Heimkino-Tipp: „Kiss the Cook“ (2014)

Soul Food

Zu Beginn ein gutgemeinter Rat, um nicht ähnlich unschönes Magenknurren durchstehen zu müssen wie der Autor dieser Zeilen: diesen Film bitte nur nach dem Essen genießen – oder zumindest während des Schauens einen leckeren Snack in Reichweite haben. Andernfalls wird „Kiss the Cook“ eine Geduldsprobe.

Denn was Regisseur/Autor/Hauptdarsteller Jon Favreau hier auftischt, ist Kino für die Seele und – zumindest optisch – für den Gaumen. Zwar scheint zunächst angesichts der unzähligen TV-Shows zum Thema das Anliegen, einen Film über einen Koch und seine Künste zu inszenieren, ziemlich überflüssig. Favreau jedoch macht daraus eine luftig-leichte, amüsante und herzerwärmende Familiengeschichte, in der das Kochen und das gemeinsame Genießen zu sinnlichen, beziehungsstiftenden Erfahrungen werden. Und damit kredenzt er viel mehr, als es jeder Koch-Soap im Fernsehen jemals gelingen wird.

Im Mittelpunkt steht der geschiedene Gourmetkoch Carl (Favreau), der sich ausgerechnet am Tag des Besuchs eines einflussreichen Restaurantkritikers mit seinem Chef überwirft und dem Laden den Rücken kehrt. Nachdem ihm dann auch noch jener Kritiker in Grund und Boden schreibt, braucht Carl eine Auszeit – und verwirklicht sich einen lang gehegten Traum: er eröffnet einen Food-Truck, der ihm erlaubt, endlich nur das aufzutischen, worauf er Lust hat. Zusammen mit seinem Kumpel Martin (John Leguizamo) und seinem kleinen Sohn Percy (Emjay Anthony), der die Sommerferien bei ihm verbringt, fährt das Trio quer durchs Land und hat schon bald in etlichen Städten viele Fans.

Wer Favreau nur als den Mann hinter Blockbustern wie „Iron Man“ oder „Cowboys & Aliens“ kennt, wird sich womöglich wundern: „Kiss the Cook“ (OT: „Chef“) ist nämlich eine waschechte Independent-Filmperle. Ein Schritt zurück sozusagen, denn die Karriere des heute 49-Jährigen nahm im Programmkino einst ihren Anfang. Ob als Autor und Darsteller im großartigen „Swingers“ oder als Gaststar in diversen TV-Serien wie „Chicago Hope“ und „Monk“: Favreau hat quasi ‚ganz unten‘ begonnen und weiß, dass Bombast und Effekte im Kino nicht alles sind. Stattdessen verwöhnt er sein Publikum diesmal mit frechen Wortgefechten und relaxten Auftritten zahlreicher Hollywood-Stars, denen die Ungezwungenheit und der Spaß sichtlich anzumerken ist: Dustin Hoffman, Scarlett Johansson, Robert Downey Jr., Sofia Vergara und Oliver Platt sind nur einige von vielen bekannten Gesichtern, die in mehr oder minder großen Rollen mitwirken.

Das Herzstück jedoch ist die Vater-Sohn-Geschichte zwischen Carl und Percy: Der Alte unerfahren in Erziehungsfragen, der Junge zunächst desinteressiert an der Arbeit seines Vaters, die er für dessen häufiges Fehlen verantwortlich macht. Also tobt sich der Kleine in sozialen Netzwerken aus, während sein Paps ihn am liebsten gleich wieder bei der Mutter abliefern würde. Zuzusehen, wie diese beiden gegensätzlichen Charaktere auf ihrer Reise zusammenwachsen und dabei die Welt des anderen zu schätzen lernen, ist eine wahre Freude.

