ein solches Leben voller Furcht und ständiger Todesangst sein muss, ist für jemanden, der es nie erleben musste, nicht vorstellbar. Vielleicht spart Danquart diese Szenen daher absichtlich aus, da sie kaum darstellbar sind …

… oder zumindest nicht in seinem Werk. Es liegt mir fern, die Leistung des Geschwisterpaares Tkacz, die sich die Hauptrolle teilten, mit harschen Worten zu kritisieren. Nichtsdestotrotz – und dies ist möglicherweise auch ein Grund für meine fehlende emotionale Bindung zur Hauptfigur – sind die limitierten Fähigkeiten der Jungdarsteller offensichtlich: Sie „spielen“ hervorragend. Dass sie die Rolle wirklich verinnerlicht haben, wage ich zu bezweifeln. Nun kann, sollte und darf man selbstverständlich von einem Kind nicht verlangen, sich mental in eine derart erschütternde Situation zu begeben, wie es Yoram Fridman einst tun musste. Allerdings kann ich den Gedanken daran nicht abschütteln, was wohl ein Haley Joel Osment („The Sixth Sense“) oder eine Dakota Fanning („I am Sam“) aus einer solchen Rolle gemacht hätten. Ein anderes Beispiel, in dem gleich zwei Kinder in einem thematisch ähnlichen Film Außergewöhnliches zeigen, ist die Literaturverfilmung „Der Junge im gestreiften Pyjama“ (2008, Regie: Mark Herman). Hier aber, bei „Lauf Junge Lauf“, bleibt die Darstellung seltsam oberflächlich.

„Lauf Junge Lauf“ ist weit entfernt davon, ein schlechter Film zu sein. Es ist ein Werk, das ganz unverblümt auf das – berechtigte – Mitleid der Zuschauer zielt und vornehmlich wegen des Fakts, dass es sich hierbei um eine wahre Geschichte handelt, beeindruckt. Abseits vom Inhalt bleibt Danquarts Adaption jedoch in vielen Aspekten mittelmäßig. Bedauerlich.

Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und original polnisch/jiddischer Sprachfassung mit deutschen Untertiteln. Als Bonus gibt es ein 60-minütiges Making of, Bildergalerien und Trailer. „Lauf Junge Lauf“ erscheint bei NFP marketing & filmdistribution GmbH/EuroVideo und ist seit 25. September erhältlich. (Packshot: NFP/EuroVideo)

Heimkino-Tipp: „Finding Vivian Maier“ (2013)

Wie oft haben wir uns schon Sachen entledigt, die wir für unwichtig hielten? Nicht nur eigene Fotos, Briefe und Unterlagen, sondern auch Hinterlassenschaften von anderen, beispielsweise bei der Wohnungsauflösung der Großeltern? Meist bleibt wenig Zeit für eine genauere Betrachtung der Dinge, die da vor uns liegen. Vielleicht ist es aber auch nur die Furcht davor auf etwas zu stoßen, was das eigene Familienbild infrage stellt.

Der Filmemacher Arnon Goldfinger ist diesen dunklen Weg in seiner herausragenden Dokumentation „Die Wohnung“ (Rezension siehe HIER) gegangen und hat so etwas über seine Großeltern herausgefunden, was sonst möglicherweise für immer verloren gegangen wäre. Goldfingers Kollege John Maloof ist etwas Ähnliches widerfahren – jedoch mit der Folge, dass seine Entdeckung im Bereich der Kunstfotografie weltweit für Aufsehen sorgte. Der Film „Finding Vivian Maier“ dokumentiert dies auf angenehm unverkrampfte, zugängliche und unterhaltsame Weise.

Ursprünglich war Maloof auf der Suche nach alten Stadtfotografien für ein eigenes Projekt. Bei einer Versteigerung erhielt er den Zuschlag für einen Koffer aus dem Nachlass einer Frau, die Zeit ihres Lebens als Kindermädchen in Chicago und New York tätig war und offenbar nebenbei Fotografien machte. Viele davon waren noch nicht einmal entwickelt, doch Maloof fand Gefallen an den Bildern und wollte mehr über jene Vivian Maier erfahren, deren Arbeiten weniger Schnappschüsse als viel mehr kleine Kunstwerke sind, die berührend, vielsagend und äußerst professionell wirken. Er kaufte weitere Koffer, Schachteln und Papierberge der ihm unbekannten Frau auf und begab sich auf die Suche nach ihrer Identität.

Wie sich zeigt, war Vivian Maier tatsächlich nie mehr als eine Nanny. Zwar erinnern sich einige, die sie kannten, an ihr pausenloses Fotografieren und Filmen. Eine Ausstellung jedoch, eine Veröffentlichung, oder eine Sammlung mit ihren Arbeiten existieren nicht. Je tiefer Maloof gräbt und recherchiert, umso deutlicher wird: Vor ihm liegt das gesamte, unveröffentlichte Werk einer Frau, die ihre Kunst nie publik machte und offenbar kein Interesse daran hatte, dies irgendwann zu ändern. Maloof ist erstaunt und entscheidet sich – erst vereinzelt und lediglich online, später in größeren, weltweiten Ausstellungen – Vivian Maiers Fotokunst der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Ergebnis: Heute, nur wenige Jahre nach ihrem Tod, gilt sie als eine der wichtigsten und besten Street-Photographer des 20. Jahrhunderts.

