Heimkino-Tipp: „Ein Mann namens Ove“ (2015)

Grumpy old man

Erinnert sich noch jemand an Carl Fredricksen – den Protagonisten aus dem Pixar-Animationsfilm „Oben“? Jener alte und verwitwete Mann, der seine Umgebung am liebsten anbellt, ständig vor sich hin grummelt und seit dem Tod der geliebten Frau bevorzugt in seinen eigenen vier Wänden hockt? Ove (Rolf Lassgård), die Hauptfigur in Hannes Holms Adaption von Fredrik Backmans Roman „Ein Mann namens Ove“, könnte sein böser Zwillingsbruder sein. Und auch er hat mit einem aufdringlichen Mitmenschen zu kämpfen. Nur ist es statt eines kleinen Jungen wie in „Oben“ nun eine lebenslustige Nachbarin, die mit ihrem unbändigen Optimismus dem Misanthropen ordentlich Contra gibt.

Dabei macht es ihr Ove zunächst nicht leicht: Nachdem er erst seine Frau Sonja (Ida Engvoll) und dann noch seinen Job verloren hat, ist für den ordnungsliebenden Mann die Zeit des Abschieds gekommen. Genervt von der Ignoranz seiner Mitmenschen bezüglich einfachster Regeln – Abfall in den Mülleimer, Gitter geschlossen halten, Fahrräder in den dafür vorgesehenen Abstellraum –, will er seinem Leben ein Ende bereiten. Das gestaltet sich jedoch schwieriger als gedacht. Denn entweder sind die dafür genutzten Hilfsmittel wie ein Seil nicht stabil genug, oder er wird von seinen neuen Nachbarn gestört. Die junge Parvaneh (Bahar Pars) ist zusammen mit ihrer Familie gerade im Haus gegenüber eingezogen und bittet Ove trotz seiner beständig schlechten Laune immer wieder um kleinere Gefallen. Der Griesgram willigt ein – und beginnt irgendwann sogar, in Parvanehs Gesellschaft zu lächeln.

Hand aufs Herz: Wer würde sich freiwillig mit einem wortkargen, ständig schimpfenden Rentner abgeben, dessen Tagesaufgabe darin besteht, Zettel an ungerade eingeparkte Autos zu kleben oder Zigarettenstummel vom Weg aufzuheben? Regisseur Holm, der auch das Drehbuch verfasste, erzählt seine Tragikomödie konsequent aus dem Blickwinkel eines solchen Mannes – und schafft es so, das Publikum auf die Seite des Einzelgängers zu ziehen. Denn in sorgsam eingebetteten Rückblenden enthüllt der Film nach und nach die Gründe für das auf den ersten Blick seltsame Verhalten Oves. In ihnen erfährt der Zuschauer von Oves Jugend, seiner Ehe mit Sonja und von all den kleinen und großen Hürden, die er in seinem Leben überwinden musste – und die ihn zu dem machten, was er nun mit 60 Jahren ist. Dass Holm die glückliche Vergangenheit dabei in warme, satte Farben taucht, während die Gegenwart zunächst grau und sonnenlos daherkommt, unterstreicht zudem auf optischer Ebene die charakterliche Veränderung der Figur.

Doch Holm belässt es nicht bei einer „bloßen“ Charakterstudie. Sein Film ist gleichzeitig ein Plädoyer für Mitmenschlichkeit, Offenheit und Vorurteilslosigkeit. Wie das zusammenpasst? Ove ist es herzlich egal, wer ihm da gerade den Tag versaut – für ihn sind ausnahmslos alle „Idioten“. Was sich später ins Positive verkehrt: Egal ob Ausländer, Homosexuelle, körperlich Behinderte, Tollpatsch oder Übergewichtige: Ove steht ihnen zur Seite, packt mit an oder lässt sie gar bei sich wohnen. Ein schönes Statement, das umso nachhaltiger wirkt, da es Regisseur Holm beinahe unbemerkt, subtil und unaufdringlich in seine Geschichte einbaut. Wunderbar!

Die Blu-ray/DVD bietet den Film in deutsch synchronisierter und original schwedischer Sprachversion sowie deutsche Untertitel für Hörgeschädigte. Als Extra gibt es Trailer. „Ein Mann namens Ove“ erscheint bei Concorde Home Entertainment und ist seit 18. August 2016 erhältlich. (Packshot + stills: © Concorde Home Entertainment)

Heimkino-Tipp: „London has fallen“ (2016)

Demolition Men

In Zeiten von patriotischen Schreihälsen wie Donald Trump und weltweit agierenden Terrororganisationen sind Filme wie „London has fallen“ ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite präsentieren sie perfektes Action-Popcorn-Kino, das nur unterhalten will. Auf der anderen Seite jedoch hat der darin zur Schau gestellte Egoismus amerikanischer Helden sowie das an reale Anschläge erinnernde Szenario einen sehr bitteren Beigeschmack, der sich nur schwer ignorieren lässt.