Wenn dazu noch hier und da ein paar freche Seitenhiebe auf das Filmbiz, rücksichtloses Fan-Verhalten und überhebliche Kritiker (ja, auch ich bin damit gemeint!) eingestreut werden, bekommt diese Komödie neben den ohnehin vielen kulinarischen Tipps und Empfehlungen richtig Pfeffer – und macht aus „Kiss the Cook“ schlicht und einfach einen großartigen, empfehlenswerten Film. Guten Appetit!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Im Bonusmaterial gibt es einen Audiokommentar von Jon Favreau, geschnittene Szenen, Trailer und ein paar Interviewschnipsel. „Kiss the Cook – So schmeckt das Leben!“ erscheint bei Koch Media und ist seit 22. Oktober 2015 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)

Heimkino-Tipp: „Elser“ (2015)

Unbekannter Held

Nach den ersten Vorführungen des Tom-Cruise-Streifens „Operation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat“ (2008) in den USA äußerten sich Besucher verwundert über die Tatsache, dass es im ‚Dritten Reich‘ Widerstand gegen Hitler und seine Politik gab. Offenbar war über dieses Thema zumindest außerhalb Deutschlands nur sehr wenig bekannt. Die Amis! Doch Moment: Auch in unseren Breitengraden scheint es diesbezüglich noch Nachholbedarf zu geben. Anders ist das kollektive Nichtwissen – zumindest außerhalb der Historikerzunft – um die Person Georg Elser wohl kaum zu erklären. Ob ein Film dies ändern kann? Einen Versuch ist es wert.

Vor allem, wenn er derart viel Diskussionsmaterial liefert wie „Elser“. Regisseur Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“, „Invasion“) handelt die bekannten(?) Fakten vom misslungenen Attentat gleich zu Beginn ab, um sich dann mit allerlei Fiktion einer Person anzunähern, über deren Handlungsmotive man nur spekulieren kann. Die Dresdner Schauspielhaus-Wundertüte Christian Friedel, der mit seiner Band Woods of Birnam auch musikalisch am Film beteiligt war, verleiht diesem Mann Intelligenz, Lässigkeit, Selbstvertrauen und vor allem Menschlichkeit, während sein Umfeld mehr und mehr der nationalsozialistischen Verführung erliegt. Hirschbiegel benötigt dafür nur wenige Szenen und Schauplätze, macht den um sich greifenden Wahnsinn damit aber durchaus spür- und greifbar.

Dann jedoch begibt sich „Elser“ auf heikles Terrain: Denn wer war diese Person vor dem 8. November 1939, dem Tag der Verhaftung? Während sich Hirschbiegel und seine Autoren für die Zeit nach Elsers Festnahme auf zahlreiche Gesprächs- und Verhörprotokolle stützen konnten, bleibt die Quellenlage für Elsers Jugend lückenhaft. Insofern ist die künstlerische Entscheidung, Elsers Vernehmung und die Ratlosigkeit seiner Richter parallel zu Elsers Vorkriegserfahrungen zu montieren, sicherlich die geeignetste, um Leerstellen im Lebenslauf zu kaschieren. Ebenso tut Hirschbiegel gut daran, seinen Protagonisten nicht mit einer weißen Weste auszustatten, sondern als zweifelnden und ob seiner Schuld am Tod von mehreren Zivilisten innerlich gebrochenen Mann darzustellen.

So gelingt ihm und seinem Hauptdarsteller eine Figur, die dem echten Elser vermutlich sehr nahe kommt. Und doch, ein klein wenig Distanz ist angebracht: Denn viele von Elsers überlieferten Äußerungen – und das zeigt der Film durchaus drastisch – stammen aus brutalen Verhören und geben der Aussage eines seiner Folterer, „die Wahrheit wird von uns festgelegt“, einen blutigen Nachgeschmack.

Doch genug der Haarspalterei: Eine lobende Erwähnung zum Schluss verdient die Filmmusik von David Holmes („Out of Sight“), den Hirschbiegel offenbar noch aus Hollywood-Zeiten kennt. Er verziert seinen klassischen Score hier und da mit sanften elektronischen Tönen, was gleichsam innovativ wie ungewöhnlich erscheint, zum Stil des Films jedoch wunderbar passt. Denn auch Hirschbiegel gönnt sich kurz vor dem Ende einen kleinen stilistischen Ausbruch, der in solcherlei Filmen eher selten zu sehen ist. Ein Querdenker eben, ganz wie sein Filmheld. Gut so!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutscher Originalsprachfassung, eine Hörfilmfassung sowie deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Das Bonusmaterial (nur Blu-ray und 2-DVD-Edition) ist üppig: Neben einem Audiokommentar von Regisseur und Hauptdarsteller gibt es ein Making of, Interviews, Impressionen von den Erstaufführungen in München und Berlin (mit Bundespräsident Gauck), sowie diverse Trailer und ein Booklet. Zusätzlich auf der blauen Scheibe noch vorhanden: ein Vorwort von Hirschbiegel, gelöschte Szenen und Ausschnitte der Berlinale-Pressekonferenz. „Elser“ erscheint bei NFP marketing & distribution im Vertrieb von EuroVideo und ist seit 22. Oktober 2015 erhältlich. (Packshot+stills: FilmPressKit online/NFP/Lucky Bird Pictures/Bernd Schuller)