Mit solch einer beinahe unglaublichen Geschichte im Gepäck ist jede Dokumentation eigentlich ein Selbstläufer. Glücklicherweise haben sich Maloof und sein Co-Regisseur Charlie Siskel jedoch nicht dazu hinreißen lassen, damit das „schnelle Geld“ zu machen. Vielmehr haben sie mit Sorgfalt und einem gut ausgearbeiteten Spannungsbogen eine Doku kredenzt, die nicht nur die Arbeit sondern ebenso das Leben der Porträtierten huldigt, ihr Schaffen hinterfragt und versucht, ein ehrliches Bild der Person zu zeichnen – mit all ihren sonderbaren Verhaltensweisen. Mit hohem Tempo, optisch ansprechenden Bildkompositionen und passend eingefügten Fotos aus dem Maier-Fundus entstand so eine Detektivgeschichte, die staunen und lächeln lässt. Zwar enthält auch „Finding Vivian Maier“ einige Szenen, die zweifellos für den Film noch einmal nachgestellt wurden (z.B. die Auktion, die Maloof zu Beginn besucht). Der Qualität des Films und der Glaubhaftigkeit der Geschichte schadet dies aber nicht.

Fazit: „Finding Vivian Maier“ hat alles, was eine gute Doku haben muss: eine spannende Prämisse, eine angemessene Präsentation und eine Begeisterung des Filmemachers für sein Thema, die sich nahtlos auf seine Zuschauer überträgt.

Die DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und original englischer Sprachfassung mit deutschen Untertiteln. Als Bonus sind Filmaufnahmen von Vivian Maier und Trailer vorhanden. „Finding Vivian Maier“ erscheint bei NFP marketing & filmdistribution GmbH/EuroVideo und ist seit 9. Oktober erhältlich. (Packshot: NFP/EuroVideo)

... im Nachgang: „A Most Wanted Man“ (Kinostart: 11. September 2014)

Philip Seymour Hoffman in einer seiner letzten Hauptrollen. In meinen Augen ein würdiger Abschluss einer bemerkenswerten Schauspielkarriere. Aber lest selbst: HIER!

(Bild: © 2014 Senator/Central)

Heimkino-Tipp: „Nächster Halt: Fruitvale Station“ (2013)

Anfang der 1990er-Jahre entstanden mit „Boyz n the Hood“ (Regie: John Singleton, 1991) und „Menace II Society“ (Regie: Allen & Albert Hughes, 1993) zwei Filme, die deutlich und unverklärt wie selten zuvor das Leben afroamerikanischer Jugendlicher in US-Großstädten abbildeten: (Polizei-)Gewalt, Rassismus und Vorurteile sind omnipräsent, die Möglichkeiten, unabhängig vom Bildungsstand den oftmals tristen Lebensumständen zu entkommen, beschränkt. Zwanzig Jahre später scheint sich daran kaum etwas geändert zu haben, wie die Erschießung des 17jährigen Trayvon Martin (2012, in Florida, vom Mitglied einer „Bürgerwehr“) oder der Tod des 18jährigen Michael Brown (2014, in Ferguson, durch die Hand eines Polizisten) zeigen – beide Männer waren unbewaffnet, beide Täter sind weiß.

Das Spielfilmdebüt von Ryan Coogler „Nächster Halt: Fruitvale Station“ widmet sich einem weiteren Fall dieser Art, der sich in der Neujahrsnacht zum 1. Januar 2009 in San Francisco zugetragen hat. Das Opfer: der 22jährige Oscar Grant, während seiner Verhaftung erschossen von einem weißen Polizisten. Allerdings gab es hierbei Dutzende Zeugen und mit Handys aufgezeichnete Videomitschnitte, die den gesamten Vorfall, der sich an einer Hochbahnstation zutrug, dokumentierten. Coogler setzt diese Amateur-Aufnahmen an den Beginn seines Films – und blickt anschließend auf die letzten 24 Stunden im Leben des Familienvaters zurück.

Entstanden ist ein fabelhaftes und mit großem Können inszeniertes Porträt nicht nur eines Afroamerikaners im Amerika von heute, sondern ebenso eine bedrückende Studie, die eines der größten Probleme des Landes, den latenten Rassismus, mit vielen kleinen Verweisen verdeutlicht. Das vor allem in der Hauptrolle von Michael B. Jordan herausragend gespielte Drama schafft es zudem, den Tod von Oscar Grant nicht nur als weitere traurige Zahl in einer langen, anonymen Statistik erscheinen zu lassen, sondern die Tragweite dieser laut Gericht „fahrlässigen Tötung“ zu verdeutlichen.

Bewusst möchte ich an dieser Stelle weitere Details der Handlung aussparen, die rational betrachtet keine außergewöhnlichen Dinge präsentiert, aufgrund der Ereignisse am Ende des Tages jedoch eine bemerkenswerte Intensität entwickelt, die es leider nur noch selten im Kino zu erleben gibt.

Ein traurig und wütend machender, wichtiger und lange nachwirkender Film, der sich ob seiner Qualität und Thematik nahtlos in die Reihe der oben genannten „Klassiker“ des New Black Cinema einreihen darf. Anschauen!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und original englischer Sprachfassung. Untertitel in deutsch sind optional zuschaltbar. Das Bonusmaterial beinhaltet ein Q&A mit den Filmemachern, ein informatives Making of sowie Trailer. „Nächster Halt: Fruitvale Station“ erscheint bei DCM Filmdistribution GmbH/universum film und ist seit 2. Oktober erhältlich. (Packshot: DCM)