Einen Versuch ist es trotzdem wert: „London has fallen“ ist die Fortsetzung des „Stirb Langsam“-Klons „Olympus has fallen“ aus dem Jahre 2013, in dem der Sicherheitsexperte Mike Banning (Gerard Butler) im Alleingang den amerikanischen Präsidenten Benjamin Asher (Aaron Eckhart) aus dem Weißen Haus rettet, das zuvor von Terroristen gestürmt wurde. Einige Jahre später sind beide immer noch in ihren Jobs tätig und vertrauen einander wie sonst niemandem. Als der britische Premier überraschend stirbt, wird kurzfristig eine Trauerfeier in London organisiert, zu der etliche Staatsoberhäupter aus der ganzen Welt eingeladen werden. Trotz des hohen Sicherheitsrisikos wagt Asher den Trip an die Themse – und gerät prompt in einen Hinterhalt: Ein einflussreicher Waffenhändler, dessen Familie einst von einer amerikanischen Drohne getötet wurde, will sich rächen und legt dazu halb London in Schutt und Asche. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch via Hubschrauber, sind Asher und sein Beschützer Banning gezwungen, per pedes durch die Stadt zu fliehen, während ihnen als Polizisten verkleidete Bösewichter und unzählige schießwütige Söldner hinterherjagen.

Wie schon beim Vorgängerfilm, der 2013 in direkter Konkurrenz zum thematisch ähnlichen Roland Emmerich-Film „White House Down“ in den Kinos startete, steht bei „London has fallen“ die Action im Vordergrund. Amüsante Wortgefechte und schwarzen Humor gibt es abermals selten bis gar nicht, stattdessen räumt Banning seinem Chef kaltblütig, rigoros und effizient den Weg frei. Das ist konsequent und für Fans harter Actionkost sicherlich erfreulich. Mehr noch als in „Olympus“ lässt das Team America jedoch keine Möglichkeit aus, um seine angebliche moralische Überlegenheit kundzutun. Das wäre verschmerzbar, wenn Regisseur Babak Najafi seinem Spektakel nicht einen Pro- und Epilog angefügt hätte, der das Handeln der Terroristen rechtfertigen soll. Denn so schlimm ihrer Taten auch sein mögen, ihre Beweggründe dafür sind eine Diskussion wert. Natürlich nicht in einem Genrefilm wie diesem, aber vielleicht doch etwas tiefgründiger, als sie hier als MacGuffin missbraucht werden.

Abseits davon ist „London has fallen“ all das, was es nach dem ungeschriebenen Gesetz einer Fortsetzung sein muss: lauter, größer, brutaler. Die Haupthandlung kommt schnell in Fahrt, die Action ist herausragend und übersichtlich inszeniert, die Akteure – vor allem Butler alias Banning – agieren glaubhaft. Schon erstaunlich, wie realitätsnah die Zerstörung einer Großstadt heutzutage bebildert werden kann. Da fällt es dann doch wieder schwer, aktuelle Ereignisse komplett auszublenden.

Zum Vorwurf mache ich dies dem Film nicht. Nur zeigt er damit unfreiwillig, wie nah sich beängstigende Fiktion und Realität inzwischen gekommen sind. Mit einem Präsidenten namens Trump vielleicht noch mehr als wir es uns derzeit vorstellen mögen.

DVD- und Blu-ray-Infos: Beide Scheiben bieten den Film in deutsch synchronisierter und englischer Originalsprachfassung. Deutsche und englische Untertitel für Hörgeschädigte sind vorhanden. Als Extras gibt es Making of-Clips, Interviews und diverse Trailer. „London has fallen“ erscheint bei Universum Film und ist seit 29. Juli 2016 erhältlich. (Packshot + Filmstills: © LHF Productions, Inc./Universum)

... im Nachgang: „Money Monster“ (Kinostart: 26. Mai 2016)

Ein Film von Jodie Foster mit Julia Roberts und George Clooney in den Hauptrollen – eine sichere Bank? Die Redaktion des Kinokalender Dresden ist sich uneins. Aber lest selbst, und zwar HIER! Von mir stammt der Pro-Teil des Textes.

(Plakat: © 2016 Sony Pictures Releasing GmbH)