Heimkino-Tipp: „Spring“ (2014)

Love is a Monster

Schon einmal das Bedürfnis gehabt, wirklich alles über den Partner erfahren zu wollen? Wo er sich rumtreibt, wenn er nicht erreichbar ist? Was sie macht, wenn sie allein und ungestört Zuhause bleiben will? Nach dem Genuss von „Spring“ könnte dieses Verlangen ein Ende haben – denn was dem verliebten Evan (Lou Taylor Pucci) widerfährt, ist eine ganz und gar außergewöhnliche Romanze, bei der ihm ein wenig mehr Nichtwissen sicherlich gutgetan hätte.

Der junge Amerikaner ist gerade auf einem Selbstfindungstrip in Italien, nachdem er nacheinander seine Eltern, seinen Job und schließlich seine Beherrschung gegenüber einem Kneipengast verloren hat. Dort läuft er der attraktiven Louise (Nadia Hilker) in die Arme, die ihm erst den Kopf verdreht und anschließend nicht mehr aus dem Sinn geht. Könnte sie gar die Liebe seines Lebens sein? Nach einer Woche der Zweisamkeit ist Evan klar, dass er die Schöne nicht mehr missen will. Doch sie zögert – wohlwissend, dass ihr ‚Geheimnis‘ nicht nur Evans Herz zerreißen, sondern ihn ebenso sämtliche anderen Körperteile kosten könnte.

Inszeniert vom überaus talentierten Duo Justin Benson und Aaron Moorhead, die neben dem Skript auch für die Produktion sowie diverse andere Set-Aufgaben verantwortlich zeichnen, ist „Spring“ zunächst erst einmal eines: großartig anzusehen! Gedreht an Original-Locations in Italien, nutzen die beiden Regisseure sämtliche Raffinessen des Filmemachens, um aus dem limitierten Budget das Beste rauszuholen. Die Kameraarbeit ist formidabel, der Schnitt hervorragend und die Darsteller weit über dem Genre-Durchschnitt. Vor allem die gebürtige Münchnerin Hilker weiß mit vielen kleinen Akzenten zu begeistern, die meist in winzig kurzen Momenten zum Vorschein kommen, das Abenteuer, welches ihrem männlichen Gegenüber bevorsteht, aber schon erahnen lassen. Oder besser ‚befürchten lassen‘?

Doch statt des zu erwartenden Monsterhorrors, der in vielen anderen Filmen außer Blut, Gedärm und Jump Cuts meist nicht viel Essenzielles zu bieten hat, gibt es in „Spring“ darüberhinaus noch eine überaus clevere Erklärung für das nicht ganz normale Wesen von Louise. Aber nicht nur das: Ist die Katze erst einmal aus dem Sack, rennt Evan nicht einfach davon, sondern macht deutlich, dass sein anfänglicher Liebesschwur kein reines Lippenbekenntnis war.

Liebe Filmfreude, das ist ein Horrorstreifen mit Substanz, Köpfchen, Qualität – und einer richtig guten (romantischen) Geschichte, die Benson & Moorhead hier erzählen. Mit einem Wort: Klasse!

Die DVD/Blu-ray bietet den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung sowie deutsche Untertitel. Im Bonusmaterial gibt es ein informatives Making of (Titel „Pressematerial“), geschnittene Szenen sowie Trailer und einige witzige Kurzfilme bzw. -featurettes . „Spring“ erscheint bei Koch Media und ist seit 8. Oktober 2015 erhältlich. (Packshot + stills: © Koch Media GmbH)